Theorie der differentiellen Kontakte

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Die von Edwin H. Sutherland erstmals explizit in seinen Principles of Criminology von 1939 als theory of differential association bezeichnete Theorie der differentiellen Kontakte fand ihre ausgearbeitete Form in der 4. Auflage seines Lehrbuchs von 1947 und ist einer der bekanntesten und einflussreichsten lerntheoretischen Ansätze zur Erklärung von abweichendem Verhalten und Kriminalität. Ronald Akers entwickelte daraus mit seinem Werk Social Learning and Social Structure (2009) eine allgemeine Theorie von Kriminalität und Abweichung.

Die Theorie

Die Theorie besteht aus folgenden neun Postulaten:

1. Kriminelles Verhalten ist gelerntes Verhalten (= Ablehnung von biologischem Determinismus, Psychopathie und ökonomischen Erklärungsansätzen)

2. Kriminelles Verhalten wird in Interaktion mit anderen Personen und in einem Kommunikationsprozess gelernt

3. Der Hauptteil des Lernens von kriminellem Verhalten findet innerhalb kleiner persönlicher Gruppen statt (= relativ geringe Bedeutung von Massenmedien)

4. Das Lernen von kriminellem Verhalten umfasst (a) Techniken der Tatbegehung und (b) die spezifische Richtung von Motiven, Antrieben, Rationalisierungen und Einstellungen

5. Das Erlernen der spezifischen Ausrichtung der Motive und Antriebe hängt davon ab, ob die entsprechenden Kontaktgruppen die gesetzlichen Bestimmungen als günstig oder ungünstig definieren

6. Eine Person wird delinquent aufgrund eines Überschusses an Definitionen zugunsten von Rechtsverletzungen im Verhältnis zu Definitionen, die Rechtsverletzungen eher ablehnen (= Kernelement der Theorie. Wenn Personen delinquent werden, dann werden sie dies nicht nur wegen ihrer Kontakte zu delinquenten Mustern, sondern auch, weil sie von antikriminellen Mustern isoliert sind)

7. Differentielle Kontakte können nach Häufigkeit, Dauer, Priorität und Intensität variieren

8. Der Prozess des Lernens von kriminellem Verhalten durch Assoziation mit kriminellen und anti-kriminellen Mustern umfasst alle Mechanismen, die auch bei allem anderen Lernen eine Rolle spielen

9. Während kriminelles Verhalten einen Ausdruck allgemeiner Bedürfnisse und Werte darstellt, vermögen diese es nicht zu erklären, da nicht-kriminelles Verhalten dieselben Bedürfnisse und Werte zum Ausdruck bringt. Diebe stehlen im allgemeinen, um an Geld zu gelangen, aber ehrbare Beschäftigte arbeiten aus demselben Antrieb heraus. Versuche, kriminelles Verhalten mit so allgemeinen Antrieben und Werten zu erklären, waren immer schon und müssen auch vergeblich sein, da sie legales ebenso wie illegales Verhalten erklären. Sie ähneln einer Erklärung von solchen Verhaltensweisen durch die Atmung, die ja auch für alles Verhalten erforderlich ist, die aber nicht die Unterschiedlichkeit zwischen legalem und illegalem Verhalten erklären kann (Sutherland 1974: 75-76).

Kritik

Literatur

  • Akers, Ronald L. (2009) Social Learning and Social Structure: A General Theory of Crime and Deviance. New Brunswick, N.J. : Transaction Publishers.
  • Sutherland, Edwin H. (1939) Principles of criminology. 3. Aufl. Philadelphia: J.B. Lippincott.
  • Sutherland, Edwin H. (1947) Principles of criminology. 4. Aufl. Philadelphia: J.B. Lippincott.


Weblinks

  • Edwin H. Sutherland. Differential Association Theory. Florida State University [1]
  • Differentielle Assoziation und soziale Lerntheorie. In: PPT Kriminologische Theorien im Überblick (Enzmann) [2]