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kein "Community Policing"
 
(kein "Community Policing")
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== '''Community Policing''' ==


== '''Definition:''' ==
Das Konzept des Community Policing kann als gemeinsame Anstrengung der Polizei und der Gemeinde auf lokaler Ebene charakterisiert werden, Probleme der Kriminalität und Unordnung zu identifizieren, wobei alle Akteure versuchen, Lösungen der Probleme zu finden.
Basis ist die von gegenseitigem Nutzen geprägte Beziehung zwischen der Polizei und den Mitgliedern der Gemeinde, die dazu beitragen kann, die gegenwärtigen Probleme in der Gemeinde zu lösen, die mit Kriminalität, Kriminalitätsfurcht, sozialer oder physischen Unordnung und dem Verfall der Nachbarschaften zusammenhängen.
== '''Geschichte:''' ==
Das Konzept des Community Policing ist in Deutschland relativ neu und wurde erst in den letzen Jahren umgesetzt. In den angelsächsischen Ländern hingegen besteht bereits eine längere Tradition von lokaler, gemeinwesenorientierter Polizeiarbeit.
Schon in den 1960er Jahren wurden, vor dem Hintergrund des Verfalls in den amerikanischen Großstädten, Konzepte erörtert, die zur kommunalen Kriminalitätsprävention beitragen sollten.
Drei Studien aus den USA können als Hintergrundstheorien angesehen werden:
- Herman Goldstein kam 1979 in einem Aufsatz zu dem Schluss, dass sich die Polizei wieder vermehrt auf ihre eigentlichen Ziele konzentrieren und sich vermehrt an den Bedürfnissen der Menschen orientieren sollte, im Sinne einer problemorientierten Arbeit. (Vgl. Herman Goldstein, Improving Policing: A Problem-Oriented Approach, in: Crime & Delinquency, 25 (1979) 2, S. 236 - 258.)
- 1982 befassten sich James Wilson und George Kelling mit der Frage nach den Auswirkungen der Unsicherheit der Bürger. Sie fanden heraus, dass neben der tatsächlichen Kriminalität auch das Unsicherheitsgefühl einen großen Einfluss auf das Sicherheitsempfinden eines Menschen hat. Die Folge ist, dass die Bürger unsichere Gebiete meiden und zusätzliche Kriminelle angezogen werden. (Vgl. James Q. Wilson/George L. Kelling, Broken Windows. The police and neighborhood safety, in: The Atlantic Monthly, 249 (1982) 3, S. 29 - 38.)
- Die Chicagoer Schule sah die Ursachen für die sich auf einige Gebiete konzentrierende Kriminalität in der sozialen Desintegration der betreffenden Stadtteile.                                                
Aus diesen Annahmen heraus entwickelten sich mehrere Präventionsansätze, wie beispielsweise, das Community Policing, der „Defensible-Space-Ansatz“ von Newman oder der Social-Problem-Approach.
Trotz verschiedener Einflüsse aus gesellschaftlichen Theorien und der Soziologie kann die Community Policing Strategie als eine eigenständige Polizeistrategie angesehen werden, in deren Mittelpunkt die Frage nach der Polizeikultur, polizeilichen Arbeitsweisen und die Beziehung zur Bevölkerung steht.
Inhaltlich nimmt das Community Policing Abstand von der herkömmlichen repressiv orientierten Polizeiarbeit (Gefahrenabwehr und Strafverfolgung) und wendet sich bürgernahen und präventiven Ansätzen zu, es ist weiterhin ein wichtiger Bestandteil des Zero-Tolerance-Policings.
In den USA hat Community Policing als Konzept zur Vorbeugung von Kriminalität und Kriminalitätsfurcht in den letzten zwei Jahrzehnten einen enormen Bedeutungszuwachs erfahren. 1994 wurde ein Gesetz erlassen (Community Policing Act), welches hohe finanzielle Mittel für die Förderung von Community Policing auf lokaler Ebene zur Verfügung stellt.
Community Policing ist die heute in den USA dominierende Polizeistrategie, die auch über Parteigrenzen hinweg forciert wird, da sie als effizient und praxistauglich gilt.
== '''Anforderungen an die Polizei:''' ==
Grundvoraussetzung für die Umsetzung und Einführung des Community Policing ist eine Veränderung im Rollenverständnis der Polizei, denn sie ist nun auf die Mitteilungen der Bürger und deren Anliegen angewiesen. Dadurch erweitert sich der Aufgabenspielraum der Polizei erheblich. Um dies umsetzen zu können, darf die Behörde nicht anonym sein, sondern Beamte und Bürger müssen sich kennen und zusammenarbeiten. Der Beamte vor Ort sollte jede Möglichkeit nutzen, um außerdienstliche Kontakte aufzubauen, um in der Zusammenarbeit mit öffentlichen und privaten Institutionen sowie mit Einwohnern einen partnerschaftlichen Austausch stattfinden zu lassen.
Weiterhin muss die Kriminalitätsverhütung im Mittelpunkt der Arbeit stehen, dies erfordert ein Überdenken der konventionellen Strategien.
Nötig ist auch die Dezentralisierung der Polizeibehörde und die Abkehr von einem hohen Spezialisierungsgrad des Beamten vor Ort. Beispielweise kann dies durch die Einrichtung von kleinen Stadtteilbüros oder durch Ansprechpartner geschehen. Gleichzeitig muss sichergestellt werden, dass es sich nicht nur um Einzelmaßnahmen handelt.
== '''Ziele des Community Policing:''' ==
Das wichtigste Ziel des Community Policing ist die Kriminalitätsprävention. Nicht nur das Begehen von Straftaten soll verhindert und verfolgt werden, vielmehr sollen soziale Zustände verhindert werden, aus denen Gefahren für die kommunale Sicherheit erwachsen können, wie sie zum Beispiel in sozialen Brennpunkten auftreten.
Hier liegt der zentrale Ansatzpunkt für die Arbeit im Rahmen des Community Policing, welcher idealer weise gelöst wird, bevor Kriminalität entsteht.
Weiterhin soll eine Zusammenarbeit von Polizei und Bürgern entstehen, die von gegenseitigem Nutzen geprägt ist, denn diese ist nötig für das Erkennen und Bearbeiten von Problemen. Nicht mehr alleine die Polizei ist der handelnde Akteur bei der Lösung sicherheitsrelevanter Probleme, sondern es werden viele Akteure eingebunden (Stadtverwaltung, Wirtschaftsvereine, Interessengruppen), welche Informationen liefern und bei der Behebung der Probleme mitwirken.
Drittes Ziel ist die Verbesserung der Lebensqualität, indem die Kriminalitätsfurcht gesenkt wird. Dies soll unter anderem, mit verstärkter Präsenz der Polizei in problematischen Stadtteilen erreicht werden.
Zusammenfassend kann man drei feste Ziele ausmachen:
1. Reduktion von Kriminalität und Unsicherheitsgefühl
2. Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen Bürger und Polizei
3. Erhöhung der Lebensqualität.
== '''Die Umsetzung in Deutschland:''' ==
Community Policing basiert auf der Annahme, dass Polizei und Bürger eines Gemeinwesens als gleichberechtigte Partner zusammenarbeiten, um Probleme zu erkennen, Prioritäten in der Arbeit festzulegen und Lösungen zu entwickeln mit dem Ziel, die Lebensqualität in der Gemeinde zu erhöhen.
Durch die Polizei in der Rolle des Initiators soll bei den Bürgern Engagement für das Gemeinwesen erwachsen, mit dem Ziel der Verantwortungsübernahme durch den Bürger und einer verbesserten Kriminalitätsbekämpfung in der entsprechenden Gemeinde.
In Zusammenarbeit von Polizei und Bürgern sollen gemeinsam Konzepte und Lösungen für aktuelle Probleme entwickelt werden, deren Hauptschwerpunkte auf Kriminalität, Drogenmissbrauch, Kriminalitätsangst, Verwahrlosungserscheinungen und Ordnungsstörungen liegen.
In der Praxis erfolgt die Kontaktaufnahme und Zusammenarbeit mit der Bevölkerung durch die Erhöhung und Präsenz der Polizei durch vermehrte Fuß- und Fahrradstreifen, kleinere Polizeireviere in der Nachbarschaft und die dauerhafte Zuordnung eines Polizisten zu einem bestimmten Bezirk.
In den neu gegründeten Polizeiläden in den Innenstädten haben Bürger die Möglichkeit, in einer lockeren Atmosphäre mit einem Polizeibeamten zu reden, sich zu informieren, Sorgen zum Ausdruck zu bringen oder sich ganz einfach fachmännisch beraten zu lassen.
Die Bedürfnisse der Gemeinde, an denen sich die Polizeiarbeit orientieren soll, werden auf verschiedenen Wegen ermittelt: Durch die Präsenz vor Ort und die damit angestrebten unmittelbaren Kontakte zur Bevölkerung, durch regelmäßige Treffen zwischen Polizeiführung und Stadtverwaltung, durch Bürgerversammlungen und/oder durch Umfragen, die sich mit der Kriminalitätslage und dem Sicherheitsbedürfnis befassen.
Die Bürger werden weiterhin direkt an der Polizeiarbeit beteiligt, was von dem Einsatz freiwilliger Hilfspolizisten, über „Neighborhood-watching“, bis zum Einrichten von Hotlines zur Gewinnung von Informanten reichen kann.
== '''Kritik:''' ==
Community Policing setzt eine lokal agierende, dezentralisierte, bürgernahe und kommunikative Polizeibehörde voraus. Im Hinblick auf heutige Bedrohungsszenarien, wie bspw. Organisierte Kriminalität oder international operierende Drogensyndikate ist offensichtlich, dass Community Policing kein hilfreiches Modell darstellt.
Community Policing wirkt oftmals wie eine „Schön-Wetter-Strategie“ der Polizei um als Freund und Helfer wahrgenommen zu werden und ein positiveres Bild in der Öffentlichkeit zu schaffen.
Ein weiteres Problem ist, dass sich die Strategien des Community Policing nicht in allen Gegenden umsetzen lassen; Fußstreifen beispielsweise sind in ländlichen Gebieten oder weitausgedehnten Vorstadtsiedlungen nicht einsetzbar. Auch Neighborhood-Watching ist in einigen Gegenden für die Bürger aufgrund der hohen  Kriminalität zu gefährlich.
Ebenso ist problematisch, dass die Idee, die auf den ersten Blick sehr bürgerfreundlich wirkt, für andere Bürger auch eine verschärfte Kontrolle und konsequente polizeiliche Repression zur Folge haben kann. Die Eingriffe werden nicht mehr durch Gefahren oder Delikte bestimmt, sondern von der herrschenden Moral und den Ordnungs- und Sicherheitsvorstellungen der Gemeinde.
Im Endeffekt würde dies bedeuten, dass hauptsächlich als „high risk population“ definierte Bevölkerungsgruppen überwacht werden, was sozialen Ausschluss und Stigmatisierung zur Folge haben kann.
== '''Literatur:''' ==
Jahn, Thomas (2003): Bürger und gemeinwesenorientierte Polizeiarbeit: die Community-Policing-Strategie: Grundlagen, Erfolge und Möglichkeiten der Umsetzung unter den Bedingungen des deutschen Rechts. Hamburg: Kovac
Skogan, Wesley G. (2004): Community Policing: Can it work? Belmont, CA: Wadsworth/Thomson Learning
Hess, Henner (2004): Broken Windows: Zur Diskussion um die Strategie des New Yorker Police Department. ZStW 116
== '''Weblinks:''' ==
http://www.bka.de/vorbeugung/pub/communitypolicingindenusa.pdf Bundeskriminalamt
http://www.cilip.de/ausgabe/64/alternat.htm Bürgerrechte & Polizei
http://www.bpb.de/themen/MLPY8E,2,0,Staatlichkeit_im_Wandel_am_Beispiel_der_Kriminalpr%E4vention.html Bundeszentrale für politische Bildung
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