Zuhälter

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Etymologie

Ursprung des Wortes Zuhälter ist das Verb zuhalten, das im Mittelalter „geschlossen halten, sich aufhalten, außerehelichen Geschlechtsverkehr haben“ heißt. Darüber hinaus bedeutet zuhalten „zu einer Dirne halten, sie beschützen“. Seit dem 16. Jahrhundert ist der Zuhälter, bis dahin „Geliebter, außerehelicher Geschlechtspartner, Dirnenbeschützer“, für den Großteil der Bevölkerung ein gewalttätiger Mann, der Frauen zu sexuellen Dienstleistungen gegen Entgelt zwingt. Synonyme für Zuhälter aus dem altmodischen Szenejargon, sowie der heutigen Umgangssprache sind Loddel, Louis (franz.: liederlicher Bursche), Ludewig (19. Jahrhundert) bzw. Chlodowig (fränkisch: der tapfere Held), Lude (Abkürzung von Ludewig), Stenz (selbstgefälliger Mann) oder Fosenhahn (Fose: derb für Dirne). In verbreiteten Fremdsprachen heißt der Zuhälter pimp/bully/creeper (engl.), maquerau (franz.), bertone (ital.) oder macareno (span.). Ein Patentlude ist das Gegenstück zum gemeinen, rangniedrigen Luden, sowie dem Heiermann-Luden, benannt nach Matrosen, die sexuelle Dienstleistungen der Hafendirnen für einen Heiermann (Fünfmarkstück) erhalten.

Definitionen

Zuhälter/in ist, „[…] wer eine andere Person, die der Prostitution nachgeht, ausbeutet oder seines Vermögensvorteils wegen eine andere Person bei der Ausübung der Prostitution überwacht, Ort, Zeit, Ausmaß oder andere Umstände der Prostitutionsausübung bestimmt oder Maßnahmen trifft, die sie davon abhalten sollen, die Prostitution aufzugeben, […] wer die persönliche oder wirtschaftliche Unabhängigkeit einer anderen Person dadurch beeinträchtigt, dass er gewerbsmäßig die Prostitutionsausübung der anderen Person durch Vermittlung sexuellen Verkehrs fördert und im Hinblick darauf Beziehungen zu ihr unterhält, die über den Einzelfall hinausgehen. […] wer die […] genannten Handlungen oder die […] bezeichnete Förderung gegenüber seinem Ehegatten vornimmt“ (§ 181 a Zuhälterei StGB). „Wenn man im Nachtleben seinen Geschäften nachgeht, speziell der Förderung der Prostitution, […] knallen Interessen aufeinander. […] Du siegst, unter Umständen mit der Faust, und verlässt den zivilisierten Bereich“ (Hentschel in Barth 2005, S. 9). „Die Zuhälterin sorgt dafür, dass […] Regeln eingehalten werden“ (Fleiss in Feige 2003, S. 704). „Ein gut erzogener Junge mit Manieren, der weiß, wie man mit Frauen umgeht, […] Und der natürlich entsprechend Druck machen […] muss, damit er bestimmte Verhaltensregeln durchsetzen kann“ (Richard K. in Feige 2003, S. 707). Die Grenzen sind bisweilen aber fließend: Die Ehefrau oder Freundin kann mit Prostitution zum Lebensunterhalt der Lebensgemeinschaft beitragen oder bestreitet ihn sogar gänzlich, ohne dass der partizipierende Partner hier als Zuhälter zu bezeichnen wäre.


Gewalt

Zuhälter üben oft Zwang auf die für sie tätigen Prostituierten aus, entweder damit sie sich überhaupt prostituieren oder damit sie den gewünschten Anteil an den Einnahmen an ihn oder sie abliefern. Bei allen Formen der Prostitution können die Prostituierten unter der Kontrolle eines männlichen oder weiblichen Zuhälters stehen. Es ist nicht ungewöhnlich, dass Zuhälter die Prostituierten unter Einsatz von Gewalt oder psychischer Manipulation (also durch gezieltes Ausnutzen persönlicher Schwächen), gelegentlich auch suchterzeugender Drogen, in einem Zustand der Abhängigkeit halten; eine besondere gewaltsame Abhängigkeit wird im Fall des Menschenhandels (siehe auch Moderne Sklaverei) geschaffen. Betroffen sind häufig ungebildete Menschen aus Zweit- oder Drittweltländern. In solchen Situationen geht der Verdienst ganz oder weitgehend an die Zuhälter. Eine Gegenleistung wird bestenfalls darin geleistet, indem für den Schutz der Prostituierten in dem oft nicht ungefährlichen Milieu gesorgt wird.

Zuhälter können aber trotz ihrer Kommission dazu führen, dass Prostituierte mit weniger Arbeit mehr verdienen. So zeigt eine empirische Analyse von Prostituierten in Chicago, dass Zuhälter zahlungskräftigere und -willigere Kunden rekrutieren als Prostitutierte alleine. Auch können Prostituierte mit Zuhälter vor Gewalt von Kunden besser geschützt sein.

Historische Begriffsbenutzung, Entstehungsgeschichte

Das Zuhältertum entsteht nach schriftlichen Überlieferungen vor über 2000 Jahren zeitgleich mit der gewerblichen Prostitution, vermutlich sogar weitaus früher. Zuhälter existieren auch bei den Griechen und Römern: Fremdländische Sklavinnen (Pornae) des ältesten offiziellen Bordells in Athen führen einen Teil ihrer Einnahmen an den Zuhälter Staat ab. Hetären (hetaire), die bezahlten Geliebten bedeutender Griechen, haben teilweise Zuhälter. Der römische Geschichtsschreiber Titus Livius (50 v. Chr.-17 n. Chr.) berichtet über den Zuhälter (contabernalis) bzw. das straflose Zuhältertum (contabernium). Im Mittelalter unterhält die Kirche, einer der größten Widersacher der Prostitution, zahlreiche Bordelle, mitunter im einstigen Päpstesitz Avignon, im 16. Jahrhundert im Vatikan. Die strenge Bordellierung des Mittelalters schränkt die Zuhälterei ein und bedroht den Zuhälter oder Liebhaber (caro uomo/amicus) einer Prostituierten zur Vermeidung finanzieller Nachteile für die konzessionierten Bordellinhaber mit Stadtverweis. Die Landsknechtheere der Renaissance bieten dem Zuhälter keinen Zutritt. Im 16. Jahrhundert breiten sich freie Prostitution und Zuhältertum aufgrund der Schließung der Frauenhäuser wegen Syphilis aus. Die kapitalistisch-marktwirtschaftliche Gesellschaft des 18. Jahrhunderts, sowie die große Anzahl der Zuhälter, oft Ehemänner, machen die Prostitution für die Arbeiterbewegung zum Sinnbild der Ausnutzung und Unfreiheit der Frau. Im 19. Jahrhundert nehmen parallel zur Prostitution Gewalt gegen Huren und Freier, sowie Kriminalität innerhalb des Rotlichtmilieus zu. 1891 führt der Berliner Mordprozess gegen das Ehepaar Heinze, einen Zuhälter und seine Prostituierte, zu einer strafrechtlichen Neuerung: Bislang kann ein Zuhälter lediglich über den Kuppeleiparagraphen, der 1973 aus dem StGB gestrichen wird, belangt werden. Auf Erlass Kaiser Wilhelm II. tritt im Jahre 1900 unter „Verbrechen und Vergehen wider die Sittlichkeit“ die „lex Heinze“ § 181 a Zuhälterei Reichsstrafgesetzbuch in Kraft. Dieses Gesetz nährt den Mythos vom kriminellen, gewalttätigen und ausbeuterischen Zuhälter. Infolge der Deliktserfassung werden Zuhälter nach dem Ersten Weltkrieg und während der Weimarer Republik vermehrt in Arbeitshäusern inhaftiert. Ende des 19. Jahrhunderts bis in die fünfziger Jahre hinein schließen sich Zuhälter in überörtlichen Ringvereinen zusammen, mit Gebiets- und Kundenschutz, sowie durch die Dirnen finanzierte Prozesskostenhilfe oder Krankheitsgeld, erste Formen der modernen organisierten Kriminalität. Die erneute Verlagerung der Prostitution auf öffentliche Straßen durch die 1927 abgeschaffte Zwangskasernierung und das gesetzliche Bordellverbot bieten der Zuhälterei weitere Geschäftsmöglichkeiten. Im Widerspruch zum Verbot der gewerbsmäßigen Unzucht und einem verschärften Strafmaß für den Berufsverbrecher Zuhälter, steht die Funktion des nationalsozialistischen Staates als Zuhälter in den Wehrmachtsbordellen, sowie den Bordellen für Häftlinge in Konzentrationslagern und fremdvölkische Zwangsarbeiter. Nach dem Zweiten Weltkrieg fungieren Zuhälter teilweise als Vermittler der Prostituierten an Soldaten. Die Ausbreitung von Callgirls, Auto- und Wohnungsprostitution begünstigt ausländische Zuhältersyndikate und organisierte Kriminalität. Deren Kämpfe um Marktanteile in der Sexarbeit erreichen ihren Höhepunkt in den achtziger Jahren. Kritische Stimmen sprechen sich gegen die klischeehafte mediale Darstellung und grundsätzliche Kriminalisierung des Zuhälters aus. Das Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten vom 1.1.02, kurz Prostitutionsgesetz ProstG, sowie die damit einhergehende Modifikation der §§ 180 a Ausbeutung von Prostituierten (vorher: Förderung der Prostitution) und 181 a Zuhälterei StGB führen zu einer offiziellen Unterscheidung: Der brutale Zuhälter oder Menschenhändler zwingt Frauen zur Prostitution, während der Bordellbetreiber oder Poussierstengel (Aufreißer alter Schule) körperliche und finanzielle Sicherheit garantiert, in der Überzeugung, die Hure drückt ihre Einnahmen (Bockgeld) freiwillig an ihn ab.


Zusammenhänge mit anderen Begriffen

Menschenhandel, Milieu, Organisierte Kriminalität, Zwangs-/Prostitution

Zusammenhänge in der materiellen Realität/mit der Wirklichkeit

Erscheinungsformen und Arbeitsaufteilung bordellartiger Betriebe

Bordellartige Betriebe bezeichnen Wirtschaftsunternehmen des Rotlichtmilieus wie Bordelle bzw. Puffs, Eros-Center bzw. Laufhäuser, Bars, Clubs, Cafés, Sex-Kinos, Massagesalons, Wohnungen oder Begleit- und Escortservices. Der Betreiber ist verantwortlich für Organisation und Sicherheit des bordellartigen Betriebs und delegiert Aufgaben in den Bereichen Management, Personal oder Kundenservice zum Teil an die Mitarbeiter, d.h. Wirtschafter bzw. Geschäftsführer, Sicherheitsdienst, Türsteher, Fahrer oder Portier bzw. Koberer. Die Übergänge zwischen Betreiber und Zuhälter sind teilweise fließend, wobei das Rotlichtmilieu bei Gewaltanwendung gegenüber der Sexarbeiterin von Zuhälterei spricht. Arbeitsplätze der professionellen Sexarbeiterin sind bordellartige Betriebe oder Straßen- und Autostrich. Häufig führen ehemalige Sexarbeiterinnen bordellartige Betriebe. Die Figur des Zuhälters fehlt in der männlichen Sexarbeit, die sich in die offene Stricherszene und Callboys unterteilt. Die Bezahlung erfolgt vorzugsweise durch bare Vorkasse. In den wenigsten Fällen decken die stark variierenden Preise (Nord-Süd-Gefälle) die Betriebskosten bzw. Blockschulden der Sexarbeiterin wie die tägliche Zimmermiete, Trinkgelder für die Betriebsmitarbeiter oder Beteiligung an Werbung und Arbeitsmaterial. Die ökonomische Aktivität der so genannten Schattenwirtschaft Prostitution wird nur ansatzweise erfasst und daher geschätzt. Bezüglich der Branchentrends geht man von einer wachsenden Zahl vor allem ausländischer Sexarbeiterinnen, sowie einem stagnierenden bzw. inflationsbereinigt leicht rückläufigen Preisniveau aus.


Auswirkungen der aktuellen Gesetzeslage auf bordellartige Betriebe

Das ProstG und die Modifikation der §§ 180 a und 181 a StGB beeinflussen die Sexarbeit wie folgt: Bislang sittenwidrige nichtige Zahlungsvereinbarungen zwischen Sexarbeiterin und Freier (§ 138 Sittenwidriges Rechtsgeschäft BGB) begründen ab sofort ein legales, vor Gericht einklagbares Rechtsgeschäft. Das Abtretungsgebot Artikel 1 § 2 ProstG unterbindet den Zugriff Dritter, z.B. der Zuhälter, auf den Hurenlohn. Betreiber bordellartiger Betriebe machen sich durch gute Arbeitsbedingungen, wie geregelte Arbeitszeiten oder festes Gehalt, sowie durch Beteiligung an den Einnahmen der Sexarbeiterin nicht mehr generell der Förderung der Prostitution bzw. der Zuhälterei strafbar. Dennoch lehnt die Mehrheit der Bordellbetreiber in Deutschland aus praktischen Gründen der Unternehmenssicherung und Rentabilität Arbeitsverträge ab. Begründet liegt dies in dem durch den Zuhälterparagraphen eingeschränkten Weisungsrecht der Arbeitgeber, das eine über Ort und Zeit hinausgehende Definition der Sexarbeit verbietet. Die wenigsten Sexarbeiterinnen nutzen ihre verbesserte Rechtslage oder staatliche Sozialversicherung, um ihre Anonymität zu wahren. Die Möglichkeiten der Betreiber bordellartiger Betriebe werden durch behördliche Willkür mangels bundeseinheitlicher Durchführungsrichtlinien des ProstG, sowie damit einhergehende unveränderte Gesetze eingeschränkt: Die Sperrgebietsverordnungen Artikel 297 Einführungsgesetz StGB fördern aufgrund weniger Toleranzzonen schlechte Bedingungen für die Sexarbeit wie beispielsweise überhöhte Tagesmieten für Ab-/Steigen. Das Gaststätten- und Gewerberecht untersagt bislang in Baden-Württemberg, Bayern, Bremen, Sachsen und Thüringen eine Konzession für einen bordellartigen Betrieb in Kombination mit einer Gaststätte. Obwohl explizite Werbung für Prostitution eine gesetzlich verbotene Ordnungswidrigkeit darstellt, nimmt die verdeckte Werbung im Internet immer mehr zu. Gesetzliche Einschränkungen sind außerdem Baurecht bzw. Stadtplanung, Arbeits- und Sozialrecht, Steuerrecht, Aufenthaltsgesetz und Freizügigkeitsgesetz/EU, Polizeirecht und Infektionsschutzgesetz. Angesichts dieser Gesetzeslage verschleiern Betreiber ihre bordellartigen Betriebe, wie die folgenden Beispiele verdeutlichen: Bars dienen den Sexarbeiterinnen häufig als Anbahnungsstätte für die sexuellen Dienstleistungen, die sie in den außerhalb durch die Betreiber angemieteten Steigen durchführen. Die Betreiber von Stricherkneipen verlangen Eintritt von den Strichern, die ihre Betriebe ebenfalls als Kontaktraum zu Freiern nutzen. In den Freizeitclubs (FKK-Clubs/Sexdiscounter) zahlen die Sexarbeiterinnen hohe Eintrittsgelder, die mit einer Tagesmiete im Bordell vergleichbar sind. Ebenso hoch sind die Tagesmieten in der Wohnungs- oder Modellprostitution. Massagesalons beschäftigen die Sexarbeiterinnen meist auf Provisionsbasis. Betreiber von Escortservices sind in der Regel bis zu 40 Prozent am Verdienst der Callgirls beteiligt. Auch Portiers vermitteln freischaffende Callgirls nur gegen finanzielle Beteiligung an männliche Hotelgäste.


Charakteristische Besonderheiten deutscher Großstädte in der Sexarbeit

Nach offiziellen Schätzungen erwirtschaften in Deutschland etwa 200 000 überwiegend weibliche Sexarbeiterinnen einen Jahresumsatz von rund 14,5 Milliarden Euro. 50 Prozent der Sexarbeiterinnen sind Migrantinnen, größtenteils aus Mittelosteuropa. Bis zu 20 Prozent der Migrantinnen sind Opfer von Menschenhandel. Die Dunkelziffern liegen jeweils erheblich höher. Deutsche Großstädte unterliegen charakteristischen Besonderheiten bezüglich der Sexarbeit, für die Hamburg mehr synonym steht als jede andere deutsche Stadt. In den Zuhälterkämpfen der achtziger Jahre verdrängt die osteuropäische Mafia alteingesessene Kiezgrößen aus St. Pauli wie die GMBH oder die Nutella-Bande. Ein Großteil der Sexarbeiterinnen in Hamburg, Berlin und dem Ruhrgebiet ist durch die klassische Mittelosteuroparoute osteuropäischer Herkunft. Berlin ist als einzige deutsche Stadt ohne Sperrgebiet Drehscheibe des internationalen Menschen- und Drogenhandels. Betreiber bordellartiger Betriebe bezeichnen die Renovierungsarbeiten in Hannover zur Weltausstellung Expo 2000 als Fehlinvestition. Bemerkenswert ist das Einstellungsverbot mittelosteuropäischer Frauen in Frankfurt am Main, Europas größtes Laufhaus in Köln (Pascha Multi-Media Entertainment GmbH), sowie die Grenzstadt Frankfurt an der Oder, seit der Wende einer der Hauptumschlagplätze für mittelosteuropäische Frauen. Im internationalen Vergleich beachtlich ist das Daily Planet in Melbourne, das der australische Unternehmer John Trimble 2003 als weltweit erstes Bordell an der Börse notiert.


Menschenhandel und Zwangsprostitution

Unter das Kontrolldelikt Menschenhandel fallen die §§ 232 Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung, 233 a Förderung des Menschenhandels, 180 a, 181 a StGB und 96, 97 Schleusung Aufenthaltsgesetz. Kernelemente des Straftatbestands sind Nötigung, Zwang, Täuschung, sowie Menschenrechtsverletzungen. Die organisierte Kriminalität operiert überwiegend in Mittelosteuropa. Falsche Ausweispapiere, fehlende Aufenthaltserlaubnis oder Arbeitsgenehmigung, sowie drohende Ausweisung führen die Importfrauen in die Zwangsprostitution. Auch die EU-Osterweiterung 2004 schiebt dem Menschenhandel keinen endgültigen Riegel vor. Seit dem Fall des Eisernen Vorhangs in Europa Anfang der Neunziger Jahre blühen Kinderprostitution und Kinderhandel (§§ 180, 182 StGB) an den Grenzen zu Osteuropa. Den deutschen Babystrich bedienen meist obdachlose Kinder aus schwierigen sozialen Verhältnissen, die zum Überleben oder aufgrund ihrer Drogensucht auf Prostitution, sowie die nötigste Versorgung durch Zuhälter angewiesen sind. Zuhälter der rund vier Prozent Drogen- oder Beschaffungsprostituierten sind häufig deren ebenfalls drogenabhängige Partner. „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ (Buch 1978/Film 1981) berichtet über das Schicksal von Christiane F. auf dem Berliner Baby- und Drogenstrich. Die Abstecke bzw. Ablöse für Übernahme oder Ausstieg einer Sexarbeiterin fällt als deren Blockschuld unter Menschenhandel. Zuhälter verschieben die „Pferdchen ihres Stalls“ regelmäßig.


Kriminologische Relevanz

Die kriminologische Relevanz des Zuhälters bzw. der Zuhälterei besteht maßgeblich aus zwei Aspekten: Einerseits eröffnen die bislang wenigen Zahlen über Erscheinungsformen oder kriminelle Zusammenhänge in der Vergangenheit und vor allem in der Gegenwart der Kriminologie ein relativ unerforschtes Gebiet. Andererseits macht die Vergangenheit deutlich, dass die Prostitution kriminalitätsanfälliger wird, sobald ein gesetzliches Verbot sie in gesellschaftliche Dunkelzonen drängt. Forschungsfrage ist daher, ob eine Abschaffung des Straftatbestandes Zuhälterei (§ 181 a) aus dem StGB die Entkriminalisierung und Innovation der Sexarbeit bewirkt, sowie das ökonomische Wachstum des Dienstleistungssektors fördert, ähnlich wie in den Niederlanden.


Literatur

verwendete Literatur

  • Feige, Marcel: Das Lexikon der Prostitution: Das ganze ABC der Ware Lust - die käufliche Liebe in Kultur, Gesellschaft und Politik. Schwarzkopf & Schwarzkopf, Berlin 2003
  • Quanter, Rudolf: Die Sittlichkeitsverbrechen im Laufe der Jahrhunderte und ihre strafrechtliche Beurteilung. Fourier Verlag, Wiesbaden 2003
  • Von Dücker, Elisabeth/Museum der Arbeit Hamburg (Hrsg.): Sexarbeit - Prostitution - Lebenswelten und Mythen. Edition Temmen, Bremen, 1. Auflage 2005

weiterführende Literatur

  • Amelunxen, Clemens: Der Zuhälter - Wandlungen eines Tätertyps. Kriminalistik Verlag, Hamburg 1967
  • Barth, Ariane: Im Rotlicht - Das explosive Leben des Stefan Hentschel. Ullstein, Berlin, 1. Auflage 2005
  • Bartsch, Georg: Prostitution, Kuppelei und Zuhälterei. Verlag Deutsche Polizei, Hamburg 1956
  • Beck-Texte im dtv: StGB Strafgesetzbuch. Deutscher Taschenbuch Verlag, München, 42. Auflage 2006