Abschiebung

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Abschiebung ist die zwangsweise Durchsetzung[1] der vollziehbaren Ausreisepflicht[2] einer Person ohne deutsche Staatsangehörigkeit aus dem Bundesgebiet.

Rechtslage und Begriffserklärung

Abschiebung

Die Abschiebung ist in den §§ 58ff. des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG)[3] geregelt.

Als Ausländer[4] gilt gemäß § 2 Abs. 1 AufenthG und Art. 116 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG), wer eine fremde Staatsangehörigkeit besitzt, ohne zugleich Deutscher zu sein, oder der von Rechts wegen von keinem völkerrechtlich existenten Staat als Staatsangehöriger anerkannt wird, also als staatenlos gilt. Als Oberbegriff für Ausländer und Staatenlose sowie für Personen, deren Staatsangehörigkeit ungeklärt ist, wird der Begriff "Nichtdeutsche" gebraucht (PKS 1997, 18)[5]. Da die Staatenlosen eine zahlenmäßig geringe Rolle spielen, wird der Begriff "Nichtdeutscher" oft synonym mit dem Begriff "Ausländer" verwendet.

Ausreisepflichtig sind Ausländer, die keinen Aufenthaltstitel[6] besitzen und auch nicht aufgrund anderer rechtlicher Vorschriften zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt sind. Abgeschoben werden ausreisepflichtige Ausländer, wenn die freiwillige Ausreisepflicht nicht gesichert ist oder aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung eine Überwachung der Ausreise erforderlich erscheint. Letzteres ist insbesondere der Fall, wenn sich der Ausländer in Haft oder in sonstigem öffentlichen Gewahrsam befindet, innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nicht ausgereist ist, wegen der Begehung von Straftaten (§§ 53, 54 AufenthG) ausgewiesen wurde, gegenüber der Ausländerbehörde zum Zweck der Täuschung unrichtige Angaben gemacht oder die Angaben verweigert hat bzw. zu erkennen gegeben hat, dass er seiner Ausreisepflicht nicht nachkommen wird. Als vorbereitende Zwangsmaßnahme zur Verhinderung des "Untertauchens" kann durch den Amtsrichter die Abschiebungshaft angeordnet werden. Das Gesetz unterscheidet hierbei die Vorbereitungshaft, wenn über die Ausweisung nicht sofort entschieden werden kann, und die Sicherungshaft zur Sicherung der Abschiebung. Grundsätzlich darf ein Ausländer gemäß § 60 AufenthG nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine körperliche Unversehrtheit wegen seiner Rasse, seiner Religionszugehörigkeit, seiner Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe, seine Geschlechts oder seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Darüber hinaus sind in § 60a AufenthG sog. Duldungsgründe aufgeführt, die eine Aussetzung der Abschiebung bewirken. Als Beispiele für eine tatsächliche oder rechtliche Unmöglichkeit der Abschiebung im Einzelfall sind etwa Probleme bei der Feststellung der Identität und Staatsangehörigkeit zu nennen, ferner die Weigerung der Heimatbehörden, einen Pass oder Passersatz auszustellen, fehlende Flugverbindungen sowie Reiseunfähigkeit des Ausländers. Die Abschiebung erfolgt in der Regel in der Form, dass der Ausländer durch Polizeibeamte an die Grenze gebracht und der zuständigen Grenzstelle übergeben wird.

Ausweisung

Die Ausweisung ist der Verwaltungsakt, mit dem ein Ausländer, bei Benennung einer Ausreisepflicht und gleichzeitiger Androhung der Abschiebung, verpflichtet wird, das Bundesgebiet zu verlassen. Ein eventuell noch vorhandener Aufenthaltstitel erlischt. Durch die Ausweisung entsteht ein dauerhaftes Einreise- und Aufenthaltsverbot, das nach der Ausreise auf Antrag befristet werden kann. Ein Ausländer kann aus Deutschland ausgewiesen werden, wenn er eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt. Dies kann bereits bei Begehung einer einzelnen vorsätzlichen Straftat erfüllt sein. Die rechtlich zwingenden Ausweisungsgründe sind in § 53 AufenthG, Regelausweisungsgründe in § 54 AufenthG und Ermessensausweisungsgründe in § 55 AufenthG festgelegt. Zu beachten ist der besondere Ausweisungsschutz nach § 56 AufenthG sowie spezielle Schutzvorschriften nach EU-Recht bzw. Assoziationsrecht (insbesondere für EU-Bürger und türkische Staatsangehörige). Wenn die Voraussetzungen für eine Aufenthaltsbeendung vorliegen und hiergegen kein Rechtsschutz (Klage und/oder Eilantrag beim Verwaltungsgericht) mehr möglich ist, leitet die Ausländerbehörde die Abschiebung ein. Dieser geht in der Regel eine Ausreiseaufforderung mit Ausreisefrist voraus.

Auslieferung

Unter einer Auslieferung ist das Überstellen einer Person in ein anderes Land, in welchem die verdächtige Person per Haftbefehl gesucht wird, zu verstehen. Bei diesem formalen Verfahren soll die verdächtige Person in das ersuchende Land verbracht werden, um dort vor Gericht gestellt zu werden oder eine bereits verhängte Strafe zu verbüßen. Die Rechtsgrundlage hierfür ist das Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRG) sowie bilaterale Verträge zwischen den Staaten. Bevor ein Verdächtiger in einen anderen Staat ausgeliefert werden kann, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein. Hierzu zählen etwa, dass die zur Last gelegte Straftat in beiden Ländern strafbar sein muss, d.h. politische Vergehen sind von der Auslieferung ausgenommen. Darüber hinaus dürfen dem Verdächtigen keine Folter oder sonstige menschenunwürdige Behandlung oder gar die Todesstrafe drohen. Es muss sichergestellt sein, dass dem Betroffenen ein fairer Prozess erwartet. Die Auslieferung deutscher Staatsangehöriger ist gemäß Art. 16 GG grundsätzlich nicht zulässig. Eine Ausnahme kann jedoch durch Gesetz für Auslieferungen an einen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder an einen internationalen Gerichtshof getroffen werden, soweit rechtsstaatliche Grundsätze gewahrt sind. Die Entscheidung über die rechtliche Zulässigkeit der Auslieferung obliegt dem örtlich zuständigen Oberlandesgericht gemäß § 29 IRG. Ein Rechtsmittel hiergegen gibt es nicht.

Überstellung

Das Übereinkommen des Europarates über die Überstellung verurteilter Personen[7], dem auch eine Reihe von Nichtmitgliedstaaten der Europäischen Union angehören, ermöglicht die Überstellung verurteilter Personen zur Strafverbüßung in ihren Heimatstaat, wenn die verurteilte Person zustimmt und die beiden Staaten sich im Einzelfall einigen. Hierdurch soll ihre Wiedereingliederung in die Gesellschaft gefördert werden. Das Übereinkommen begründet keine Verpflichtung der Mitgliedsstaaten, die das Übereinkommen ratifiziert haben, einem Überstellungsersuchen statt zu geben. Voraussetzungen für die Überstellung sind, dass das Urteil rechtskräftig und vollstreckbar ist, bei Eingang des Überstellungsersuchens noch mindestens sechs Monate der Strafe zu verbüßen sind, die Straftat in beiden Staaten strafbar ist und die zuständigen Behörden des Urteils- und des Vollstreckungsstaates sowie die verurteilte Person der Überstellung zustimmen. Im Interesse einer weiter gehenden internationalen Zusammenarbeit sieht das Zusatzprotokoll zum Überstellungsübereinkommen vor, dass auch ohne oder gegen den Willen der verurteilten Person in zwei Fällen eine Strafvollstreckung im Heimatstaat erfolgen kann. Wenn gegen die verurteilte Person im Urteilsstaat eine rechtskräftige Ausweisungsverfügung vorliegt, kann sie in ihren Heimatstaat zum Vollzug einer Reststrafe überstellt werden. Flieht eine verurteilte Person aus dem Urteilsstaat in ihren Heimatstaat, so musste bisher ein Auslieferungsersuchen an diesen gestellt werden, um eine weitere Vollstreckung der Strafe im Urteilsstaat zu ermöglichen. Da die meisten Staaten eigene Staatsangehörige oftmals nicht zur Strafvollstreckung ausliefern und eine Vollstreckung einer ausländischen Verurteilung auf vertragloser Basis der Mehrzahl der Staaten verwehrt ist, blieb in diesen Fällen die Straftat ungesühnt. Mit dem Zusatzprotokoll kann auf Ersuchen des Urteilsstaats die Strafe im Heimatstaat auch ohne Zustimmung des Verurteilten weiter vollstreckt werden. Die Bundesländer erhoffen sich von der Ratifizierung und Ausführung des Zusatzprotokolls ein wichtiges Instrument zur Entlastung des deutschen Strafvollzuges. Inwieweit dies zutrifft, bleibt abzuwarten.

Auswirkungen im Justizvollzug

Der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) ist zu entnehmen, dass im Jahre 2009[8] im gesamten Bundesgebiet 462.387 nichtdeutsche Tatverdächtige ermittelt wurden. Bei einer Gesamttatverdächtigenzahl von 2.187.217 bedeutet dies einen Anteil von ca. 21%. Am 31.03.2009 befanden sich insgesamt 48.318 Strafgefangene und Sicherungsverwahrte in deutschen Justizvollzugsanstalten[9], davon waren 13.560 Ausländer oder Staatenlose, was einem Anteil von 28% entspricht.

Der hohe Anteil der Ausländer an den Inhaftierten stellt die Justizvollzugsanstalten in ihrem Bemühen um eine den Vollzugszielen möglichst umfassend gerecht werdende Ausgestaltung des Vollzuges auch für diese Gruppe der Gefangenen vor zahlreiche Schwierigkeiten. Die mit der Freiheitsentziehung verbundenen Beschränkungen treffen im Strafvollzug zwar alle Gefangenen, für ausländische Gefangene sind sie aber besonders spürbar, weil ihnen weithin die Voraussetzungen dafür fehlen, sich in der zusätzlich isolierenden Umgebung einer Justizvollzugsanstalt zurechtzufinden und nach dem geltenden Recht auch ihnen zustehende Chancen wahrzunehmen.

Als Hindernisse, die nur schwer zu überwinden sind, erweisen sich namentlich die Sprachbarriere und die Herkunft aus Kulturkreisen, die sich von der deutschen oft wesentlich unterscheidet.

Vollzugslockerungen

Gemäß § 11 StVollzG können Gefangene während der Haftzeit in Lockerungen eingebunden werden, wenn nicht zu befürchten ist, dass sie sich dem Vollzug der Freiheitsstrafe entziehen oder Lockerungen zu Straftaten missbrauchen werden. Eine Einschränkung besteht gemäß der zu § 11 StVollzG erlassenen Verwaltungsvorschrift für Ausländer dahingehend, dass Vollzugslockerungen bei ihnen ausgeschlossen sind, wenn gegen sie Auslieferungs- oder Abschiebungshaft angeordnet ist bzw. gegen sie eine vollziehbare Ausweisungsverfügung für den Geltungsbereich des Strafvollzugsgesetzes besteht und sie aus der Haft abgeschoben werden sollen.

Ungeeignet für die Gewährung von Lockerungen sind sie hingegen, wenn gegen sie ein Ausweisungs- oder Auslieferungsverfahren anhängig ist. Ausnahmen hiervon sind jedoch möglich, wenn besondere Gründe vorliegen. Dies ist etwa der Fall, wenn der Ausländer im Bundesgebiet als bereits sozial gefestigt gilt und es wahrscheinlich ist, dass er nach der Entlassung in Deutschland zumindest geduldet wird, etwa, weil er in seinem Heimatland aufgrund seines Glaubens verfolgt würde. Die Wiedereingliederung des Gefangenen hat in einem solchen Falle stärkeres Gewicht.

Zuständige Ausländerbehörde

Für Ausländer, die sich in Untersuchungshaft befinden, ist die Ausländerbehörde zuständig, in dessen Zuständigkeitsbereich der Ausländer vor der Inhaftierung seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Für unaufschiebbare Maßnahmen ist die Ausländerbehörde des Haftortes zuständig. Für Ausländer, die sich in Strafhaft befinden, ist zunächst die Ausländerbehörde des Haftortes zuständig. Bestehen enge familiäre Bindungen zum früheren gewöhnlichen Aufenthalt, so bleibt die frühere Ausländerbehörde zuständig.

Kritik

Die Konsequenzen einer Abschiebung für die Betroffenen können im Rahmen von Behördenentscheidungen, denen teilweise unrichtige oder unvollständige Informationen vorliegen, nicht immer vollständig berücksichtigt werden. Obwohl bei Härtefällen eine Reihe von Ausnahmen von der Abschiebung vorgesehen sind, kann diese jedoch in bestimmten Fällen auch dann angeordnet werden, wenn dem Betroffenen in dem jeweiligen Heimatland die Verfolgung oder sogar der Tod droht. Auch ist festzustellen, dass EU-rechtliche Vorgaben vielfach nur zögerlich, zum Teil auch erst nach entsprechenden Urteilen des Europäischen Gerichtshofes umgesetzt wurden. So wurde die Bundesrepublik mit Urteil des EuGH vom 27.04.2006 wegen ihrer überharten Ausweisungspraxis gerügt.

Literatur

Weblinks