Lucia Zedner

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Lucia Zedner im Oktober 2017

Lucia Zedner (* 20. Februar 1961) ist britische Rechtswissenschaftlerin, Professorin für Criminal Justice at the University of Oxford und senior fellow of All Souls College, Oxford. In ihrem Beitrag "Seeking Security by Eroding Rights" (2007) analysiert Lucia Zedner das Phänomen der Wegnahme von rechtlichen Garantien im Austausch gegen Sicherheitsversprechen.

Umgehung individueller Verfahrensgarantien im Rahmen der Suche nach Sicherheit für die Allgemeinheit

Nach Zedner (2007) sollten schon deshalb möglichst wenige individuelle Freiheiten und andere Güter der allgemeinen Sicherheit (also dem Schutz einer unklar definierten Allgemeinheit gegen eine unklar definierte Menge von Feinden) geopfert werden, weil das Gut "Sicherheit" selbst weniger ein eigenständiges Rechtsgut darstellt als vielmehr eine bloße Voraussetzung für die individuellen Freiheiten und anderen Güter. Im Rahmen der Terrorismusbekämpfung werden allerdings zahlreiche Sicherheitsmaßnahmen eingeführt, die gerade zu Lasten solcher anderer Güter gehen.

Von der Bestrafung zur Früherkennung

Von "post-crime" zu "pre-crime". Seit die Prävention als wichtigste Funktion des Strafrechts gilt, geht es nicht mehr so sehr um die Wiederherstellung der verletzten Ordnung durch Strafe, sondern um Risikomanagement. Förderlich sind dieser Entwicklung eine Reihe von Strategien, bei denen es nicht mehr um moralische Fragestellungen geht, sondern um die Frage, wie man Kriminalität berechnet, abschätzt und verwaltet, und die insgesamt charakteristisch sind für den "preventive turn" in der Kriminalpolitik. In Großbritannien gehören dazu die sog. derogating control orders - also etwa Hausarrest im Rahmen des Prevention of Terrorism Act aus dem Jahre 2005 (eine kaum thematisierte Verletzung von Artikel 5 der Europäischen Menschenrechtskonvention) - ebenso wie Beschäftigungsverbote, Reisebeschränkungen oder auch die sog. Anti-Social-Behavior-Orders (ASBO). Darüber hinaus spielen drei "Prinzipien" in diesem Kontext eine Rolle:

  • Actuarial Justice (Risikoprognose): "New Penology"
  • Precautionary Principle (Vorsorgeprinzip)
  • Decline of social prevention (Verminderung sozialer Vorbeugung): Primäre Prävention, die sich an alle richtet, wird zugunsten der sekundären Prävention vernachlässigt, die sich an bekannte oder beschuldigte Täter, bzw. an Tatgelegenheiten und Tatsituationen richtet.

Probleme

  • Die (wie auch immer geartete) Nachfrage nach öffentlicher Sicherheit führt häufig zur Aufgabe von Rechten und Sicherheiten von Individuen (mit bestimmten Merkmalen)
  • Der bei Strafverfahren gegebene Schutz der Menschenrechte ist bei präventiven Maßnahmen nicht gegeben.
  • Die größten Gefahren werden als Argumente für die Durchsetzung von erheblichen Rechtsbeschränkungen herangezogen, die allerdings meist nur kleinere Risiken vermindern sollen.
  • Verfahrensrechts sind an repressive Maßnahmen nach erfolgter Rechtsverletzung gebunden. Für präventive Maßnahmen, die überall ohne große Einschränkungen angewandt werden, sind solche Verfahrensregeln noch nicht existent.
  • Wenn die nicht-strafrechtlichen Reaktionen "per se" punitiver Art sind, dann müßten sie auch verfassungsmaßig und rechtsstaatlich neu überdacht und bewertet werden. Es kann nicht sein, dass verfassungsmäßige Rechte nur durch einen Etikettenwechsel umgangen werden können.
  • Ein Erosion wird immer dann leichtfallen, wenn eine starke Bevölkerungsmehrheit durch Maßnahmen geschützt wird, die nur eine wenig beliebte Bevölkerungsminderheit in ihren Rechten einschränkt.
  • Der Schutz für die Betroffenen sollte das Maß des im Strafprozess vorhandenen Schutzes nicht unterschreiten.

Literatur

  • Zedner, Lucia (2007) Seeking Security by Eroding Rights: The Side-stepping of Due Process. In: Benjamin J. Goold and Liora Lazarus, eds., Security and Human Rights. Oxford and Portland: Hart, 257-275.

Siehe auch