Jan-Carl Raspe

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Der Diplom-Soziologe und Buchautor ("Zur Sozialisation proletarischer Kinder") Jan-Carl Raspe (*24. Juli 1944 in Seefeld, Tirol; † 18. Oktober 1977 in Stuttgart) war rund sieben Jahre lang ein führendes Mitglied der ersten Generation der Roten Armee Fraktion (RAF) - davon etwa zwei in Freiheit und mehr als fünf in Haft (1972-1977). Der technisch und handwerklich begabte, sensible und bescheiden-zurückhaltende Raspe baute Bomben für verschiedene Anschläge und technische Vorrichtungen für die Gefangenen im 7. Stock der JVA Stuttgart-Stammheim.

Der am 1. Juni 1972 verhaftete und am 28. April 1977 zu lebenslanger Haft verurteilte Raspe wurde nach dem Scheitern eines Freipressungs-Versuchs (durch die Entführung einer Lufthansa-Maschine) am Morgen des 18. Oktober 1977 schwer verletzt in seiner Zelle aufgefunden und starb zwei Stunden später in einem Krankenhaus. Noch Jahre später wurde in der Öffentlichkeit diskutiert, ob es sich während der sog. Todesnacht von Stammheim, in der auch Andreas Baader und Gudrun Ensslin umkamen, um (evtl. staatlich überwachte und geduldete) Suizide oder Tötungsdelikte gehandelt hatte.

Jugend

Jan-Carl Raspes war ein verschlossenes und leicht ablenkbares Kind. Er selbst sagte später von sich, dass er eine Neigung zum Träumen und Phantasieren gehabt habe. Mädchen gegenüber verhielt er sich gehemmt und unsicher. Sein Vater Carl, ein Gartenbauunternehmer, starb im Jahr der Geburt seines Sohnes an einer Erkrankung der Herzkranzgefäße. Jan-Carl wuchs daher mit seinen beiden (drei und acht Jahre älteren) Schwestern bei seiner Mutter Charlotte und zwei Tanten auf. Bis 1946 lebte er mit seiner Familie in Kramsach (Tirol), wo sich ein Zweigbetrieb des Unternehmens seines Vaters befand. Seine weitere Kindheit verbrachte er in Ost-Berlin im Ortsteil Weißensee. Bis 1958 besuchte Raspe die Grundschule (Abschluss: "gut"). Da ihm nach eigenen Angaben der Oberschulbesuch im Osten wegen "mangelnder gesellschaftlicher Betätigung" verwehrt wurde (er war nicht bei den Jungen Pionieren oder der FDJ), fuhr er später täglich in den Westberliner Bezirk Reinickendorf und besuchte dort ein neuersprachliches Gymnasium. Am 13. August 1961, dem Tag des Mauerbaus, war Jan-Carl bei seinem Onkel Hans und seiner Tante Sophie in West-Berlin und schrieb seiner Mutter in einem Brief: „Ich will auf jeden Fall hierbleiben. Ich sehe in Ostberlin keine Zukunft.“ In seiner Freizeit schwamm er gern und lief Ski, zudem war er ein Tierfreund.

Nach dem Abitur (1963) begann er im Wintersemester 1963/64 an der FU Berlin Chemie zu studieren. Nach zwei Semestern wechselte er zur Soziologie. Grundkenntnisse der Chemie hatte er bis dahin bereits erworben, welche ihm später beim Bombenbasteln zugute kamen. Er demonstrierte gegen Atombomben. Auch am 2. Juni 1967 war er bei der Demonstration gegen den Schah Besuch, bei welcher Benno Ohnesorg erschossen wurde. Der Tod Benno Ohnesorgs erschütterte und veränderte Raspe und war der Anstoß für seinen Eintritt in den SDS und sein Engagement gegen die Notstandsgesetze. Auch die Gründung der Kommune II fiel in diese Zeit. Er lebte im Zuge der Kommune II mit drei Frauen, drei Männern und zwei Kindern in einer Siebeneinhalbzimmerwohnung in Charlottenburg/Berlin. Raspe sagte: "Ich konnte besser arbeiten als früher" und "wurde unabhängiger und lernte, meine Interessen deutlicher zu vertreten." Er erlang das Bewusstsein, seine eigene Isolation durchbrochen zu haben. Das Studium vernachlässigte er und äußerte diesbezüglich:"Ich habe solch einen Nachholbedarf an subjektiven Erfahrungen". Er kümmerte sich besonders um die Kinder, war freundlich und sprach mit den anderen Mitgliedern über seine Schwierigkeiten mit jeglicher Form von Autorität. 1969 zieht Raspe aus der Kommune II aus und lebt fortan mit seiner Freundin Marianne Herzog zusammen. Die Diplomprüfung seines Soziologiestudiums bestand er mit der Note "gut". Seine Diplomarbeit (Note "sehr gut") schrieb er "Zur Analyse einiger wichtiger Aspekte der Sozialisationsbedingungen proletarischer Kinder", welche auch als Buch verlegt wurde. Diese Arbeit war ihm im Nachhinein peinlich und er sah diese als Fehler an.

Anschläge mit der RAF

Der Kontakt zur RAF ergab sich durch persönliche Bekanntschaften: seine Freundin Marianne Herzog war zugleich eine gute Bekannte von Ulrike Meinhof und die Wohnung, in der Raspe und Herzog wohnten, wurde ein früher Zufluchtsort (1970) der "Baader-Meinhof-Gruppe", so dass Raspe immer wieder mit den Gründungsmitgliedern der Gruppe in Kontakt kam. Bald schloss er sich der Gruppe an und wurde nicht zuletzt aufgrund seiner technisch-handwerklichen Fähigkeiten bald eines ihrer führenden Mitglieder. Er genoss uneingeschränktes Vertrauen von Andreas Baader, der in der Rangordnung, zusammen mit Gudrun Ensslin, die Spitze war. Sein Führungsanspruch wurde von Raspe nie in Frage gestellt. Er tat was Baader von ihm verlangte. Den anderen Mitgliedern gegenüber konnte Raspe auch Anweisungen geben (z.B. Margrit Schiller).

Zu Beginn von Raspes Zeit bei der RAF empfing er mehrere Personen, welche am sog. "Dreierschlag" beteiligt waren in seiner Wohnung (6. Oktober 1970). Es folgte am 28. November 1970 die Fahrt nach Westdeutschland (Polle) zur Unterstützung des Meinhof-Vorauskommandos. Zu diesem Zeitpunkt verwandte Jan-Carl bereits den Decknamen "Fred". Er erhielt von Ulrike Meinhof eine Waffe. Vier Tage später spähte er, zusammen mit Meinhof und Karl-Heinz Ruhland, Banken und Autos aus. Er war an mindestens einem Banküberfall in Berlin und einem Einbruch zwecks Dokumentendiebstahls in Stuttgart dabei.

An der Anschlagsserie im Mai 1972 (auf Einrichtungen der US-Armee in Frankfurt und Heidelberg, auf die Augsburger Polizeidirektion sowie das Münchener Landeskriminalamt, auf das Auto des Bundesrichters Buddenberg und das Springer-Hochhaus in Hamburg) war Raspe, bei der gesamten Planung sowie dem Bombenbau, beteiligt. Er übernahm die Optimierung der Sprengsätze, da er das beste Fachwissen besaß. Auch bei der Platzierung der Bomben war Raspe, so die Ermittlungen der Bundesanwaltschaft, u.a. bei dem Anschlag auf die Polizeidirektion in Augsburg dabei. Nach Angaben von Gerhard Müller gab sich Raspe gleichmütig, als nach dem Anschlag auf Einrichtungen der US-Armee in Frankfurt in den Nachrichten der Tod eines US-Oberstleutnants gemeldet wurde.

Am 01.06.1972 wurde Raspe zusammen mit Andreas Baader und Holger Meins in Frankfurt verhaftet. Während die beiden anderen in dem Moment in einer Garage waren (wo die Gruppe Sprengstoff gelagert hatte), befand sich der als Fahrer fungierende Raspe im Wagen, so dass er noch einen kurzen Fluchtversuch unternehmen konnte, der jedoch - nachdem er ohne zu treffen drei Schüsse auf einen Polizeibeamten abgegeben hatte - scheiterte.


Gefangen mit der RAF

Anfänglich war Jan-Carl in Köln-Ossendorf inhaftiert. Er litt dort unter extrem isolierenden Haftbedigungen. Auch Ulrike Meinhof und Astrid Proll waren zu der Zeit in der JVA in Köln, jedoch in getrennten Flügeln der Anstalt. - Raspe beteiligte sich an den kollektiven Hungerstreiks der RAF, mit denen die Gruppe öffentlichkeitswirksam (und neue Mitglieder rekrutierend) ab Januar 1973 gegen die Haftbedingungen demonstrierte. Anders als Baader, Meinhof und Ensslin, die während der Hungerstreiks heimlich Nahrung zu sich nahmen, da die führenden Mitglieder aus taktischen Gründen überleben sollten, verweigerte Raspe als einziges Mitglied der Führungsriege konsequent die Nahrungsaufnahme.

Für zwölf Millionen DM wurde für den Prozess neben der Haftanstalt Stuttgart-Stammheim ein gesondertes Gerichtsgebäude erbaut. Die Durchsuchung der Prozessbeteiligten, die Bewachung des Gebäudes durch Polizisten auf Pferden, zusätzlich ausgestattet mit Maschinenpistolen und Hunden, sowie die Absperrung des Luftraumes sollten vor möglichen Angriffen schützen. Es gab vor und während der Verhandlung Änderungen des Strafprozessrechts.

1974 wurden zunächst Gudrun Ensslin und Ulrike Meinhof in die JVA Stuttgart-Stammheim verlegt, ein halbes Jahr später Jan-Carl Raspe und Andreas Baader. In Stammheim befanden sich ihre Zellen in einem eigenen Stockwerk. Zunächst war jeder für sich in einer Einzelzelle. Im Laufe des Gerichtsprozesses kam es zu Lockerungen. Baader belegte zeitweilig alleine eine Zelle für fünf Personen. Raspe bestand auf eine Einmannzelle. Er galt als prinzipientreu und verfolgte weiterhin einen asketischen Lebensstil. Einmalig im deutschen Strafvollzug ist die Tatsache, dass Frauen und Männer gemeinsam in einer JVA untergebracht wurden. Der öffentliche Druck und die dadurch entstandenen Befürchtungen der Justiz als Unrechtsstaat hingestellt zu werden, trugen vermutlich zu den Lockerungen bei. Anfangs wurde den Inhaftierten anderthalb Stunden Umschluss genehmigt, später konnten sie täglich acht Stunden gemeinsam verbringen. Nach Aussagen von dem verantwortlichen Justizvollzugsbeamten Horst Bubeck besaßen die Gefangenen einen Sonderstatus in der JVA. Ihnen waren längere Hofgänge, Besuchs- und Duschzeiten erlaubt, besaßen eine Fitnesszelle, ebenso durften sie unbegrenzt viele Bücher und Zeitschriften besitzen und sie verfügten zu jeder Zeit, im Gegensatz zu den anderen Inhaftierten, über Licht. Trotz vieler Privilegien wurden viele Sicherheitsmaßnahmen durchgeführt (u.a. soll es akribisch genaue Durchsuchungen der Zellen gegeben haben). In Raspes Zelle wurden gezeichnete Bombenpläne und Skizzen für weitere Anschläge abgefangen, welche vermutlich Anweisungen für nicht inhaftierte RAF-Mitglieder sein sollten. Die Wahrnehmung der Öffentlichkeit geht bis heute in zwei Richtungen. Für manche Personen steht Stammheim für strenge Isolationshaft, andere hingegen sehen darin einen Strafvollzug mit erstaunlichen Freiheiten.

Der Strafvollzugsbeamte Horst Bubeck berichtete, dass die Inhaftierten der RAF regelmäßig beleidigende Äußerungen von sich gaben, Raspe schloss sich dem nicht an. Die Vollzugsbediensteten nahmen ihn als „Baaders Hausburschen“ wahr. Er war Frühaufsteher und bereitete jeden Morgen aus den Tageszeitungen für Baader einen Pressespiegel vor. Baader erniedrigte Raspe und erteilte Befehle.

Offenbar hatte sich Raspe in Stammheim auch als "Hobbyingenieur" betätigt. So wurde bei ihm laut Daniel Cornel (o.J.) "ein aus Plätzchendose, Teelicht und Glühfaden gebastelter kleiner Pizzaofen konfisziert". Er bastelte Tauchsieder und Kochplatten. Aus Nescafé-Gläsern und Zwangsernährungsschläuchen versuchte Raspe eine Schnapsdestille herzustellen. Sein Widerstand gegen die Inhaftierungsvorschriften zeigte sich dadurch. Horst Bubeck nahm Jan-Carls illegal gebastelte Werke mit in die Strafvollzugsschule, um die Erfindungskraft von Menschen in Haft, zu demonstieren.


Die zentralen Geschehnisse für Raspe im Stammheimprozess:

  • 21. Mai 1975: Beginn des Strafverfahrens gegen Andreas Baader, Jan-Carl Raspe, Gudrun Ensslin und Ulrike Meinhof. Ursprünglich auch angeklagt war Holger Meins. Er war bereits durch den Hungerstreik verstorben. Die Anklage lautete Mord in vier Fällen und versuchter Mord in 54 Fällen. Raspe wurden fünf Bombenanschläge mit vier Todesopfern und mehr als 50 Verletzten zugerechnet.
  • 11. Juni 1975: Der Antrag, das Verfahren auszusetzen weil die Angeklagten durch die Langzeitisolation verhandlungsunfähig seien, wurde von der Rechtsanwältin Marieluise Becker gestellt. Der Gesundheitszustand der Angeklagten blieb mehrere Monate das zentrale Verhandlungsthema. Die Forderung der Strafverteidiger, den Gesundheitszustand von unabhängigen Gutachtern zu bewerten, wurde zunächst immer wieder vom Gericht abgelehnt. Eine medizinische Untersuchung konnte dennoch durchgesetzt werden und ergab eine eingeschränkte Verhandlungsfähigkeit. Die Hauptverhandlung wurde durch Beschluss des 2. Strafsenats in Abwesenheit der Angeklagten fortgeführt, da die Verhandlungsunfähigkeit nach § 231 a StPO zur Geltung kam.
  • 28. Oktober 1975: Raspe, wie auch Baader, äußerten ihre Ablehnung gegenüber der Isolationshaft, welcher sich die Gefangenen ausgesetzt sahen, obwohl Jan-Carl ansonsten eher als der Stille im Prozess wahrgenommen wurde. Die Stichwörter der Isolationsfolter und Vernichtungshaft gingen durch die Presse. Einige Meinungen gehen dahin, dass diese Äußerungen eine Werbestrategie zur Gewinnung neuer Sympathisanten war. Raspe führte im Prozess folgendes aus:

"Ich stell zunächst mal nur fest, dass Ihre Methode der Verhandlungsführung heute tatsächlich auch eine neue Qualität angenommen hat. Was Sie hier tun, ist tatsächlich nur noch: Deckel drauf! Aber ansonsten fahr ich fort mit der Begründung der Ablehnung. Falsch ist, dass die Auswirkungen der Isolation den verantwortlichen Stellen verdeckt geblieben wären. Nichts war verdeckt. Es gab Januar '73 die Stellungnahmen von drei Gefängnisärzten in Ossendorf, als Ulrike seit siebeneinhalb Monaten im Trakt war, die ohne Untersuchung erklärten: Psychosomatische Schäden sind bei der Art von Unterbringung, nämlich in akustischer Isolation, unvermeidlich. Aus psychiatrischer Sicht sei die Grenze der Belastbarkeit erreicht, einfach weil die Auswirkungen der Isolation angefangen hatten, sichtbar zu werden. Ulrike konnte bei Besuchen nicht mehr sprechen. Außerdem ist in unzähligen Anträgen der Anwälte auf Ärzte unserer Wahl auf Aufhebung der Isolation erklärt und mit präzisen wissenschaftlichen Argumentationen nachgewiesen worden, dass die Auswirkungen der Isolation für jeden nach einer bestimmten Zeit katastrophal sind. Wie Wunder hier, als er seinen Schließmuskel mal wieder nicht halten konnte, selbst gesagt hat, Isolation ist eine Frage der Zeit."

  • 7. November 1975: Die Bestellung von Raspes Verteidiger, Rupert von Plottnitz, wird aufgehoben. Das Oberlandesgericht führt als Grund sach- und pflichtwidriges Auftreten an.
  • 12. November 1975: Raspe und Baader wurde im Zusammenhang mit ihrer Festnahme versuchter Mord vorgeworfen.
  • 16. Dezember 1975: Es wurde beantragt, die Angeklagten aus der Haftanstalt zu entlassen. Die Begründung dafür war der schlechte Gesundheitszustand. Der Antrag wurde abgelehnt.
  • 13. Januar 1976: An drei Tagen des Prozesses gaben die Angeklagten eine politische Erklärung ab. Die sich selbst als Mitglieder der Stadtguerilla-Gruppe bezeichnenden Angeklagten sprachen die Verantwortung für die Sprengstoffanschläge aus.
  • 9. Mai 1976: Ulrike Meinhof wurde erhängt in ihrer Zelle aufgefunden. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft ergaben, dass es sich um Selbstmord handelte. Nach Meinung der Angeklagten sei Meinhof durch den Staatsschutz ermordet worden.
  • 14. April 1977: Die Beweisaufnahme wurde abgeschlossen. Die Forderung betrug für jeden der Angeklagten lebenslänglich.
  • 28. April 1977: Nach 192 Verhandlungstagen wurde Jan-Carl Raspe, sowie die anderen Angeklagten, zu lebenslanger Haft verurteilt. Die Anwälte kündigten an in Revision zu gehen.
  • 18.Oktober 1977: Raspe, Baader und Ensslin wurden tot in ihren Zellen aufgefunden. Das Verfahren wird eingestellt.

Tod und Beisetzung

Baader Ensslin Raspe 3

Nachdem Freipressungsversuche seitens der zweiten Generation der RAF (Schleyer-Entführung) und der PFLP (Entführung des Flugzeugs Landshut) erfolglos geblieben waren, bekam Raspe diese Nachrichten am 18. Oktober 1977 um 0:38 Uhr durch das Hören des Deutschlandfunks mit. Obwohl gepolsterte Spanplatten vor den Zellentüren eine nächtliche Kommunikation der Gefangenen untereinander verhindern sollten, konnte Raspe die Information über das Scheitern der Landshut-Entführung über eine (unter Nutzung von durch die Zellen verlegten Stromkabeln sowie Lautsprechern und Plattenspieler) selbst gebaute Gegensprechanlage an Baader, Ensslin und Möller weiterleiten.

Am Morgen wurde Raspe um 7:41 Uhr schwer verletzt in seiner Zelle aufgefunden. Mit einer 9-Millimeter-Pistole schoss er sich, so der Anschein, in die rechte Schläfe. Laut offizieller Darstellung gelangte die von Raspe verwendete Schusswaffe zusammen mit zwei weiteren Waffen 1976 durch den Rechtsanwalt Arndt Müller, welcher Vorrichtungen in Handakten für die Waffen geschaffen haben soll, in den Hochsicherheitstrakt. Da es verstärkte Sicherheitskontrollen, auch in den Zellen, gab, ging eine Vermutung in die Richtung, dass die RAF-Gefangenen während der größeren Umbauarbeiten im Mai 1977 an Baumaterial herankamen und so Versteckvorrichtungen bauten. Raspe soll seine Waffe in einem Mauerversteck hinter einer Fußleiste deponiert haben. Fraglich blieb jedoch, wo die Waffen bei dieser Konstellation in den dazwischen liegenden Monaten waren.

Raspe wurde sitzend mit dem Kopf nach unten hängend auf seinem Bett gefunden. Er blutete aus Mund, Nase und Ohren. Zwei Stunden später starb Raspe im Katharinenhospital. Baader wurde erschossen in seiner Zelle gefunden, Ensslin aufgehängt an einem Lautsprecherkabel. Irmgard Möller überlebte als Einzige. Sie wurde mit mehreren Stichverletzungen in der Herzgegend aufgefunden. Es gab viele öffentliche Diskussionen zu den Hintergründen des Todes von Raspe sowie Baader, Ensslin und den Verletzungen von Möller.

Hypothesen

  • Mordhypothese

Einerseits wurde über staatlich angeordnete Morde spekuliert: man habe die Gefangenen umgebracht, um weitere Freipressversuche zu verhindern. Diese These unterstützten in den 70-er Jahren die RAF-Anwälte Otto Schily, Hans-Christian Ströbele und Karl-Heinz Weidenhammer. Die Überlebende Irmgard Möller bestreitet bis heute die Abspache eines kollektiven Suizids.

  • Hypothese vom politisch motivierten Suizid

Andererseits gab es die Behauptungen, die RAF-Mitglieder hätten aus politischen Gründen einen Suizid verabredet, der aber wie ein Mord aussehen sollte. Für die These der geplanten Selbstmorde sprechen die ehemaligen RAF-Mitglieder Susanne Albrecht und Monika Helbing. Auch Raspes Stellungnahme vom 27. September 1977 zu der Schleyer-Entführung kann als Unterstützung des kollektiven Selbstmords betrachtet werden. Bei einem Gespräch mit dem BKA-Beamten Alfred Klaus nannte Raspe weitere mögliche Aufnahmeländer, falls auf die Erpressung von staatlicher Seite eingegangen werden sollte. Er spricht von "wir", was auf eine Umgehung der Kontaktsperre hindeutete und dass Absprachen möglich waren. Weiter äußerte Jan-Carl, dass bei einer "polizeilichen Lösung" der Entführungsfälle eine "politische Katastrope" programmiert wäre, nämlich "tote Gefangene". Klar ist nicht, ob diese Andeutungen in Absprache mit Baader, Ensslin und Möller geäußert wurden, da sie gegen eine Mordinzenierung sprechen. In den Medien wurde die Version eröffnet, dass Raspe dadurch versuchte einen solchen Ausgang zu vermeiden und es ein Widerstand seinerseits war. Bei Raspes Notiz am 27. September fiel auf, dass er die durchgängige Kleinschreibung der Texte der RAF missachtete. Wenn es eine Botschaft von ihm sein sollte, so kam diese zu der Zeit nicht an. Es war schwer ihn zu verstehen. Eine "latente Suizidgefahr" sah der Psychiater und Anstaltsarzt Dr. Helmut Henck bereits vor dem Suizid. Die RAF-Mitglieder litten unter "Unruhe und manchmal tiefe Depresssionen".

  • Hypothese vom politisch motivierten Suizid unter staatlicher Aufsicht

Eine weitere öffentliche Reaktion war die Vermutung von Selbstmorden unter staatlicher Aufsicht. Staatliche Akteure hätten die Gespräche abgehört und von den Plänen gewusst. Beweise für Mord konnten nie gefunden werden. Geheime Teile von Gutachten über den Tathergang wurden Ende der 90-er Jahre veröffentlicht und seitdem galt die Suizidthese als bewiesen. Nach öffentlicher Darstellung starb Raspe somit durch Selbstmord, wobei einige Personen diese Darstellung weiter anzweifeln.

Totenmasken

Die angefertigten Totenmasken von Raspe, Baader und Ensslin war ein weiteres in den Medien mehrfach berichtetes Thema. Der Gerichtsmediziner Hans Joachim Mallach war zuständig für die Obduktion der drei Toten. Er fertigte zusätzlich ohne Genehmigung der Angehörigen und ohne Auftrag der Staatsanwaltschaft drei Totenmasken an. Der Verbleib ist bis heute nicht sicher. Lange war der Verbleib unklar. Vermutet wird, dass sich dieser Satz im Bestand des Museums „Haus der Geschichte Baden-Württemberg“ befindet. Eine Landesstelle überließ die Masken unter der Voraussetzung, diese nicht in die Dauerausstellung darzustellen.

Mit Genehmigung der Angehörigen erstellte der Tübinger Bildhauer Georg Halbritter ebenfalls Totenmasken. Der Aufenthaltsort bei diesen Stücken galt Jahrzehnte als unbekannt. 2009 führten sie nochmals zu Medienberichten. Sie tauchten im ostdeutschen Kunsthandel auf. Ein Kunsthändler erwarb sie für 20.000 € von der Tochter des bis dahin verstorbenen Bildhauers Georg Halbritter mit dem Ziel der Ausstellung im Museum. Bis heute ist nicht geklärt wie viele Totenmasken angefertigt wurden. Zwischen insgesamt drei und fünf Sätzen wurden Spekulationen geäußert.

Gehirn

In den Medien wurde ferner der Verbleib der Gehirne der toten RAF-Mitglieder diskutiert. 1977 wurde Dr. Jürgen Pfeiffer, damaliger Chef der Neuropathologie des Tübinger Uni-Klinikums, von der Staatsanwaltschaft mit der Untersuchung der Gehirne beauftragt. 10 Jahre lagerten diese in dem Uni-Klinikum, seitdem ist der Verbleib unklar. Öffentliche Auseinandersetzungen, über den in vielen Bundesländern gesetzlich nicht klar geregelten Zeitraum der Aufbewahrungsfrist von Organen aus Gerichtsobduktionen, fanden statt.

Beisetzung

Nach Obduktion, Entnahme seines Gehirns sowie der Anfertigung von Totenmasken wurde Jan-Carl Raspe am 27. Oktober 1977 gemeinsam mit Baader und Ensslin auf dem Dornhaldenfriedhof in Stuttgart beigesetzt.

Zitate

Im Hamburger Archiv für Sozialforschung stieß Carina von der Werth im Jahr 2012 auf Notizen Raspes aus der Haft in Stammheim.

  • So schrieb er beispielsweise zu der Haftsituation:
"verdrängung/vergessen - usw. : diese begriffe hier drin sind zb. ein komplettes: sich ausliefern. Denn : das macht doch die sit. aus: dass ihre totalität (24-stunden terror ...) eben nicht mehr sich erst auf der ebene der abstraktion herstellen lässt, sondern existiert als konkrete totalität : in jeder minute, jedem moment usw. (nun, sicher allerdings die totalität des zusammenhangs, um den es geht; das ist schon mal vorauszusetzen - was nur seine bedingung im subjekt selbst voraussetzt: fw.-dh: subjekt sind. hier.) so konkret, wie n i r g e n d s , unter keinen umständen (usw.) sonst vorhanden. und zwar: das genau die dialektik der isolation : indem sie auf vernichtung abzielt doch genau nur das falsche, das objekt vernichten kann : wenn du endlich erkannt=realisiert hast : fw=subjekt. also wirklich: wenn du dir in der isolation (gegenüber dem terror pp) noch die frechheit rausnimmst, 'reservate' ( eben sowas wie: vergessen, verdrängen, beiseite schieben, 'jetzt nicht', 'auf dem stuhl schaukeln' (es sei denn , das wäre der äussere ausdruck schärfsten nachdenkens) usw. zuzulassen, bringst du damit nur den grad deiner verknechtung zum ausdruck: auf die tatsache der zelle (...) antwortest du mit der installierung und dem einrichten von 'unterzellen' (zellen in der zelle) statt sie zum anlass zu nehmen (eben:24... : weil es janun endlich möglich ist) , die grenzen + zäune der verschiedenen departments in dir selbst einzureißen- weil sie ja nurnoch überflüssig, ballast sind, denkmäler/der tatsache, dass sich die materielle struktur schneller ändert als die ideologische, wie von der materiellen gewalt der ideologie; aber genau: als 'denkmal' dieses zusammenhangs kann sein sinn und zweck nur darin zu bestehen, zu verschwinden, unterzugehen in der auflösung der falschen ideologischen struktur selbst. genau : weil die selbstkritik der kisten hier im loch natürlich nur ihren intendierten zweck erfüllen kann, wenn in ihr die sk der verschiedenen fehler (usw.) draussen aufgehoben ist - aber dieser zusammenhang ist ja schon so logisch, dass ihn zu verkennen , nicht sehen zu wollen schon die äusserste form seiner selbsz, dessen, worum es geht, darstellt. ratte. Weil es natürlich genau so war: hier drin habe ich die erfahrungen, praxis (und meinen anteil in den darin enthaltenen fehlern und vor allem nicht vollständigen einsatzes ) draußen - im koma der ersten 6-8 monate weggeschoben , schon verleugnet - und es damit erst in dem ausmaß ermöglicht. Das ne (falsche ) orientierung nach rückwärts zu nennen ist ne blasphemie eine wiederholung, noch mal; tatsächlich war das verrat (-und wenn dir schon - erfahrungsmangel, schock&sturz und vieles - die politischen bestimmungen und ihre wahrheit abhandengekommen war, dann war es immer noch - und das reicht ja nicht nur , sondern ist schließlich immer der kern - verrat an dir selbst.)"
  • "und : 'konsumentenverhältnis' (7/7) : (das sich da wieder einschlich) auch hier : es reproduzierte sich nur die alte kacke , wolltest du es bekämpfen mit plänen, einteilung, zwang, sich jetzt auf das und nicht anderes zu konzentrieren usw .usw.- wenn diese gleitmittel äusserlich sind; 'kon..': ist sofort so nebensächlich und verschwindet , sobald es nicht mehr ausdruck des konsumentenverhältnisses zu dir selbst ist. Und aller zwang zusammengenommen wird sich daran nichts ändern , seine ständige reproduktion nicht unterbunden sein, solange nicht seine basis (s.o.) verändert ist ; und auch diese ändert sich nicht mit veräusserlichtem zwang , sondern kann sich nur im wiken des t a t s ä c h l i c h e n äusseren zwangs aufheben - eben dialektik , die immer das schafft, was herrschaft verhindern will (grundlage : subjekt und subjektbewusstsein)"
  • " so: wenn i zb erkannt habe, dass es die typischen probleme von intelektuellen sind, die die grundlage der geschichte bilden, das: die sachen thoeretisch abstrakt auseinandernehmen, analysieren usw. ususw. - xm was zugleich die bedingung ist, sie nicht praktisch hic et nunc angreifen, veränderen usw.,. zu können/wollen/müssen--- dann kann die dabei verwendete methode, nicht für die lösung des problems benutzt werden. Wird sie es, kann sich die alte sache nur erneut wiederholen. Auf diese weise wird dann eine methode (qnalyse) die nützlich sein kann zum gegenteil; versklavt zusätzlich. (man weiss immer schon alles vorher- was aber nur heisst: man nimmt das falsche vorweg)"
  • "offensive defensive passive konservative"
der kern: eine (mir) altbekannte bewegung: je tiefer ein zusammenhang durchdrungen ist, -mit dem ursprünglichen ziel und zweck, die erkenntnis zu seiner veränderung einzusetzen - so gewaltiger wird die macht der in ihm wirkenden tatsachen, gewinnt das ergebnis macht über den in seiner erkenntnis intendierten zweck. Alt: die bourgeoisie und ihre institutionen gewährt nur dann die möglichkeit sich instrumente von erkenntnis anzueignen, die sie selbst vernichten können (durch:analyse Anwendung usw.) wenn sie durch die subtilen herrschaftsmechanismen zugleich sichergestellt sieht, dass in diesem prozess das erkennende subjekt proportional zum fortschritt seiner erkenntnis deren objekt wird : die stigmatisierung des intelektuellen [sic]."

Veröffentlichungen von Jan-Carl Raspe

  • Berliner Landfriedensbruchbuch. Berlin 1967.
Verantwortlich für den Inhalt dieser Schrift war die Berliner Justiz. Daran mitgearbeitet haben außer Jan-Carl Raspe noch Dagmar v. Doetinchem, Gil Funccius, Eike Hemmer, Petra Herzinger, Nikolaus Kuhnert, Peter Neitzke, Eberhard Schultz und Hartmut Sander. Es war eine Reaktion auf die Geschehnisse der Demonstration vom 02. Juni 1967. Sie schrieben über die Justiz: "Die Justiz selbst funktioniert mehr als konservative Ordnungsmacht denn als unabhängige Kontrollinstanz. Sie verschmilzt mit Staatsbürokratie, Parlament und Regierung zur Hierarchie der Mächtigen." (S.2) Sie führen weiter aus: "Wer auf ungewöhnliche Weise demonstriert, legt der Justiz den Verdacht nahe, seelisch krank zu sein. Abweichende politische Kritik erscheint als medizinischer Fall, eine Sache für den Psychiater." (S.2) Beschrieben wurden ausführlich die Geschehnisse rund um Fritz Teufel. Er wurde ihrer Meinung nach bewusst für die Verhaftung und Inhaftierung ausgewählt. "Zu einer gründlichen, offenen Selbstkritik unfähig, konnte die verrottete Bürokratie den Schuldigen natürlich nur in den Demonstranten finden." (S.3) "Wenn man den Kommune-Teufel wider Recht und Gesetz monatelang würde festhalten können, durfte man sich davon eine abschreckende Wirkung auf die anderen Demonstranten erhoffen." (S.7) Bezüglich Karl-Heinz Kurras hatten die Autoren folgende Meinung: "In Wirklichkeit läßt das System einen Einzelnen dafür büßen, daß es den Maschinenmenschen nicht gegen unbürokratische Situationen immun machen kann." (S.22)
Die Schrift endet mit Aufrufen zur Teilnahme am Gerichtsprozess rund um Fritz Teufel. "Der juristischen Dampfwalzen-Taktik müssen wir durch kollektiven Widerstand begegnen." (S.24) "Kommt zum Prozess am 27.Nov.67 für alle Landfriedensbrecher!" (S.26)
  • Einleitung eines Raubdruckes, Berlin Februar 1968.
Raspe schrieb zusammen mit Christel Bookhagen, Petra Herzinger, Eike Hemmer, Eberhard Schulz und Marion Stergar die Einleitung zu dem Raubdruck des Buches "Psychoanalytische Erziehung in Sowjetrußland" von Vera Schmidt von 1924. Letzendlich erschien diese nicht in dem Raubdruck, sondern wurde in dem Buch "Berliner Kinderläden. Antiautoriäre Erziehung und sozialistischer Kampf. Berlin, Köln 1970" abgedruckt. Dort jedoch ohne die Nennung der Autoren der Einleitung. Das Autorenkollektiv dieses Buches, bestehend aus Mitarbeitern eines Kinderladens, zog Dokumententeile heran, um die "pädagogisch-politische Vorstellung der Berliner Kinderläden" darzustellen. Auch Raspe arbeitete seit seiner Zeit in der Kommune II in einem Kinderladen.
In der Einleitung schrieb er und die weiteren Autoren u.a.: "Ausgehend von den Erfahrungen W. Schmidts mit dem Moskauer Kinderheim-Laboratorium kann die Frage einer kollektiven repressionsfreieren Kindererziehung sinnvoll aufgerollt und massenhaft propagiert werden." Um ihr Anliegen, die antiautoritäre Erziehung zu verbreiten, vorzubringen, führten sie aus, dass "eine Erziehung, die nicht mehr auf eine Verinnerlichung des Leistungsdrucks, sondern auf weitgehende nichtrepressive Triebbefriedigung" gerichtet ist "keine Utopie sondern reale Möglichkeit" sei. Ihre Ansicht war weiterhin, dass es nicht ausreiche "Gegenistitutionen wie ein auf psychoanalytischer Grundlage aufgebautes Kinderheim" zu errichten, sondern es einen "langandauernden politischen Kampf, der Zertrümmerung der bestehenden repressiven Institutionen, der Überführung der Produktionmittel in die Kontrolle der Gesellschaft" bedarf. "Aber in diesem Kampf können Gegeninstitutionen eine wichtige Rolle spielen, in dem sie das eindimensionale Bewußtsein von der absoluten Unveränderbarkeit des Bestehenden praktisch in Frage stellen."
  • Kommune 2: Versuch der Revolutionierung des bürgerlichen Individuums, Berlin 1969.
Ausschnitt online verfügbar: http://www.infopartisan.net/archive/1967/266781.html
An der Entstehung des Buches waren außer Raspe noch weitere Mitglieder der Kommune II beteiligt. Das Ziel der Autoren war es, ihre Erfahrungen aus der politischen Wohngemeinschaft durch dieses Buch in die Öffentlichkeit zu tragen. Sie schrieben über ihr Leben und das Miteinander in der Gemeinschaft und versuchten diese reflektiert darzustellen. Das Ziel der Kommune II, antiautoritär die „Rekonstruktion einer revolutionären Arbeiterklasse zu befördern“ (Kommune II, 1969, S.297 ff.) beschrieben sie u.a. auch in ihrem Werk. Raspe bewertete dies folgendermaßen: „Der Versuch … ist weitgehend gescheitert. Der Anspruch aber, die einmal ausgesprochenen Interessen auch zu verwirklichen, war so stark, daß davor nur die Flucht möglich schien. Austritt aus der Kommune oder Sturz in einen betäubenden Aktionismus.“ (Aust, 2008, S.150 f.)
  • Zur Sozialisation proletarischer Kinder. 3. Auflage, Frankfurt am Main 1973.
Online verfügbar: http://www.scribd.com/doc/24238660/Jan-Carl-Raspe-Zur-Sozialisation-proletarischer-Kinder
Der Klappentext seines Buches beschreibt den Inhalt seiner Studie wie folgt: "Da die sozialen Erfahrungen des Arbeiterkindes vom frühesten Alter an Erfahrungen des Klassengegensatzes sind und sich in ihnen gleichzeitig auf Grund der familialen Situation wesentliche Lernprozesse abspielen, sind die dadurch vermittelten Strukturen der Lernfähigkeit des Kindes sowohl an einen bestimmten Inhalt: nämlich allgemein soziale Zusammenhänge der Klassenlage, gebunden als auch an eine bestimmte Form: das proletarische Kind lernt in kollektiven Erfahrungszusammenhängen."
Raspe begann in diesem Werk mit der folgenden Beschreibung: „Dieser Arbeit liegt die politische Überzeugung zugrunde; daß sich der widersprüchliche Charakter der Sozialisation des Arbeiterkindes nur in einer direkten, organisierten, antikapitalistischen Erziehungspraxis – als Teil und Ausdruck des proletarischen Klassenkampfes – grundsätzlich aufheben läßt." (S.5) Empirisch belegen lässt sich nach seinen Aussagen die Unterdrückung und Diskriminierung der Arbeiterkinder ebenso "wie die Bedeutung, welche die proletarische Kampforganisation für die Entfaltung der Fähigkeiten und Möglichkeiten des Arbeiterkindes hat." (S.5) Folgende Funktion der Erziehung eines Kindes in Zeiten des Kapitalismus benannte er: "Allgemein läßt sich sagen, daß die Funktion der organisierten proletarischen Erziehung im Kapitalismus einzig darin liegen kann, dem Kind einen Schutz- und Orientierungsrahmen zu geben, innerhalb dessen es im Kollektiv die individualisierende und diskriminierende Auswirkung der kapitalistischen Umwelt auf seiner jeweiligen physischen und psychischen Entwicklungsstufe bekämpfen kann. Die Organisation gibt also einen Rahmen, den das einzelne Kind sich nicht schaffen kann; sie ermöglicht die Bildung stabiler Kinderkollektive." (S.6) Seine antikapitalistische Haltung wurde auch in seinen Schlussfolgerungen immer wieder deutlich. So sah er folgende Zusammenhänge, welche sich aus den herangezogenen Studien aus seiner Sicht ergaben: "In den ärmsten proletarischen Familien, in denen gleichzeitig die Kinderzahl am größten ist, ist auch die Ausbeutung der kindlichen Arbeitskraft am ausgeprägtesten." (S.15) Raspe ging weiterhin davon aus, dass das Kind in einer proletarischen Familie von klein auf an vermittelt bekommt, abhängig vom wirtschaftlich Stärkeren zu sein. Er zog zu dem Aspekt auch ein Zitat heran, welches beschreibt, dass die wirtschaftliche Macht auch die persönlichen Beziehungen reguliert. Er leitet aus dem herangezogenen Material die These ab, "daß die proletarischen Lebensverhältnisse im Kind die Anlage einer widersprüchlichen Persönlichkeitsstruktur fördern, die sowohl Elemente aktiven, kämpferischen Klassenhandelns umfaßt als auch die passiv-fatalistischer, ohnmächtiger Anpassung.Verallgemeinernd läßt sich daraus schließen, daß die klassenspezifische Ausprägung der Persönlichkeitsstruktur im Proletariat die gesellschaftlichen Herrschaftsverhältnisse widerspiegelt." (S.34) Im Folgenden war sein Versuch die These zu belegen. Er ging in seinem Werk auf die Unterschiede zwischen der historischen Situation und den damaligen aktuellen Kapitalismus ein.

Veröffentlichungen über Jan-Carl Raspe

  • Aust, Stefan: Der Baader-Meinhof-Komplex. München 2008.
  • Oesterle, Kurt: Stammheim. Der Vollzugsbeamte Horst Bubeck und die RAF-Häftlinge. München 2005.
  • Peters, Butz: Tödlicher Irrtum: Die Geschichte der RAF. 3. Auflage, Frankfurt am Main 2007.
  • Schut, Pieter Bakker: Stammheim. Der Prozeß gegen die Rote Armee Fraktion: Die notwendige Korrektur der herrschenden Meinung. Kiel 1986; als Neuauflage unter dem Titel 20 Jahre Stammheim - Die notwendige Korrektur der herrschenden Meinung. 2. Auflage. Bonn 2007.
  • Stuberger, Ulf G.: Die Akte RAF: Taten und Motive. Täter und Opfer. München 2008.
  • Stuberger, Ulf G.: Die Tage von Stammheim: Als Augenzeuge beim RAF Prozess. München 2007.
  • Stuberger, Ulf G.: In der Strafsache gegen Andreas Baader, Ulrike Meinhof, Jan-Carl Raspe, Gudrun Ensslin wegen Mordes u.a.:Dokumente aus dem Prozess. Hamburg 2008.
  • Weidenhammer, Karl-Heinz: Selbstmord oder Mord? Das Todesermittlungsverfahren: Baader / Ensslin / Raspe. Kiel 1988.
  • Wernicke, Lutz: Stammheim 1977: Wirklichkeit und Propaganda. Münster 2003.

Filme

  • Der Baader Meinhof Komplex nach dem Buch von Stefan Aust (2008) von Uli Edel (Regie) und Bernd Eichinger (Drehbuch) mit Niels Bruno Schmidt als Jan-Carl Raspe
  • Stammheim (1986) von Reinhard Hauff (Regie) und Stefan Aust (Drehbuch) mit Hans Kremer als Jan-Carl Raspe


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