Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EBDD)

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Die Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EBDD) ist eine im Jahre 1993 gegründete, dezentrale Agentur der Europäischen Union (EU) mit Sitz in Lissabon. Die englische Bezeichnung lautet European Monitoring Centre for Drugs and Drug Addiction (EMCDDA).

Die EBDD veröffentlicht jährlich den European Drug Report. Der European Drug Report 2014 wird am 27.05.2014 veröffentlicht.


Eingangsschild EBDD Lissabon

Auftrag

Ziele

Im Zuge der sich fortschreitenden Verallgemeinerung gesamteuropäischer Probleme hat die EBDD als zentrale Informationsstelle insbesondere den Auftrag, den betreffenden Mitgliedsstaaten „sachliche, objektive, zuverlässige und auf europäischer Ebene vergleichbare Informationen“[1] über die unterschiedlichen Aspekte der Drogen- und Drogensuchtproblematik sowie den darauf abzielenden Maßnahmen zu liefern. Die Tätigkeit der EBDD richtet sich in einer priorisierten Reihenfolge und unter Berücksichtigung bereits entwickelter Strategien und Aktionspläne auf die folgenden Schwerpunkte (Art. 1 und 3 i.V.m. Anh. I):

  • "Bestandsaufnahme der Drogenproblematik; insbesondere anhand epidemiologischer oder sonstiger Indikatoren, und Beobachtung neuer Tendenzen, vor allem im Zusammenhang mit dem Polykonsum"
  • "Überwachung der Maßnahmen zur Bewältigung von Drogenproblemen; Bereitstellung von Informationen über bewährte Methoden in den Mitgliedsstaaten und Förderung des Austausches solcher Methoden zwischen ihnen"
  • "Bewertung der Risiken durch neue psychoaktive Substanzen und Beibehaltung eines Frühwarnsystems betreffend den Gebrauch dieser Drogen und neue Formen des Konsums vorhandener psychoaktiver Substanzen"
  • "Entwicklung von Instrumenten, die den Mitgliedsstaaten die Überwachung und die Bewertung ihrer nationalen Maßnahmen und der Kommission die Überwachung und die Bewertung der Maßnahmen der Europäischen Union erleichtern"[2]

Die Einbeziehung der unterschiedlichen Schwerpunkte soll dafür Sorge tragen, dass die Entwicklung sowohl präventiver als auch therapeutischer Fachkenntnisse anhand vergleichbarer Datenquellen forciert und verbreitet sowie in den beteiligten Ländern effektiv etabliert werden kann. Als politisch neutrale Einrichtung stellen hierbei objektive Fach- und Sachlichkeit die bedeutenden Grundpfeiler der EBDD dar (vgl. Simon 1999: 30 ff.).

Aufgaben

Zur Erfüllung der Zielsetzung hat die EBDD die Aufgabe, die von den Mitgliedsländern, anderen europäischen und außereuropäischen Institutionen sowie auch nichtregierungsamtlichen Quellen gelieferten Daten im Rahmen von zu erfolgender Sammlung, Analyse und methodenbasierte Vergleichbarkeit öffentlich zu verbreiten.[2] Um einen vergleichbaren Stand der Drogenproblematik in Europa gewährleisten sowie dessen Ursachen schließlich konzentriert und ohne erhebliche Verzögerungen bekämpfen zu können, kommt der Aufgabe der Beobachtung bzw. des "Monitorings" durch Einbeziehung neuer Trends sowie der Installierung von Frühwarnsystemen samt Risikobewertungen eine besondere Bedeutung zu. Die Umsetzung erfolgt mit Hilfe des Europäischen Informationsnetzes für Drogen und Drogensucht (REITOX). Dieses setzt sich aus den nationalen Drogenbeobachtungsstellen der EBDD-Mitgliedsstaaten als jeweiliger Daten-, Informations- und Analyselieferant zusammen, um so eine uneingeschränkte Vernetzung und Kommunikation der beteiligten Institutionen sowie die fortwährende Auswertung der durch die Politik umgesetzten Maßnahmen zu ermöglichen (vgl. EMCDDA 2009: 2 ; vgl. Simon, Nilson, Griffiths 2009: 135).

Rechtsgrundlagen

Die Einrichtung der EBDD wurde am 8. Februar 1993 durch die EWG-Verordnung Nr. 302/93 des Rates der Europäischen Gemeinschaften beschlossen und stützte sich insbesondere auf Artikel 235 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft.[3] Nach mehreren Änderungen datiert die aktuelle Verordnung vom 12. Dezember 2006 (EC 1920/2006) und hat das "Mandat in Richtung Polykonsum, Missbrauch legaler Substanzen und der frühzeitigen Erfassung neuer Trends" (Simon, Nilson, Griffiths 2009: 134) erweitert. Die EBDD darf gemäß Artikel 1 Absatz 4 und 5 keine Maßnahmen treffen, die über den Bereich der Information und der Informationsaufbereitung hinausgehen. Der EBDD ist dabei sowohl das Sammeln von Daten, welches die Identifizierung von Personen oder kleinen Gruppen von Personen ermöglicht, als auch die Informationsübermittlung konkreter und namentliche bekannter Fälle untersagt.[2]

Zuständigkeitsbereich und Kooperationen

Im Wesentlichen konzentriert sich die EBDD dabei auf die Darstellung der Drogensituation der EU-Mitgliedsstaaten sowie den Ländern Norwegen, Türkei und Kroatien. In den jährlich herausgegebenen Berichten zum Stand der Drogenproblematik werden außerdem unterschiedliche nationale und transnationale Aktionsmaßnahmen in Drittstaaten mit den europäischen, drogenpolitischen Strategien verglichen und analysiert (vgl. EMCDDA - Jahresbericht 2012: 21). In den jeweiligen Mitgliedsstaaten erfolgt die Informationssammlung vor allem durch entsprechende Kontaktstellen. So wurde in Deutschland als entsprechend nationale Einrichtung die Deutsche Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (DBBD) mit Sitz in München gegründet. (vgl. Simon, Nilson, Griffiths 2009: 134; vgl. Nilson 2000: 41) Durch Art. 2 und 21 ist die Zusammenarbeit mit europäischen und internationalen Einrichtungen und Organisationen sowie mit Drittländern zur gesetzten Aufgabenerfüllung ausdrücklich vorgesehen. Die wesentlichen und aktuellsten Beziehungen bestehen u.a. zu Einrichtungen wie Europol, Interpol, UNODC, WHO, FDCS (Federal Drug Control Service of the Russian Federation), CICAD (Inter-American Drug Abuse Control Commission), CONADIC (General Directorate of Health Planning an Development), DEVIDA (Comisión Nacional para el Desarollo y Vida sin Drogas), ECDC (Europäisches Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten, EMA (Europäische Arzneimittel-Agentur) sowie der WZO (Weltzollorganisation)[4](vgl. EMCDDA - Jahresbericht 2012: 7 ; vgl. EMCDDA: Drugnet Europe - Newsletter of the EMCDDA 2012: 5, 6).

Historie

Der Gründung der EBDD lag der zum damaligen Zeitpunkt revolutionäre Ansatz zugrunde, eine auf Dauer angelegte, sämtliche EU-Mitgliedsstaaten involvierende sowie ausreichend finanziell ausgestattete Einrichtung zu etablieren (vgl. Simon, Nilson, Griffiths 2009: 134). Die Entwicklungen der 1970er und 1980er Jahre brachten zum ersten Mal die Thematik der Drogensucht zutage, worauf die europäischen Länder in der Folge mittels unterschiedlicher Maßnahmen versuchten, der fortschreitenden Verbreitung Herr zu werden (vgl. Duprez, Groenemeyer 2009: 18). Der dauerhaften Etablierung der EBDD gingen dabei bereits Initiativen voraus, die im Wesentlichen durch Frankreich eingebracht wurden. So befassten sich schon die früheren französischen Staatspräsidenten Georges Pompidou und François Mitterrand mit der in Europa aufkommenden Drogenproblematik durch die im Jahre 1971 gegründete Pompidou-Gruppe sowie das im Jahre 1989 initiierte Seven-step action programme. Hierdurch prägend beeinflusst wurden insbesondere die Ergebnisse der "Mitterrand-Initiative" im Dezember 1990 in Rom vorgestellt und führten im Juni 1991 in Luxemburg zur Billigung der Schaffung einer europäischen Drogenbeobachtungsstelle. Am 08. Februar 1993 wurde die EBBD offiziell durch die EWG-Verordnung Nr. 302/93 gegründet. Im selben Jahr wurde Lissabon zum Sitz der Einrichtung bestimmt. Die operative Arbeit wurde von dort schließlich im Jahre 1995 aufgenommen.[5][3] Mittlerweile hat die EBDD durch ihre Tätigkeit die Etablierung wesentlicher Elemente einer einheitlichen, europaweiten Drogenpolitik vorangetrieben. Neben der Kooperation mit Wissenschaft und Forschung gewinnen die Arbeitsfelder Analyse und Evaluation aktuell verstärkt an Bedeutung (vgl. Simon, Nilson, Griffith 2009: 136).

Organisationsstruktur

Organigramm der EBDD

Die EBDD verfügt über einen Verwaltungsrat, der sich durch jeweilige Vertreter der Mitgliedsländer und zwei Sachverständigen zusammensetzt, sowie einen Direktor, der für eine Amtszeit von 5 Jahren gewählt wird und als gesetzlicher Vertreter die Amtsführung der Einrichtung innehat.[2] Derzeitiger Vorsitzender des Verwaltungsrates ist João Goulão. Seit 2005 ist der Deutsche Wolfgang Götz Direktor der EBDD.[6][7] Folgende Abteilungen bilden unter dieser Ebene die EBDD: Büro des Direktors, Datenschutzbeauftragter, die vier wissenschaftlichen Abteilungen: Muster, Auswirkungen und Datenverwaltung (EPI) / Angebotsreduzierung und neue Trends (SAT) / Maßnahmen, bewährte Verfahren und wissenschaftliche Partner (IBS) / Politik, Evaluierung und Inhaltskoordinierung (POL) sowie die übrigen vier Abteilungen: Reitox und internationale Zusammenarbeit (RTX) / Kommunikation (COM) / Informations- und Kommunikationstechnologien (ICT) und Verwaltung (ADM).[8] Die EBDD wird als dezentrale Agentur von der EU finanziert und unterliegt hierbei einem Entscheidungsprozess zwischen Europäischem Parlament und Europäischer Kommission. Der Haushalt für das Jahr 2013 wird mit 15.550.000 Euro beziffert. Weitere Gelder kommen für die teilnehmenden Partnerländer Norwegen und Türkei hinzu[9](vgl. Hoch, Simon 2001: 254).

Forschung und Lehre

In Anlehnung an die per Verordnung versehenen Auftragsvorgaben führt die EBDD unter der Federführung des Wissenschaftlichen Ausschusses Forschungsstudien auf dem Gebiet der Drogenthematik durch. Die aktuellen Forschungen beziehen sich insbesondere auf die Themen Gefängnisse und Drogen in Europa, Prävention von Heroinüberdosierungen in Europa, Schwangerschaft, Kinderbetreuung und Familie: Schlüsselfragen für Europas Verantwortung ggü. Drogen sowie kokainbedingte Todesfälle (vgl. EMCDDA: Drugnet Europe - Newsletter of the EMCDDA 2012: 5, 7). Dabei ist anzumerken, dass die EBDD nach der im Jahre 2007 erfolgten Gründung des wissenschaftlichen Beirates ihre Tätigkeit auf dem wissenschaftlichen Publikationssektor enorm gesteigert hat, das bestehende Mandat des europäischen Rates jedoch weiterhin eindeutig auf den Bereich Monitoring festgelegt ist und gezielte Forschung daher nur begrenzt zulässt (vgl. Simon, Nilson, Griffiths 2009: 136). Seit 2011 vergibt die EBDD jährlich den undotierten EMCDDA Scientific Paper Award für besonders herausragende wissenschaftliche Artikel auf dem Forschungsgebiet der illegalen Drogen. Im Bereich der Lehre wurde im Juli 2012 in Lissabon erstmals in Kooperation mit dem ortsansässigen Instituto Superior das Ciências do Trabalho e da Empresa (ISCTE) die European Summer School für Studenten und Berufstätige aus ganz Europa angeboten. Der nächste Durchgang beginnt im Juli 2013. Derweil feierte der in Kooperation mit der EBDD gegründete Studiengang European Master in Drug and Alcohol Studies (EMDAS) im September 2012 die Graduation seines ersten Studienjahrganges (vgl. EMCDDA: Drugnet Europe - Newsletter of the EMCDDA 2012: 5, 6).

Öffentlichkeitsarbeit

In Zeiten einer komplexen und dynamischen Drogenentwicklung ist die EBDD daran bestrebt, umfangreiches Wissen zu produzieren und öffentlich zugänglich zu machen. So werden regelmäßig Jahresberichte zum jeweiligen Stand der Drogenproblematik in sämtlichen Sprachen der EU-Mitgliedsländer veröffentlicht. Hinzu kommen regelmäßige Newsletter und Selected Issues, die als Publikationen über die Online-Datenbank der EBDD-Veröffentlichungen grds. sowohl kostenlos heruntergeladen als auch postalisch geordert werden können. Daneben nutzt die EBDD mittlerweile verstärkt die Publikation und Kommunikation über soziale Netzwerke sowie das sog. Mikroblogging. Die kontinuierliche Organisation und Teilnahme an europäischen und außereuropäischen, themenspezifischen Expertentagungen sowie die umfassende objektive und wissenschaftliche Darstellung der gängigsten und aktuellsten Drogen gelten dabei als Basisfundament einer umfassenden Wissensvermittlung[10][11][12](vgl. EMCDDA - Jahresbericht 2012: 5).

Literatur

  • Duprez, Groenemeyer: Drogenkonsum, Drogenprobleme und Drogenpolitik in Europa - Geschichte und aktuelle Entwicklungen im internationalen Vergleich In: Soziale Probleme - Zeitschrift für soziale Probleme und soziale Kontrolle, 2009, S. 18, ISSN 0939-608X.
  • EMCDDA: Drugnet Europe - Newsletter of the EMCDDA: October - December 2012, 2012, S. 1-8, ISSN 0873-5379.
  • EMCDDA: Drogen im Blickpunkt - Briefing der EBDD, 1. Ausg. 2012, S. 1-4, ISSN 1681-6323.
  • EMCDDA: Jahresbericht 2012 - Stand der Drogenproblematik in Europa 2012, S. 21, ISBN 9789291685363
  • EMCDDA / EUROPOL: EU Drug Markets Report - A Strategic Analysis, 2013, S. 126 ff., ISBN 9789291685950
  • EMCDDA: Über uns / Unsere Aufgaben, 2009, S. 2, Katalognr.: TD-30-08-565-DE-C
  • Hoch E. & Simon, R.: Die Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht und ihr Deutscher Partner DBDD - Ziele, Struktur, Entwicklungen. In Vortrag v. 5.-7. Okt. 2000: "Gesellschaft mit Drogen - Akzeptanz im Wandel". Internationaler Drogenkongress. Technische Universität Berlin (Hrsg.), 2001, S. 253-257
  • Nilson, Margareta: Zur Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht - EBDD In: BINAD-Info 17, Januar - Mai 2000, S. 41-47
  • Simon, Roland: Das Drogenproblem erfassen und vergleichen - Die Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht in Lissabon In: Partnermagazin, Jg. 33, 1999, S. 30-33
  • Simon, Nilson, Griffith: 15 Jahre EBDD - 15 Jahre Drogenmonitoring in Europa: Eine Konferenz zwischen Wissenschaft und Politik In: Sucht. Zeitschrift für Wissenschaft und Praxis 2009, S. 134-136

Siehe auch / Quellen/ Weblinks

Einzelnachweise

  1. "EMCDDA ⎢Über uns". Website der EMCDDA. Abgerufen am 26. Januar 2013.
  2. 2,0 2,1 2,2 2,3 [http://www.emcdda.europa.eu/attachements.cfm/att_24215_DE_l_37620061227de00010013.pdf" Verordnung 1920/2006 |. EMCDDA. Abgerufen am 10. Februar 2013.
  3. 3,0 3,1 [http://www.emcdda.europa.eu/attachements.cfm/att_1618_DE_302_93_de.pdf" EWG-Verordnung 302/93 |. EMCDDA. Abgerufen am 10. Februar 2013.
  4. [http://www.emcdda.europa.eu/about/partners"Partners ⎢Website EMCDDA. Abgerufen am 25. Februar 2013.
  5. [http://www.emcdda.europa.eu/html.cfm/index1713EN.html"History of the EMCDDA ⎢Website EMCDDA. Abgerufen am 18. Februar 2013.
  6. "EMCDDA ⎢Management Board". Website der EMCDDA. Abgerufen am 27.Februar 2013.
  7. "EMCDDA ⎢Direktor". Website der EMCDDA. Abgerufen am 27.Februar 2013.
  8. "EMCDDA ⎢Organisation". Website der EMCDDA. Abgerufen am 27.Februar 2013.
  9. "EMCDDA ⎢Budget 2013". Website der EMCDDA. Abgerufen am 27.Februar 2013.
  10. [http://www.emcdda.europa.eu/publications"Publications ⎢Website EMCDDA. Abgerufen am 25. Februar 2013.
  11. [http://www.emcdda.europa.eu/news/home"News and Events ⎢Website EMCDDA. Abgerufen am 25. Februar 2013.
  12. [http://www.emcdda.europa.eu/publications/drug-profiles/de"Drug Profiles ⎢Website EMCDDA. Abgerufen am 25. Februar 2013.