Karl-Heinz Kurras

Aus Krimpedia – das Kriminologie-Wiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Kurras.JPG

Karl-Heinz Kurras (* 1. Dezember 1927 in Barten, Ostpreußen; † 16. Dezember 2014 in Berlin) ist ein ehemaliger Westberliner Polizeibeamte und wie im Jahre 2009 bekannt wurde auch zeitweilig inoffizieller Mitarbeiter (IM) des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) der DDR. Er tötete am 02. Juni 1967 während eines Polizeieinsatzes auf der Anti-Schah- Demonstration den damals 26- jährigen Studenten Benno Ohnesorg durch einen Schuss in den Hinterkopf.

Dieses Ereignis wird als historischer Höhepunkt der Studentenrevolte angesehen, führt zu einer Radikalisierung Einzelner und der Gründung der Bewegung 02. Juni, die zum Teilen nach ihrer Auflösung in die Roten Armee Fraktion (RAF) überging.


Leben bis 1950

Kurras ist in Ostpreußen als Sohn eines Polizeibeamten und deutschen Wehrmachtssoldaten aufgewachsen. Im Jahr 1944 meldet er sich freiwillig zum Kriegsdienst und erhielt daraufhin das Notabitur. Ende 1946 wurde Kurras von der sowjetischen Geheimpolizei MWD auf Grund illegalen Waffenbesitzes zu zehn Jahren Straflager verurteilt, jedoch mit Auflösung des Lagers im Jahr 1950 freigelassen. Seit März 1950 war er für Berliner Polizei im Staatsdienst für Westdeutschland tätig und hatte dort verschiedene Positionen inne.

Kurras wird eine offensichtliche Waffenaffinität nachgesagt und er war begeisterter Sportschütze. Seit 1964 war Kurras sowohl Mitglied der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) als auch der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD).


1955-1967 Tätigkeit für das Ministerium für Staatssicherheit (MfS)

MfS-Mitarbeiter im West-Berliner Staatsschutz

Todesschuss Benno Ohnesorg 02. Juni 1967

Ohnesorg tod.jpg

Tathergang

Vorbereitung der Polizei und Ablauf des 02. Juni 1967



Strafprozesse in den Folgejahren

Insgesamt ist der Prozess um Anklage wegen fahrlässiger Tötung von sich divergierenden Aussagen zum Tathergang und einer systematischen Verschleierung durch die deutschen Behörden geprägt. Zunächst gab Kurras an bedroht worden zu sein und auch mindestens einen Warnschuss abgegeben zu haben bevor er selbst schoss, änderte seine Aussagen hierzu aber mehrfach. Weder seine Kollegen (zum Hauptverfahren, als Zeugen nicht zugelassen) noch einer der 83 anderen Zeugen haben mehr als einen Schuss gehört. Die Zeugenaussage eines neunjährigen Jungen, der den Hergang aus seinem Wohnungsfenster beobachten konnte, sowie die belastende Tonbandaufnahme eines Journalisten wurden nicht als Beweismaterial zugelassen. Eine Spurensicherung des Tatortes hat nicht umfassend stattgefunden; es wurde weder die Pistole noch der Tatort auf Spuren untersucht. Gerichtspathologische Beweismittel die Kurras belastet hätten verschwanden spurlos.

  • Am 21. November 1967 wurde Kurras vor dem Landgericht Moabit frei gesprochen.
  • Im Oktober 1968 wurde der Fall Kurras vor dem Bundegerichtshof erneut verhandelt, der die Anklage wegen unzureichender Beweislast jedoch ablehnte.
  • Im Jahr 1969 wurde das Verfahren gegen Kurras vor dem Landgericht Berlin erneut aufgenommen, es kam nicht zur Verhandlung, da sich Horst Mahler (Anwalt der Nebenklage) sich weigerte in seiner Anwaltsrobe zu erscheinen.
  • Indem geführten Verfahren im Jahr 1970 gegen Kurras wurden neue Beweise zugelassen, Kurras trotz bestehender Zweifel am 22. Dezember 1970 dennoch frei gesprochen.


Strafprozesse seit 2009

Maßnahmen seit Mai 2009


Leben ab 1971

Im Jahr 1971 nahm Kurras den Dienst bei der Polizei in Westberlin wieder auf und wurde in seiner Verwendung im Innendienst eingesetzt. In den Folgejahren wurde ihm illegaler Waffenbesitz und sexuelle Kindesbelästigung vorgeworfen. Im Jahr 1977 kam es zu gewaltsamen Übergriffen durch Kurras auf einen Fotographen, infolge dessen Kurras eine Belastungszeugen bestochen hat, die jedoch während des Gerichtsprozesses ihre erste Aussage widerrief. Kurras wurde des Meineids überführt aber ging dennoch straffrei aus.

Während seines staatlichen Dienstes wurde er bis zum Kriminaloberkommissar befördert. Seit 1987 bezieht Kurras eine Pension für Ruhestandsbeamte. Kurras lebt bis heute in Berlin- Spandau.



Kriminologische Relevanz

Im Rahmen des aktuellen wissenschaftlichen Diskurses, um den Korpsgeist und Code of Silence innerhalb der Polizei und Strafjustiz, können die damaligen Ereignisse der strafrechtlichen Ermittlung gegen Kurras (divergierende Aussagen , die systematische Verschleierung, das Verschwinden von gerichtspathologischen Beweismitteln, das Nicht-Zulassen von belastenden Beweismitteln im Verfahren) unter diesem verortet werden.

Dass weiterhin in der damaligen Zeit selektiv soziale Kontrolle ausgeübt wurde, wird daran deutlich, dass die Verhandlung gegen Karl-Heinz Kurras im Fall Ohnesorg im November 1967 immer noch nicht begonnen hatten, während vergleichsweise Fritz Teufel monatelang in Untersuchungshaft gehalten wurden. Dieser soll beim Scharbesuch angeblich einen Stein auf einen Polizisten geworfen haben. Gleichermaßen im Fall Beate Klarsfeld, die den damaligen Kanzler Kiesinger als „Nazi“ beschimpfte und ohrfeigte. Sie wurde per Schnellantrag am gleichen Abend zu einem Jahr Haftstrafe ohne Bewährung verurteilt.

Betrachtet man die Geschehnisse retrospektiv unter der Hinzunahme neuer Erkenntnisse, die aufweisen, dass der Polizist Karl-Heinz Kurras als Spitzel der Staatssicherheit der damaligen Deutschen Demokratischen Republik (DDR) tätig war und sich dafür bezahlen lies, um mutmaßlich einen Unschuldigen zu töten, ist zu Recht fraglich, wie sich die Revolte entwickelt hätte, wenn diese schon zu damaligen Zeiten Gegenstand des öffentlichen Diskurs gewesen wäre. Ob diese Aktion durch die der damaligen DDR geplant war, lässt sich heute nur vermuten, da aufklärende Stasi-Akten nicht vorliegen. Abhängig von der Perspektive der Betrachtung können damalige Ereignisse unter theoretischen Gesichtspunkten der Makrokriminalität, staatsverstärkten Kriminalität und der politischen Kriminalität diskutiert werden.

weblinks