Elisabeth Käsemann

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Soziologin Elisabeth Kaesemann

Die in den Armenvierteln von Buenos Aires tätige Elisabeth Käsemann (* 11. Mai 1947 in Gelsenkirchen; † 24. Mai 1977 in Monte Grande, Argentinien) wurde durch die Umstände ihres Todes bekannt; als Unterstützerin von Verfolgten der argentinischen Militärdiktatur wurde sie am 8. März 1977 verhaftet und in ein geheimes Lager verschleppt und gefoltert; in der Nacht auf den 24. Mai 1977 wurde sie mit 15 weiteren Gefangenen aus dem Geheimgefängnis El Vesubio zu einem Haus in Monte Grande in der Provinz Buenos Aires transportiert und durch Schüsse in Genick und Rücken exekutiert. Die Regierung berichtete, Frau Käsemann sei bei einer bewaffneten Auseinandersetzung zwischen Sicherheitskräften und Terroristen umgekommen.

Während andere westliche Regierungen erfolgreich auf die Freilassung ihrer entführten Bürger drängten, retteten die deutschen Behörden keinen einzigen der zusammen mit Käsemann etwa 100 bundesdeutschen und deutschstämmigen „Verschwundenen“ – sie wurden sämtlich von den Militärs ermordet.

Politik der Bundesregierung war es, den antikommunistischen Verbündeten Argentinien mit „Geduld und Verständnis“ zu behandeln und ihn von „Belehrungen in Menschenrechtsfragen“ zu verschonen.

Der deutsche Botschafter Jörg Kastl und das Auswärtige Amt taten (so gut wie) nichts, um Elisabeth Käsemann zu retten. In dem ARD-Dokumentarfilm Das Mädchen - Was geschah mit Elisabeth K.? von 2014 wurden damalige Schlüsselpersonen der bundesdeutschen Regierung interviewt. Klaus von Dohnanyi, damals Staatsminister im Auswärtigen Amt, gab dabei erstmals zu, dass die Regierung damals mehr hätte tun können und müssen. Der argentinische Bundesrichter Daniel Eduardo Rafecas, der sich mit dem Fall beschäftigt hat, meinte: „Hätte sich ein hochrangiger Vertreter Deutschlands an die Militärjunta gewandt mit der Bitte, Elisabeth Käsemann freizulassen, wäre das mit großer Wahrscheinlichkeit geschehen.“ Ein derartiger Anruf fand jedoch nicht statt.

1983 stellten Angehörige deutscher „Verschwundener“ Strafanzeige gegen Genscher und Beamte des Auswärtigen Amtes und der Deutschen Botschaft wegen unterlassener Hilfeleistung. Während Genscher durch seine Abgeordnetenimmunität vor einer Strafverfolgung geschützt war, wurde zumindest gegen Beamte des Auswärtigen Amtes und der Deutschen Botschaft ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren eröffnet.

Es gibt mehrere unterschiedliche Faktoren, die als Gründe für das mangelnde Engagement deutscher Behörden angeführt werden. Die Welt schrieb 2014, die Gründe seien wohl nur durch den „historischen Kontext“ in Ansätzen nachvollziehbar:

„Da ist, das wird deutlich, zunächst die Lage in Deutschland. Die zweite Generation der RAF terrorisiert Deutschland, und Elisabeth Käsemann wird von der argentinischen Regierung ebenfalls des Linksextremismus beschuldigt. Eine Version, die auch der damalige deutsche Botschafter Jörg Kastl in seinen Einschätzungen stützt und an der er auch im Alter von über 90 Jahren noch festhält: "Die wäre auch bereit gewesen, Bomben zu werfen." Tatsächlich spricht für diese These nichts, betrachtet man sich den Lebenslauf der jungen Deutschen näher. Ende der 60er-Jahre lässt sie sich von der damals weit verbreiteten Dritte-Welt-Bewegung erfassen. Sie bereist Lateinamerika, bleibt schließlich in Buenos Aires, wo sie weiter studiert und Sozialarbeit in den Slums leistet. Als die Militärs dann 1976 putschen, schließt sie sich, gemeinsam mit ihrer Freundin, der britischen Theologiestudentin Diana Austin, einem Netzwerk an, das vom Regime Verfolgte mit gefälschten Papiere außer Landes bringt. Und sie verliebt sich in den linken Journalisten Sergio Bufano, der schon einmal dem Zugriff der Militärpolizei entkommen konnte. Er kann fliehen – mit dem letzten gefälschten Ausweis, den Elisabeth Käsemann fertigt.“

Der damalige Außen-Staatssekretär Klaus von Dohnanyi und das Auswärtige Amt seien zudem von der deutschen Botschaft in Argentinien nur unzureichend über das Leben und Wirken von Käsemann informiert worden. Zudem habe sich ihre Familie geweigert, den deutschen Behörden eine Liste mit ihren Freunden in Argentinien zu liefern, wohl weil sie fürchteten, dass diese dann auch in Gefahr hätten geraten können. Die Familie galt von da an als „nicht kooperationsbereit“. Das alles habe zu dem Ergebnis geführt, „nichts zu tun“ (Die Welt).

Von Dohnanyi bilanzierte 2014: „Wenn ich heute die Aktenlage sehe, war es falsch, Frau Käsemann in den Kreis der Terroristen zu stellen. Sie war eine friedfertige, sozial engagierte Frau, und man konnte sie auch damals nicht in diesem Kreis vermuten.“


Weblinks und Literatur