Gerhard Müller

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Gerhard Müller (* 1948 in Sachsen) wurde nach einer abgebrochenen Fernmeldetechnikerlehre Mitglied des SPK und dann vor allem als Mitglied der (ersten Generation) der RAF bekannt. Müller erschoss am 22.10.1971 in Hamburg den Polizisten Norbert Schmid und verletzte den Polizisten Lemke am Bein. Am 15.06.1972 wurde er zusammen mit Ulrike Meinhof in Hannover festgenommen. Trotz erdrückender Beweise für seine Täterschaft im Mordfall Schmid wurde die Anklage fallengelassen. Im Stammheim-Prozess, wo er 1975 als Zeuge des Bundesanwalts fungierte, stellten seine Aussagen die wichtigste Säule der Anklagen gegen die erste Generation dar. Müller wurde zu zehn Jahren Haft verurteilt und Ende der 1970er oder Anfang der 1980er aus dem Hamburger Strafvollzug entlassen. Staatliche Stellen versteckten ihn und verhalfen ihm zu einem falschen Namen, falschen Papieren und einem Wohnsitz an einem geheimgehaltenen Ort. Angeblich erhielt er für den Neustart (in den USA) 500.000 DM. Eine rechtliche Möglichkeit für eine solche "Kronzeugenregelung" gab es zu der Zeit noch nicht, wohl aber § 120 StGB, dessen zweiter Absatz die Gefangenenbefreiung durch Amtsträger mit bis zu fünf Jahren Haft oder Geldstrafe bedroht.

Fragen

Ulf G. Stuberger (2008b) nimmt an, dass zugunsten des RAF-Mitglieds rechtswidrige Vergünstigungen gewährt wurden, die durch die Manipulation von Aktenbeständen und Zugangssperren verschleiert werden sollten. Er listet folgende Fragen und Umstände auf:

  • Staatsgeheimnis: nachdem die polizeilichen Vernehmungsprotokolle (zuständig: Abteilung K 421 der Hamburger Polizei) vom Generalbundesanwalt mit dem Stempel 'VS-Vertraulich' zu einer so geheimen Angelegenheit erklärt worden waren, dass selbst Richter nicht alle Teile der mit dem Zeichen 3 ARP 74/75 I versehenen Akte einsehen durften, machten die "streng geheimen" ersten 11 Seiten der Akte seinerzeit den RAF-Verteidiger Otto Schily geradezu furios. Wenn er einmal "an die Macht" käme, würde er sie publik machen, erklärte dieser. Als er dann als Innenminister tatsächlich an der Macht war, hörte man davon nichts mehr von irgend einer Bemühung darum, das Geheimnis zu lüften.
  • Aktenvernichtung: 1996 vernichtete der Generalbundesanwalt nach eigenen Angaben die Originalakte. Trotz der Vernichtung im Jahre 1996 wurde der Sperrvermerk der Akte erst am 03.08.07 aufgehoben. Dem Bundesarchiv wurden Teile der Akte in schlecht lesbaren Kopien übergeben. Das Bundesarchiv nahm (2008) an, dass im Bundesjustizministerium noch eine Kopie der Akte existierte. Wenn aber die ersten 11 Seiten laut Auskunft nicht gesperrt waren oder es nicht mehr sind, könnten sie der Öffentlichkeit bekanntgegeben werden. Ob oder wo die ersten 11 Seiten existieren, ist allerdings nicht bekannt geworden. Die Behörden erwiesen sich als rechercheresistent. Die Akte, die im Bundesarchiv lagert, beginnt mit einem Begleitschreiben des Bundeskriminalamts vom 23. Juni 1975 an den Generalbundesanwalt, dem auf der folgenden Seite ein Protokoll der Abteilung K 421 vom 10. Juni 1975 folgt, das mit den Worten beginnt: 'Vorgeführt aus der U-Haftanstalt Hamburg macht Herr Gerhard Müller, Pers. bekannt, in Fortsetzung seiner Vernehmung vom 5.6.1975 nachstehende Angabe ..." - Wo aber sind die Protokolle der Vernehmung, die es dann ja vor dieser 'Fortsetzung' gegeben haben muss? Warum hat der Generalbundesanwalt die Originale vernichtet, bevor dem Bundesarchiv nur schlecht lesbare Kopien übergeben wurden?
  • Gefangenenbefreiung durch Amtsstellen: Nach allem ist kaum noch zu glauben, dass Müller im Gegenzug für seine Auskunftsbereitschaft tatsächlich nur "Mittagessen, Kaffee und Brause gereicht" wurden, wie es in den Protokollen heißt.

Quellen

  • Stuberger, Ulf G. (2008a) Vertuschen und vernichten. Wie der deutsche Staat mit Gesetzesbrüchen bei der RAF-Fahndung umgeht: Es verschwinden nicht nur Terroristen spurlos, sondern auch deren Akten. FAZ 5.04.08: 35.
  • Stuberger, Ulf G. (2008b) Das bekannte Unbekannte. Gerhard Müller geheime RAF-Akte verwirrt weiter. FAZ 15.04.08: 33.