Georg Elser

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Johann Georg Elser (* 4.01.1903 in Hermaringen, Württemberg; † 9.04.1945 im KZ Dachau) ertüftelte eine Zeitzünder-Bombe, die er nach längerer Vorbereitung am 8.11.1939 um 21:20 Uhr zwecks Tötung von Adolf Hitler explodieren ließ. Der hatte den Raum um 21.O7 Uhr verlassen, weil er witterungsbedingt für die Reise nach Berlin den Zug dem Flugzeug vorgezogen hatte. Statt der rund 2000 Menschen befanden sich deshalb nur noch ca. 160 Personen am Ort. Die Explosion tötete acht Menschen, darunter sieben Parteimitglieder und die Aushilfskellnerin Maria Henle. Die Angestellte Maria Strobl erlitt schwere Verletzungen mit bleibenden Folgen. Darüber hinaus wurden 62 (15) Personen (schwer) verletzt.

Elser wurde gefasst und vier Wochen vor Kriegsende auf Hitlers ausdrücklichen Befehl im KZ Dachau von SS-Oberscharführer Theodor Bongartz mittels Genickschusses getötet. Nach Kriegsende galt sein Attentat lange Zeit als künstlich eingefädelter Nazi-Propagandatrick. Quellen und Bewertungen führten dann seit den 1960er Jahren zu einer Aufwertung Elsers. Den Anfang machte Bundeskanzler Kohl mit einer Erwähnung am 20.07.1984. Inzwischen wird er durch die Benennung öffentlicher Straßen und Gebäude, eine Sonderbriefmarke und verschiedene Denkmäler öffentlich und regierungsamtlich geehrt. 1994 nahmen ihn die Schwaben mit einem Nachbau seiner Höllenmaschine im Württembergischen Landesmuseum in die Ausstellung "Schwäbische Tüftler" (wie Gottlieb Daimler u.a.) auf. Seit 2001 wird alle zwei Jahre der Georg-Elser-Preis für Zivilcourage verliehen. Seit 2009 erinnert in Münchens Türkenstraße in der Maxvorstadt, wo Elser 1939 wohnte, am Georg-Elser-Platz eine jeweils um die Uhrzeit des Attentats rot aufleuchtende Neoninstallation an das Attentat.

Motivation

Der gelernte Dreher und Schreiner hatte auch in einer Uhrenfabrik gearbeitet und dort zwischen 1925 und 1929 die Fertigkeiten zur Konstruktion eines Zeitzünders erworben. 1928/1929 war der korrekte und etwas einzelgängerische Elser, der allerdings auch Mitglied im Konstanzer Trachtenverein und Zitherclub war, beim Roten Frontkämpferbund der KPD. Nach einer Zeit in der Schweiz (1929-32) und Arbeit im elterlichen Betrieb war er als Hilfsarbeiter in einer Armaturenfabrik in Heidenheim tätig und bemerkte die Aufrüstungsanstrengungen des NS-Staates. Er verweigerte den Hitlergruss, weil er die Herrschaft der Partei und ihre Politik gegenüber der Arbeiterschaft, zunehmend aber auch die Kriegsvorbereitungen ablehnte. Seiner Ansicht nach konnten die Verhältnisse "nur durch eine Beseitigung der augenblicklichen Führung" (Hitler, Göring, Goebbels) geändert werden, wie aus einem Gestapo-Protokoll vom November 1939 hervorgeht.

Tat

Nach dem Münchner Abkommen vom 30.09.1938 begann Elser mit der Planung. Er besorge sich als Arbeiter in einem Steinbruch den erforderlichen Sprengstoff, mietete eine Werkstatt in München und konstruierte eine Zeitbombe, die er im Laufe von 30 Nächten in eine Säule hinter dem Rednerpult baute. Die Bombe explodierte 13 Minuten nach Hitlers Verabschiedung aus dem Saal.

Haft und Ende

Elser war schon um 20:45 Uhr vom Zollgrenzschutz in Konstanz festgenommen worden. Hitler verlangte von Reinhard Heydrich Informationen (1): „Ich möchte wissen, um was für einen Typ es sich bei diesem Elser handelt. Man muss den Mann doch irgendwie klassifizieren können. Berichten Sie mir darüber. Im übrigen wenden Sie alle Mittel an, um diesen Verbrecher zum Reden zu bringen. Lassen Sie ihn hypnotisieren, geben Sie ihm Drogen; machen Sie Gebrauch von allem, was unsere heutige Wissenschaft in dieser Richtung erprobt hat. Ich will wissen, wer die Anstifter sind, ich will wissen, wer dahintersteckt.“ - Elser wurde zunächst als „Sonderhäftling des Führers“ im KZ Sachsenhausen, später im KZ Dachau unter dem Decknamen Eller gefangen gehalten. Angeblich sollte er nach dem „Endsieg“ in einem Schauprozess abgeurteilt werden. Am 5.04.1945 ordnete Hitler anlässlich eines Vortrags von SS-Obergruppenführer Ernst Kaltenbrunner, Chef der Sicherheitspolizei und des SD über die polizeiliche Sicherheitslage die Hinrichtung von Admiral Wilhelm Canaris und des „besonderen Schutzhäftlings” Georg Elser an. Der Chef der Gestapo, SS-Gruppenführer Heinrich Müller, übermittelte den Auftrag am selben Tag dem Kommandanten des KZ Dachau, Obersturmbannführer Eduard Weiter. „Folgende Weisung ist ergangen: Bei einem der nächsten Terrorangriffe auf München bzw. auf die Umgebung von Dachau ist angeblich ‚Eller‘ tödlich verunglückt. Ich bitte, zu diesem Zweck ‚Eller‘ in absolut unauffälliger Weise nach Eintritt einer solchen Situation zu liquidieren. Ich bitte besorgt zu sein, dass darüber nur ganz wenige Personen, die ganz besonders zu verpflichten sind, Kenntnis erhalten. Die Vollzugsanzeige hierüber würde dann etwa an mich lauten: ,Am … anlässlich des Terrorangriffs auf … wurde u.a. der Schutzhäftling ‚Eller‘ tödlich verletzt.“ Der SS-Oberscharführer Theodor Bongartz tötete Georg Elser am 9. April 1945 gegen 23:00 Uhr, wenige Wochen vor Kriegsende, in Dachau durch einen Genickschuss.

Bewertung

Der Chemnitzer Politologe Lothar Fritze, Mitarbeiter des Hannah-Arendt-Instituts für Totalitarismusforschung (HAIT), sprach 1998 in seiner Antrittsvorlesung Elser das moralische Recht ab, als Schreiner und Einzelgänger ein Attentat auf Hitler zu verüben und dabei den Tod von Unschuldigen in Kauf zu nehmen. Die Frankfurter Rundschau veröffentlichte Fritzes Thesen am 8. November 1999. Uwe Backes, stellvertretender Leiter des Instituts, und der Politologe Eckhard Jesse unterstützten Fritze. Das löste Ende 1999 einen heftigen Streit im HAIT und in der Öffentlichkeit aus. Der US-amerikanische Historiker Saul Friedländer verließ wegen des Streits den HAIT-Beirat. Der Rechtswissenschaftler Thilo Ramm erklärte die Tat für nicht rechtswidrig. "Das Attentat richtete sich gegen Adolf Hitler, gegen den Führer und Reichskanzler, der sämtliche Macht des Staates in sich vereinigte. Dass dabei andere Personen getötet wurden, verändert die Wertung nicht. Lenin spottete über den deutschen Revolutionär, der, bevor er einen Bahnhof besetzte, eine Bahnsteigkarte löste. Nichts anderes aber geschieht, wenn vom Attentäter die Vermeidung von 'Kollateralschäden' gefordert wird. - Das 'Dritte Reich' war, wie Ernst Fraenkel in seiner scharfsinnigen Analyse von 1941 zeigte, ein Doppelstaat. Er war ein Rechtsstaat, der das bisherige Strafverfahren beibehielt, und er war ein KZ-Staat - Eugen Kogon nannte ihn einen SS-Staat. Die Herrschaft war damit doppelt abgesichert: durch das Strafrecht, das aber Garantien für den Angeklagten enthielt und öffentlich war, und durch die tatsächliche Gewalt, die willkürlich und geheim gehandhabt wurde und den präventiven Schutz, die Folter, die Misshandlung und die ungeahndete Tötung einschloss: 'Auf der Flucht erschossen'. Zwischen Strafrecht und den 'Maßnahmen' konnte frei gewählt werden. Das KZ war nicht einmal öffentlicher Kontrolle unterworfen. So blieb selb st das beispielgebende Martyrium dem Opfer versagt. - Die Rückkehr zu einem wennglich autoritären Rechtsstaat wurde beim Ermächtigungsgesetz versäumt. Der Doppelstaat wurde durch die Röhm-Morde bestätigt. Die rechtliche Konsequenz des Doppelstaats ist, dass auch der Machthaber den Schutz des Rechts verliert. Ob die Machtunterworfenen das von ihm gesetzte Recht beachten, ist Sache ihrer freien Entscheidung. Sie können sich ihm auch gewaltsam widersetzen. Die Angriffe gegen ihn sind nicht rechtswidrig. Gewalt steht vielmehr gegen Gewalt. Dies gilt auch für die Beseitigung des Machthabers, die keiner weiteren Legitimation bedarf. Sie stellt den Rechtsstaat wieder her und entspricht damit dem höchsten Gebot aller Bürger. Denn über den politischen Organisationsformen steht der Rechtsstaat."


Literatur

  • Johann Georg Elser: Autobiografie eines Attentäters. Der Anschlag auf Hitler im Bürgerbräu 1939. Hrsg. von Lothar Gruchmann, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1989 [1970], ISBN 3-421-06519-5 (Aussage zum Sprengstoffanschlag im Bürgerbräukeller, München am 8. November 1939).
  • Blasius, Rainer (2009) Die Geschichte eines schwierigen Helden. FAZ 06.11.09: 9.
  • Blasius, Rainer (2009) Nachknall. FaZ 30.11.09: 8.
  • Fritze, Lothar (2009) Der Fall Elser. Berlin: BWV
  • Anton Hoch, Lothar Gruchmann: Georg Elser: Der Attentäter aus dem Volke. Der Anschlag auf Hitler im Münchener Bürgerbräu 1939. Fischer Taschenbuch, Frankfurt am Main 1980, ISBN 3-596-23485-9.
  • Hellmut G. Haasis: „Den Hitler jag’ ich in die Luft.” Der Attentäter Georg Elser. Eine Biographie. Edition Nautilus, Hamburg 2009, ISBN 978-3-894016-06-7.
  • Peter-Paul Zahl: Johann Georg Elser. Ein deutsches Drama. Trotzdem-Verlag, Grafenau 1996, ISBN 3-922209-99-8.
  • Helmut Ortner: Der Attentäter. Georg Elser – der Mann, der Hitler töten wollte. Klöpfer & Meyer, Tübingen 1999, ISBN 3-931402-50-9.
  • Renz, Ulrich (2009) Georg Elser. Ein Meister der Tat. Leinfelden-Echterdingen: DRW.
  • Peter Steinbach, Johannes Tuchel: Georg Elser be.bra wissenschaft verlag GmbH, Berlin 2008, ISBN 978-3-937233-53-6
  • Christian Graf von Krockow: Georg Elser. In: Porträts berühmter deutscher Männer, München 2001, S. 337–378. ISBN 978-3-548604-47-3 (Taschenbuch).
  • Ramm, Thilo (2009) Georg Elsers Tat war nicht rechtswidrig. FAZ 11.11.09: 8.
  • Achim Rogoss, Eike Hemmer, Edgar Zimmer (Hrsg.): Georg Elser. Ein Attentäter als Vorbild. Edition Temmen, Bremen 2006, ISBN 978-3-86108-871-4 (Georg-Elser-Initiative Bremen; Inhalt).
  • Georg-Elser-Arbeitskreis Heidenheim (Hrsg.): Georg Elser: Gegen Hitler – gegen den Krieg. 2. Auflage, Heidenheim 2003 (Inhalt).
  • Georg-Elser-Gedenkstätte Königsbronn (Hrsg.): Die Akte Elser. Königsbronn 2000.
  • Andreas Grießinger (Hrsg.): Grenzgänger am Bodensee. Georg Elser – Verfolgte – Flüchtlinge – Opportunisten. Universitäts-Verlag Konstanz, Konstanz 2000, ISBN 3-87940-717-7.

Filme

  • Der Attentäter Doku-Feature 90 min. von Rainer Erler (BR Deutschland 1969), Adolf Grimme Preis der DAG in Gold
  • Allein gegen den Führer TV Dokumentation 15 min., ein Film von Rüdiger Liedtke (Red.: Beate Schlanstein)
  • Eine Höllenmaschine für den Führer, „Der Widerstandskämpfer Georg Elser.” Von Christian Berger, Farbe-S/W. 30 Min., Matthias Film, Stuttgart 1995
  • Einer aus Königsbronn. Der Widerstandskämpfer Georg Elser Eine Dokumentation von Eva Witte. BR Deutschland 1997, 30 Min.
  • Georg Elser – Einer aus Deutschland in der deutschen und englischen Version der Internet Movie Database Regie: Klaus Maria Brandauer, Darsteller: Klaus Maria Brandauer, Rebecca Miller, Brian Dennehy (D 1989) – ein Spielfilm, mit zusätzlichen, dramatisierenden, ahistorischen Elementen: eine erfundene Liebesbeziehung zur Kellnerin Annelise im Bürgerbräukeller, ein erfundener Gestapo-Mann Wagner, der Georg Elser auf den Fersen ist.

Einzelbelege

(1) Vgl. Schellenberg, Memoiren, Köln 1959, S. 92.


Dieser Beitrag ist im wesentlichen ein Kondensat des dt. wikipedia Artikels über Georg Elser [[1]]