Typenbildung

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Als Typenbildung (oder Typisierung) wird ein Prozess der Herstellung kognitiver Ordnung und Übersichtlichkeit mittels Bildung von Gruppen von Objekten aufgrund gemeinsamer Merkmale oder Merkmalskombinationen bezeichnet. Zweck der Typenbildung ist häufig die Generierung von Hypothesen und die (Weiter-) Entwicklung von Theorien.

Alltag

Typenbildung ist allerdings für die kognitive Orientierung aller Menschen von frühester Kindheit auch im Alltag unerlässlich, da es unmöglich wäre, alles in der Welt nur als einzigartig wahrzunehmen. Insofern trägt das Typisieren zur Reduktion von (kognitiver) Komplexität und damit zur Vereinfachung des Umgangs mit der (sozialen) Realität bei. Diesem Vorteil steht der Nachteil gegenüber, dass die Typenbildung immer mit einem Informationsverlust über den Einzelfall einher geht und manchmal auch Falschinformationen an die Stelle von richtigen Informationen setzt. Dem Einzelfall in seiner Besonderheit wird die Typisierung nie ganz gerecht - und manchmal verkennt sie dessen Eigenschaften sogar. Im Extremfall ist die Typenbildung als Vorurteil eine Quelle, ein Instrument oder jedenfalls ein unerlässlicher Begleiter sozialer Ungerechtigkeit. Das ist mit ein Grund dafür, die Typenbildung in der Wissenschaft als einen transparenten, empirisch begründeten und reflektierten Prozess zu gestalten.

Wissenschaft

Typenbildung kann auf die Erstellung von Idealtypen oder von Realtypen, von Prototypen oder von Extremtypen abzielen.

  • Ein Idealtypus wird gewonnen "durch einseitige Steigerung eines oder einiger Gesichtspunkte und durch Zusammenschluss einer Fülle von diffus oder diskret, hier mehr, dort weniger, stellenweise gar nicht, vorhandenen Einzelerscheinungen, die sich jenen einseitig herausgehobenen Gesichtspunkten fügen, zu einem in sich einheitlichen Gedankenbilde" (Max Weber). Es handelt sich bei Idealtypen um künstlich purifizierte Typen, die der Grenzziehung und der Bestimmung von Kausalbeziehungen und Mischformen dienen und die vor allem im Rahmen der Erklärung komplexer sozialer Zusammenhänge eine wichtige Funktion erfüllen.
  • Realtypen werden induktiv aus der Empirie gewonnen - heute häufig mittels computergestützter Clusteranalyse. Die Kombinationen von Merkmalen sind in der Realität nachweisbar.

Es gibt unterschiedliche Verfahren der Typenbildung. Häufig ist eine vergleichende Kontrastierung sinnvoll. Man vergleicht Einzelfälle und/oder Textpassagen anhand von Themen (Bohnsack), Achsen (Gerhardt) oder Codes (Kuckartz), generiert durch diese Kontrastierung Begrifflichkeiten und beschreibt dann mit deren Hilfe die aufgedeckten Ähnlichkeiten und Unterschiede. Die so erfolgte Strukturierung des Datenmaterials erlaubt dann die Bildung einer oder mehrerer Typologie(n).

Eine empirisch begründete Typenbildung kann nach Kluge (1999) vier Stufen durchlaufen:

  1. Innerhalb eines Merkmalsraums (z.B.: eines Raumes, der dadurch bestimmt ist, dass sich in ihm alle Menschen befinden, die das Merkmal der Begehung mindestens einer Straftat aufweisen) werden die relevanten Vergleichsdimensionen erarbeitet (z.B.: Motivation; Gefährlichkeit).
  2. Gruppierung der Fälle und um Analyse empirischer Regelmäßigkeiten.
  3. Analyse inhaltlicher Sinnzusammenhänge und Typenbildung.
  4. Charakterisierung der gebildeten Typen.


Abgrenzung zur Klassifizierung

Anders als bei der Klassifizierung, deren Ziel immer in der eindeutigen und ausschließlichen Zuordnung aller Elemente zu jeweils einer Klasse von Elementen besteht (siehe Klassifikation), stehen die Untersuchungselemente einem Typus oder mehreren Typen regelmäßig nur in mehr oder wneiger starkem Maße nahe. Deshalb kann durchaus der Fall vorkommen, dass eine Elemnte mehreren Typen zugerechnet werden kann. Das hat Vor- und Nachteile. Zu den Vorteilen der Typenbildung gehört, dass komplexe Realitäten mit weniger Informationsverlust oder Informationsverzerrung dargestellt werden können. Mittels Durchschnittstypen oder Idealtypen kann der Kern eines Phänomens erfasst und die Realität als Beschreibung der Unterschiede einer jeweiligen Ausprägung zu diesem Kern beschrieben werden (vgl. Kluge 1999: 31 ff.).

Literatur

  • Kluge, Susann (1999) Empirisch begründete Typenbildung. Zur Konstruktion von Typen und Typologien in der qualitativen Sozialforschung. Opladen: Leske & Budrich.
  • Kuckartz, Ulf (2001) Methodische Anmerkungen zum Revival der Typenbildung. In: de Haan, G., Lantermann, E.-D., Linneweber, V., & Reusswig, F., Hg. (2001) Typenbildung in der sozialwissenschaftlichen Umweltforschung. Opladen: Leske & Budrich, 17-38.

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