Dietrich Bonhoeffer

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Bundesarchiv Bild 146-1987-074-16, Dietrich Bonhoeffer

Der liberale evangelische Theologe Dietrich Bonhoeffer (* 4. Februar 1906 in Breslau; † 9. April 1945 im KZ Flossenbürg) nahm als Angehöriger der "Bekennenden Kirche" frühzeitig Stellung gegen die regimetreuen "Deutschen Christen" und die Judenpolitik des NS-Staats. Er schloss sich schon vor 1939 dem Widerstand an, erhielt 1940 Rede- und 1941 Schreibverbot, wurde 1943 verhaftet und vier Wochen vor Kriegsende hingerichtet.

Bonhoeffer wuchs in Breslau und Berlin in einer großbürgerlichen Familie auf. Die Mutter unterrichtete die Kinder in den ersten Jahren zu Hause und sorgte für eine christliche Erziehung, während der Vater, der Psychiater und Neurologe Karl Bonhoeffer, sich von Fragen der Religion fernhielt. Zwei von Bonhoeffers Vettern - Arvid und Falk Harnack - gingen ebenfalls in den Widerstand.

Im Laufe seines Studiums in Tübingen, Rom und Berlin wandte sich Bonhoeffer der liberalen (Adolf von Harnack) und der dialektischen (Karl Barth) Theologie zu. Er war Vikar in Barcelona (1928), Assistent in Berlin (1929) und 1930 Stipendiat in New York (Harlem) und begann sich mit Fragen von Krieg und Frieden sowie mit dem Verhältnis von Religion und Politik auseinanderzusetzen.

Der im November 1931 zum Pfarrer ordinierte Bonhoeffer hielt im Wintersemester 1931/32 seine ersten Lehrveranstaltungen, wobei er seine damals zum Nationalsozialismus tendierenden Studierenden mit klaren und unzeitgemäß kriegs- und politikkritischen Aussagen überraschte. An den Wochenenden zog Bonhoeffer zum Meditieren und Diskutieren mit seinen Studenten häufig in eine märkische Jugendherberge und kaufte 1932 eigens dafür eine Hütte in Biesenthal am Rand Berlins. Aus diesem zwanglosen „Bonhoefferkreis“ junger Theologen gingen ab 1933 Mitstreiter im Kirchenkampf und ökumenische Delegationen hervor.

Die Machtergreifung sah Bonhoeffer als Katastrophe. Am 1. Februar 1933 hielt er einen im Laufe der Übertragung dann abgebrochenen Radiovortrag über „Wandlungen des Führerbegriffes“, in dem er eine Begrenzung der totalen Machtfülle des Kanzleramtes durch rechtsstaatliche Ordnung und Volkswohl verlangte: "Der Führer wird sich dieser klaren Begrenzung seiner Autorität verantwortlich bewußt sein müssen. Versteht er seine Funktion anders, als sie so in der Sache begründet ist […] läßt er sich vom Geführten dazu hinreißen, dessen Idol darstellen zu wollen – und der Geführte wird das immer von ihm erhoffen – dann gleitet das Bild des Führers über in das des Verführers, dann handelt er verbrecherisch am Geführten wie an sich selbst."

Durch seinen engen Freund und Mitpfarrer Franz Hildebrandt und seinen Schwager Gerhard Leibholz, beide jüdischer Herkunft, erlebte Bonhoeffer die Folgen der nationalsozialistischen Judenverfolgung von Beginn an mit. Er hatte schon 1932 in einer Predigt gesagt: „Dann müssen wir uns nicht wundern, wenn auch für unsere Kirche wieder Zeiten kommen werden, wo Märtyrerblut gefordert werden wird."

Bonhoeffer versuchte sofort, über seinen Freund Paul Lehmann in den USA den Chief-Rabbi von New York über den sogenannten Judenboykott am 1. April 1933 zu informieren. Er begann den Aufsatz „Die Kirche vor der Judenfrage“, ergänzte ihn nach dem am 7. April 1933 erlassenen Arierparagraphen bis zum 15. April und trug ihn dann einem Pfarrerkreis vor. Im Juni ließ er den Aufsatz noch rechtzeitig vor Zensurmaßnahmen des NS-Regimes drucken. Er thematisierte damit als erster evangelischer Theologe neben Heinrich Vogel („Kreuz und Hakenkreuz“, 27. April 1933) das Verhältnis der NS-Rassenideologie zum christlichen Glauben. Dabei nahm er zur Abschaffung des Rechtsstaats durch die Gleichschaltungspolitik Stellung und formulierte drei Aufgaben für die Kirche: „1. Die Kirche hat den Staat zu fragen, ob sein Handeln von ihm als legitim staatliches Handeln verantwortet werden könne … 2. Die Kirche ist den Opfern jeder Gesellschaftsordnung in unbedingter Weise verpflichtet, auch wenn sie nicht der christlichen Gemeinde zugehören … 3. Wenn die Kirche den Staat ein Zuviel oder ein Zuwenig an Ordnung und Recht ausüben sieht, kommt sie in die Lage, nicht nur die Opfer unter dem Rad zu verbinden, sondern dem Rad selbst in die Speichen zu fallen.“ Ob und wann ein direktes kirchliches Widerstandsrecht gegen diesen Staat gegeben sei, wollte er jedoch nicht den Einzelnen, sondern ein „evangelisches Konzil“ entscheiden lassen. Doch dieser Gedanke war seinen lutherisch geprägten Hörern ebenso fremd wie die unter Umständen zu politischem Widerstand für die Juden nötige Christusnachfolge. Als Bonhoeffer später erkannte, dass er mit diesen Positionen auch in der Bekennenden Kirche isoliert blieb, entschied er sich eigenverantwortlich für seine individuelle Teilnahme am nicht-kirchlichen, militärischen Widerstand gegen das NS-Regime.

Als die Mehrheit der Deutschen Christen sich dem Regime Mitte 1933 unterwarf, bemühte sich Bonhoeffer um die Bildung einer effektiven Opposition, schlug vergeblich einen Beerdigungsstreik bis zur Rücknahme staatlicher Übergriffe und später ebenso vergeblich den Austritt aus der zum Staatsanhängsel gewordenen Deutschen Evangelischen Kirche vor. Daraufhin gründete er mit Martin Niemöller und anderen den Pfarrernotbund zum Schutz der bedrohten Amtsbrüder jüdischer Herkunft, aus dem dann die Bekennende Kirche entstand. Vor der Wahl der NS-Marionette Ludwig Müller zum Reichsbischof am 27. September 1933 entwarf er ein deutlich formuliertes Flugblatt „Der Arierparagraph in der Kirche“, das er mit Freunden nachts als Protestplakat an Bäume und Laternen anheftete. Dann nahm er ein Angebot vom Juli 1933 an, für eine Zeit ins Ausland zu gehen: ab 17. Oktober 1933 war er Pfarrer im südlichen Londoner Vorort Forest Hill für zwei deutschsprachige Kirchengemeinden. Karl Barth gegenüber begründete er seinen Schritt mit seiner Isolierung innerhalb der deutschen Protestanten. Er wolle Abstand gewinnen, um später umso konzentrierter eingreifen zu können. Barth antwortete: „Sie müßten jetzt alle noch so interessanten denkerischen Schnörkel und Sondererwägungen fallen lassen und nur das eine bedenken, daß Sie ein Deutscher sind, daß das Haus Ihrer Kirche brennt, daß Sie genug wissen und, was Sie wissen, gut genug zu sagen wissen, um zur Hilfe befähigt zu sein, und daß Sie im Grunde mit dem nächsten Schiff auf Ihren Posten zurückkehren müssten!“

Gefördert durch Bonhoeffers Engagement trat die anglikanische Kirche offen gegen die Deutschen Christen auf und forderten den Rücktritt von Ludwig Müller. Am 31. Mai 1934 gründete sich die Bekennende Kirche, indem eine Versammlung evangelischer Christen die von Karl Barth verfasste Barmer Theologische Erklärung nach einem erklärenden Referat von Hans Asmussen einstimmig annahm und einen Reichsbruderrat wählte.

Am 15. April 1935 kehrte Bonhoeffer nach Deutschland zurück, nachdem er kurzzeitig eine Indienreise zu Mahatma Gandhi erwogen hatte. Er übernahm für die Bekennende Kirche die Ausbildung angehender Pastoren im Predigerseminar Zingsthof, das im Juni nach Finkenwalde in Pommern umzog. Einer seiner ersten Studenten dort war Eberhard Bethge, sein enger Freund, späterer Briefpartner und Biograf. Im Rahmen dieser Lehrtätigkeit entstand das Buch „Nachfolge“, das Karl Barth nach dem Kriege als das mit „Abstand Beste, was dazu geschrieben ist“, bezeichnete. Hier entwickelte Bonhoeffer seine Vorstellung davon, dass Kirche nicht nur Gemeinschaft von Seelen, nicht nur Verkündigung, sondern vor allem auch realer Leib Christi auf Erden sei. Dies schließe eine echte, lebendige Nachfolge Christi ein, ungeachtet der Kosten, die das für den Einzelnen habe („teure Gnade“). 1937 schloss der NS-Staat das Predigerseminar, das nun illegal weitergeführt und als „Sammelvikariat“ von mutigen Superintendenten und Pfarrern gedeckt wurde. Bonhoeffer war offiziell als Hilfsprediger in Schlawe tätig, führte aber die getarnte Vikarausbildung für die Bekennende Kirche in Köslin und Groß Schlönwitz, später im Sigurdshof weiter, bis im März 1940 auch hier die Gestapo eingriff.

1938 entschloss sich das Ehepaar Gerhard und Sabine Leibholz, Bonhoeffers Zwillingsschwester, wegen der weiter verschärften Judengesetzgebung nach England zu emigrieren. Bonhoeffer nutzte seine Verbindungen dorthin, damit Leibholz als Berater von Bischof George Bell tätig werden konnte. Es ergaben sich über seinen Schwager Hans von Dohnanyi erste Kontakte zu Wilhelm Canaris, Hans Oster, Karl Sack und Ludwig Beck. In dieser Zeit versuchte Bonhoeffer die christlichen Kirchen in der Ökumenischen Bewegung zum Einsatz gegen die laufenden Kriegsvorbereitungen der Nationalsozialisten zu bewegen. Aufgrund dieser Aktivitäten lernte er hohe kirchliche Würdenträger in ganz Europa kennen. Am 10. März 1939 brach er zu Gesprächen u. a. mit George Bell nach London auf, wo er erneut für eine Anerkennung der Bekennenden Kirche durch den Vorläufigen Weltrat der Kirchen warb. Trotz Sympathien konnte er nichts Grundlegendes erreichen und kehrte Mitte April nach Deutschland zurück. Am 2. Juni folgte er einer zweiten Einladung in die USA, schlug aber bereits am 20. Juni die Bitte seines Gastgebers Smith-Leiper aus, einen Lehrstuhl in Harlem zu übernehmen und damit wie viele andere deutsche Intellektuelle das amerikanische Exil anzutreten, da er seine Rolle im heraufziehenden Krieg im Widerstand in der Heimat sah.

Auf der Rückreise besuchte er seine Schwester und deren Familie in London. Hier erfuhr er von der Ermordung des Pfarrers der Bekennenden Kirche Paul Schneider im KZ Buchenwald. Seinen Nichten Marianne und Christiane gegenüber betonte er, Schneider sei der erste Märtyrer der evangelischen Kirche im Dritten Reich, dessen Namen sie sich gut merken sollten. Bonhoeffer kam am 27. Juli wieder nach Berlin, nahm im Herbst seine Tätigkeit auf dem Sigurdshof wieder auf und suchte nun Kontakte zur Spionageabwehr im Stab des Oberkommandos der Wehrmacht unter Admiral Canaris.

Nachdem die Gestapo am 17. März 1940 das letzte Sammelvikariat auf dem Sigurdshof schloss und am 14. Juli eine von Bonhoeffer geleitete Freizeit polizeilich auflöste, führte er Gespräche mit Hans Oster und Hans von Dohnanyi über eine „Unabkömmlichstellung“ für Abwehraufträge. Er sollte seine ökumenischen Kontakte für die Verschwörer nutzen, um mit den Alliierten Verhandlungen einzuleiten. Bonhoeffer war also nicht an der Planung von Hitlerattentaten beteiligt, sondern diente als Verbindungsmann, offiziell im Auftrag der Abwehr. Am 22. August 1940 erhielt er „wegen seiner volkszersetzenden Tätigkeit“ Redeverbot „für das gesamte Reichsgebiet“, im März 1941 ein entsprechendes Schreibverbot.

In seinem Elternhaus trafen sich einige Gegner des NS-Regimes mit zum Teil hohen Positionen in der Abwehr oder der Wehrmacht, die Hitler durch ein Attentat töten wollten. Bonhoeffer schloss sich diesem Widerstandskreis an. Die Frage des Tyrannenmordes, die Bonhoeffer für diesen konkreten Fall mit einem eindeutigen Ja beantwortete, ist theologisch-ethisch reflektiert in seinem unvollendeten Hauptwerk, der Ethik, die parallel zu seinem Engagement im militärisch-politischen Widerstand von 1940 bis zur Verhaftung im April 1943 entstand.

Am 30. Oktober wurde Bonhoeffer der Abwehrstelle München zugeordnet, stand also im Dienst des NS-Staates – bei gleichzeitigem Redeverbot und ab März 1941 auch Schreib- und Veröffentlichungsverbot. Ab dem 17. November hielt er sich im Benediktiner-Kloster Ettal auf.

1941/42 unternahm er – u. a. mit Helmuth von Moltke für die deutsche Spionageabwehr und zugleich den internen Widerstandskreis – Reisen nach Norwegen, Schweden und in die Schweiz. In Sigtuna und Stockholm traf er am 31. Mai/1. Juni 1942 mit George Bell zusammen und übergab ihm geheime Dokumente über den Kreis der Widerständler und ihre Ziele für die britische Regierung. Damit verbunden war die Bitte um eine öffentliche Erklärung der Alliierten, zwischen Deutschen und Nazis nach Kriegsende zu unterscheiden. Der britische Außenminister Anthony Eden ließ Bell jedoch wissen, dass eine Unterstützung des Widerstands oder auch nur eine Antwort nicht im nationalen Interesse Großbritanniens liege.

Mitte Januar 1943 verlobte Bonhoeffer sich mit Maria von Wedemeyer (* 1924; † 1977), der Tochter eines pommerschen Gutsbesitzers, Schwester eines ehemaligen Konfirmanden und Enkelin seiner Gönnerin und Förderin noch aus der Zeit der Predigerseminare und Sammelvikariate, Ruth von Kleist-Retzow.

Haftzeit und Hinrichtung (1943–1945)

Am 13. und 21. März 1943 verübten Angehörige der Gruppe um Canaris, Oster und Klaus Bonhoeffer Anschläge auf Adolf Hitler, die fehlschlugen. Am 5. April wurde Dietrich Bonhoeffer gleichzeitig mit seinem Schwager Hans von Dohnanyi wegen „Wehrkraftzersetzung“ verhaftet und im Untersuchungsgefängnis der Wehrmacht in Tegel gefangen gehalten. Im September 1943 wurde Anklage erhoben; die Anklageschrift wurde erst 1991 im Militärhistorischen Archiv Prag wieder aufgefunden. Das gegen Bonhoeffer eingeleitete Strafverfahren vor dem Reichskriegsgericht wurde zunächst von höheren Beamten mit Verbindungen zu Widerstandskreisen, z.B. Karl Sack, nach Kräften aufgehalten. Nach dem Anschlag auf Hitler vom 20. Juli 1944 wurde Bonhoeffer von der Gestapo verhört, doch man konnte ihm keine Mitbeteiligung daran nachweisen. Der Fund der so genannten Zossener Akten durch die Gestapo, in welchen unter der Ägide Hans von Dohnanyis die Greueltaten des NS-Regimes zur späteren Rechtfertigung der Widerständler und Aufklärung der Bevölkerung sowie der Alliierten akribisch verzeichnet waren, im Frühherbst 1944 führte zu einer dramatischen Wendung im Fall Bonhoeffer sowie im Fall von Dohnanyi. Aus Sorge um seine Familie verzichtete Bonhoeffer am 5. Oktober auf eine bereits vorbereitete Flucht; er befürchtete Sippenhaftung. Am 8. Oktober 1944 überstellte ihn die Gestapo in den Keller ihrer damaligen Zentrale in der Prinz-Albrecht-Straße 8.

Am 17. Januar 1945 schrieb Bonhoeffer den letzten Brief an seine Eltern. Am 7. Februar wurde er in das KZ Buchenwald verlegt, wo er den britischen Mitgefangenen Payne Best kennenlernte. Am 5. April 1945 ordnete Adolf Hitler die Hinrichtung aller noch nicht exekutierten „Verschwörer“ des 20. Juli 1944 an und damit auch die Dietrich Bonhoeffers. Ein SS-Gericht, oft fälschlich als Standgericht bezeichnet, verurteilte ihn zusammen mit Wilhelm Canaris, Hans Oster, Karl Sack und Ludwig Gehre am 8. April 1945 zum Tode durch den Strang. Der Prozess war ein Scheinprozess unter dem Vorsitz von Otto Thorbeck, Inhaber der Chefrichterstelle beim SS- und Polizeigericht in München. Beisitzer waren der Kommandant des KZ Flossenbürg Max Koegel und eine weitere unbekannte Person. Verteidiger waren nicht anwesend, Zeugen wurden nicht vernommen. Die Verhandlung fand ohne Protokollführer statt; eine neue Akte wurde nicht angelegt. Die Prozessakten gegen Bonhoeffer, die bei einem Bombenangriff auf Berlin verbrannt waren, lagen nicht vor. Ankläger war Walter Huppenkothen, der zuvor bereits in einem Standgericht Hans von Dohnanyi, den Schwager Dietrich Bonhoeffers, zum Tode verurteilen ließ. Huppenkothen und Thorbeck wurden 1956 wegen des Flossenbürgverfahrens vom BGH wegen Beihilfe zum Mord verurteilt.

Bonhoeffer wurde am 8. April zur Hinrichtung in das KZ Flossenbürg überführt. Er wurde in der Morgendämmerung des 9. April 1945 zum Tod durch Erhängen geführt. Die zur Hinrichtung Bestimmten mussten sich völlig entkleiden und nackt zum Galgen gehen.

Der Lagerarzt Dr. H. Fischer-Hüllstrung, der die Szene beobachtete, berichtete 1955 schriftlich darüber: Bonhoeffer, den er damals nicht gekannt habe, habe ruhig und gesammelt gewirkt, sich von allen Mithäftlingen verabschiedet, an der Richtstätte ein kurzes Gebet gesprochen, sei gefasst zum Galgen gegangen und in wenigen Sekunden gestorben.

Der dänische Bonhoeffer-Forscher J. Glenthoj bezweifelt die Richtigkeit der Aussage des Lagerarztes. Glenthoj publizierte 1993 das Zeugnis des Flossenbürger Häftlings J.L.F. Mogensen, "dass die Mitglieder des Abwehramtes Canaris in einer langwierigigen Prozedur erhängt worden sind, ob durch einen elastischen Galgen oder durch Klaviersaiten. Es ist davon auszugehen, dass der Lagerarzt gelogen hat und die Ermordung auf eine grausame und perfide Weise durchgeführt wurde" (Feil 2011).

Aufarbeitung

Justiz

Am 15. September 1945 erstattete Adolf Grimme, der zur Roten Kapelle gehört hatte, Anzeige gegen den NS-Richter Manfred Roeder wegen Beteiligung an den Urteilen gegen Dietrich Bonhoeffer, Hans von Dohnanyi und 49 Mitglieder der Roten Kapelle. Das Verfahren wurde jedoch – sehr umstritten – eingestellt.

Das Todesurteil gegen Bonhoeffer und andere Widerstandskämpfer galt bis in die 1990er Jahre als wirksam, so dass seinen Verwandten z.B. keine Entschädigungen als Verfolgten des Naziregimes zugesprochen wurden. Erst durch das Gesetz zur Aufhebung nationalsozialistischer Unrechtsurteile in der Strafrechtspflege wurden NS-Unrechtsurteile für nichtig erklärt und damit auch Bonhoeffer formell für unschuldig erklärt.

Er nahm die Konsequenz seines Widerstands, den Tod als Rechtsbrecher im Sinne des Staatsgesetzes, bewusst an. Er sah sich nicht als „unschuldig“, sondern nahm seinen Tod als Folge seines Handelns aus Gottes Hand: „Wer das Schwert nimmt, kann (wird) durch das Schwert umkommen.“ (Mt 26,52). Seine „Ethik“ erklärt ausdrücklich, dass ein Christ im Gehorsam gegen Jesus Christus wagen muss, Sünde auf sich zu nehmen: ja dass er in die Lage kommen kann, um der Liebe und Wahrheit willen alle Gebote zu übertreten, lügen, betrügen, stehlen und sogar morden zu müssen.

Wie wenig das in Bonhoeffers Kirche verstanden wurde, zeigt die Tatsache, dass die Berlin-Brandenburgische Landeskirche seinen Namen 1945 in der Kanzelabkündigung zum ersten Jahrestag des 20. Juli 1944 verschwieg. Zudem hieß es in der Empfehlung an die Pfarrer, Christen könnten den Anschlag „niemals gutheißen, in welcher Absicht er auch ausgeführt sein mag. Aber unter denen, die haben leiden müssen, waren Ungezählte, die einen solchen Anschlag niemals gewollt haben.“

Als echter christlicher Märtyrer galt nur Paul Schneider, der im KZ aus der Zelle heraus über den Appellplatz die SS als Mörder angeklagt und ein Bibelwort gerufen hatte, daraufhin an eine völlig überhitzte Heizung gefesselt und von einem SS-Arzt zu Tode gespritzt wurde, der aber – wie man meinte – keinen politischen Widerstand im engeren Sinn des Wortes geübt hatte.

Einige Bielefelder Pastoren protestierten 1948 gegen Straßenbenennungen nach Bonhoeffer, „weil wir die Namen unserer Amtsbrüder, die um ihres Glaubens willen getötet sind, nicht in eine Reihe mit politischen Märtyrern gestellt wissen wollen.“ Darauf antwortete der Vater Karl Bonhoeffer:

„Mein Sohn hätte an sich gewiß nicht den Wunsch gehabt, daß Straßen nach ihm benannt werden. Andererseits bin ich überzeugt, daß es nicht nach seinem Sinn wäre, sich von den aus politischen Gründen ums Leben Gebrachten, mit denen er jahrelang im Gefängnis und KZ zusammen gelebt hat, zu distanzieren.“ Karl Bonhoeffer

Er verzichtete darauf, Einspruch gegen die Straßenbenennung zu erheben.

Im ehemaligen Wohnhaus von Karl Bonhoeffer, in welchem auch Dietrich Bonhoeffer während seiner Aufenthalte in Berlin lebte, richtete die Evangelische Landeskirche Berlin 1987 die Erinnerungs- und Begegnungsstätte Bonhoeffer-Haus ein.

Dietrich Bonhoeffer hatte seine Wahl in voller individueller Verantwortung getroffen, weil die Kirche seiner Zeit nicht zu einem rechtzeitigen Widerstand bereit und fähig gewesen war. In seinen Gefängnisbriefen entwarf er die Vision einer zukünftigen Kirchengestalt ohne staatliche Privilegien an der Seite der Armen und Verfolgten. Während diese Vision in Deutschland und Mitteleuropa weithin unbeachtet blieb, ist sie in den Armuts- und Befreiungsbewegungen der Ökumene außerhalb Europas aufgegriffen und teilweise umgesetzt worden: etwa in Südafrika noch während des Apartheidregimes oder den Basisgemeinden Brasiliens und Mittelamerikas sowie der dort entstandenen Befreiungstheologie. Wesentlich war dafür die Verbindung des „ökumenischen Impetus“ Bonhoeffers mit seinem Verständnis von Diesseitigkeit und Kirche jenseits von „Eigenrotation“.

Bonhoeffers zeitweilige Nähe zu pazifistischen Haltungen wirkte stark in jeweils aktuelle Diskussionen wie die um die Wiederaufrüstung der Bundesrepublik, den 2. Golfkrieg oder den Kosovokrieg. Sein Aufruf zu einem ökumenischen Friedenskonzil motivierte entscheidend den in der Friedensbewegung der 1980er Jahre entstandenen Konziliaren Prozess.

Bereits 1945 gab die Ökumenische Kommission für die Pastoration der Kriegsgefangenen in Genf ein 60-seitiges Heft mit dem Titel Das Zeugnis eines Boten, zum Gedächtnis von Dietrich Bonhoeffer heraus. Darin veröffentlichte der ÖRK die ihm im Mai bekanntgewordene Nachricht von Bonhoeffers Ermordung mit einem kurzen Lebenslauf. Zudem berichtete Willem Adolf Visser ’t Hooft über seine Begegnungen mit Bonhoeffer in London (1939) und Genf (1941) und Fabian von Schlabrendorff über die Zeit Ende 1944 bis Anfang 1945, die sie gemeinsam in Gestapohaft verbrachten. Auf weiteren 40 Seiten werden Auszüge aus Bonhoeffers Schriften und Gedichten veröffentlicht, unter diesen mit dem Titel Neujahr 1945 auch das Gedicht Von guten Mächten.

Theologie

Bonhoeffers Theologie wurde durch die historischen Umstände vorangetrieben und verarbeitete Einflüsse der dialektischen Theologie, des Herrnhuter Pietismus, der lutherischen Tradition, des römischen Katholizismus und des Neoprotestantismus etwa Adolf von Harnacks, Martin Kählers, Rudolf Ottos oder Wilhelm Diltheys. Bonhoeffer verband alttestamentliches Gesetzesdenken und neutestamentliche Christozentrik. Zentrales Thema ist auch die Kirche als Leib Christi, als die Gemeinde der Nachfolger Christi und von Gott zur Solidarität mit der Welt beauftragte Gemeinschaft. Bonhoeffers Theologie ist nach innen gerichtet, trägt mystische Züge, verliert aber nie den Bezug zur Praxis. Dieses weite Spektrum lädt zu sehr unterschiedlichen Interpretationen seines Werkes ein und macht Bonhoeffer zum Kronzeugen durchaus unterschiedlicher theologischer Schulen und Denkrichtungen.

Der Mittelpunkt, um den sich Bonhoeffers Theologie entwickelt, ist Jesus Christus. Von diesem Mittelpunkt her ergänzen und bedingen sich theologisches Nachdenken, spirituelle Tiefe und ethisches Verantwortungsbewusstsein. Das geistliche wie geistige Wahrnehmen der Mitte ist die Grundlage christlicher Existenz. Von diesem Zentrum her erhalten alle Elemente von Bonhoeffers Werk eine Einheit, und es sperrt sich in eine Einordnung in die klassischen Disziplinen evangelischer Universitätstheologie.

Die Religionskritik des 19. Jahrhunderts ist in Bonhoeffers Nachdenken über Christus als dem Grund der Kirche gegenwärtig. In Anspielung auf Ludwig Feuerbach und Adolf von Harnack betitelte er 1928 einen Vortrag Jesus Christus und vom Wesen des Christentums. Darin sah er im Sinn von Karl Barths Dialektischer Theologie Wissen, Moral, Kirche und Religion als vergebliche Wege zu Gott. „Soll Mensch und Gott zusammenkommen, so gibt es nur einen Weg: den Weg Gottes zum Menschen.“ In Jesus wird deutlich, dass Gott dem Menschen in einer bedingungslosen Liebe nachgeht, die „stärker ist als der Tod“ (vgl. Hld 8,6 LUT). Christus könne nicht in einem An-Sich-Sein, sondern nur in seinem Für-Mich-Sein, in gegenseitiger personaler Bezogenheit und nur in der Gemeinde gedacht werden. Bonhoeffer sieht unter Berufung auf das Neue Testament, Paulus und Luther als wichtige Frage der Christologie: „Wer bist du, bist du Gott selbst?“ Die Alte Kirche habe sich dagegen „in die Scylla der ‚Wie-Frage‘“, die moderne Theologie in die „Charybdis der ‚Daß-Frage‘“ verwirrt. Jesus Christus könne nur als Mensch gegenwärtig sein, jedoch nur als Gott „ewig anwesend, ewig gleichzeitig“ sein.

Christ-Sein besteht im Beten und im Tun des Gerechten unter den Menschen, denn Menschwerdung und Kreuz begründen eine umfassende Liebe zur Welt. In einem Brief an Theodor Litt heißt es 1939:

„Allein weil Gott ein armer, elender, unbekannter, erfolgloser Mensch wurde, und weil Gott sich von nun an allein in dieser Armut, im Kreuz, finden lassen will, darum kommen wir von dem Menschen und von der Welt nicht los, darum lieben wir die Brüder.“

Diese christozentrische Perspektive bringt Bonhoeffer im 1940 begonnenen Fragment seiner „Ethik“ dazu, das jahrhundertelang vorherrschende Denkmodell der Zwei-Reiche-Lehre abzulehnen: Hier Kirche, da die Welt; hier Evangelium, da Gesetz. Er konstatiert dagegen: „Je ausschließlicher wir Christus als den Herrn bekennen, desto mehr enthüllt sich die Weite seines Herrschaftsbereiches. […] Die Welt gehört zu Christus und nur in Christus ist sie, was sie ist. Sie braucht darum nichts geringeres als Christus selbst. Alles wäre verdorben, wollte man Christus für die Kirche aufbewahren, während man der Welt nur irgendein, vielleicht christliches, Gesetz gönnt. […] Seit Gott in Christus Fleisch wurde und in die Welt einging, ist es uns verboten, zwei Räume, zwei Wirklichkeiten zu behaupten: Es gibt nur diese eine Welt.“

Bonhoeffer betonte jedoch seine Übereinstimmung mit Martin Luther: „Seine [sc. des Christen] Gehorsamspflicht bindet ihn solange, bis die Obrigkeit ihn direkt zum Verstoß gegen das göttliche Gebot zwingt.“ Diese Einschränkung hatte Luther mit Hinweis auf Apg 5,29 EU auch gemacht. Bonhoeffer sah eine klare Trennung zwischen Welt und Gemeinde, betonte aber immer wieder den Auftrag der Gemeinde, der Welt Christus zu verkündigen, der nicht nur für die Gemeinde, sondern für die ganze Welt starb: „Sie [die Welt] steht mit der Gemeinde im Kampf auf Leben und Tod. Dennoch ist es der Auftrag und das Wesen der Gemeinde, gerade dieser Welt ihre Versöhnung mit Gott zuzusprechen und ihr die Wirklichkeit der Liebe Gottes zu enthüllen, gegen die sie blind wütet“, so Bonhoeffer in seiner Ethik und genauso auch in seiner Nachfolge: „Es ist eine kleine Gemeinde, die er gefunden hat, und es ist eine große Gemeinde, die er sucht, wenn er das Volk ansieht. Jünger und Volk, sie gehören zusammen, die Jünger werden seine Boten sein, sie werden auch hier und dort Hörer und Gläubige finden. Und doch, es wird eine Feindschaft bis ans Ende zwischen ihnen sein.“

Ein Christ kann somit gleichzeitig in der Realität Gottes und der Welt leben. Die jetzige Welt ist von ihrem herabgeminderten Status des Vorläufigen befreit. Das „Vorletzte“ ist „Hülle des Letzten“, die letzten Dinge zeigen sich in der Geschichte, und diese ist offen für die Möglichkeiten des Reiches Gottes. Wenn dem so ist, kommt der gläubige Mensch nur durch die Welt zu Gott, nicht an der Welt vorbei. Auch hier bricht Bonhoeffer mit alten theologischen Mustern, die den Wert des Natürlichen und die Eigenständigkeit des Diesseitigen abqualifizieren. So kann Bonhoeffer auch den Kritikern wie Ludwig Feuerbach, Karl Marx oder Sigmund Freud etwas entgegensetzen, die den christlichen Glauben als illusionär und auf ein Jenseits vertröstend kritisierten.

Auch wenn Bonhoeffer individuelle Frömmigkeit und ethisches Handeln des Einzelnen bedenkt, tut er das vor dem Hintergrund des Eingebettet-Seins des Einzelnen in die christliche Gemeinschaft. Theologie ist für ihn betendes Denken, Denken auf Knien innerhalb der Kirche. An der vorfindlichen Kirche leidet er und ist mit ihr solidarisch. In Anlehnung an Hegels Wort „Gott als Gemeinde existierend“ spricht Bonhoeffer von „Christus als Gemeinde existierend“: Gott tritt in seiner Offenbarung aus sich heraus, er ist nicht frei vom Menschen, sondern frei für den Menschen. Kirche ist gleichwohl „Offenbarungsform“ wie auch „ein Stück Welt“ (Dissertation Sanctorum Communio). 1931 schreibt er in seiner Habilitation Akt und Sein: „Gott ist da; d.h. nicht in ewiger Nichtgegenständlichkeit, sondern – mit aller Vorläufigkeit ausgedrückt –, habbar‘, fassbar in seinem Wort in der Kirche.“ So wie „Christus der Mensch für andere ist“, folgt für Bonhoeffer daraus: „Die Kirche ist nur Kirche, wenn sie für andere da ist“. Seiner Kirche hält er dagegen 1944 vor, sie habe „in diesen Jahren nur um ihre Selbsterhaltung gekämpft […], als wäre sie ein Selbstzweck“.

Da der einzelne Christ und die Gemeinschaft der Glaubenden in die Welt gestellt sind, können sie Entscheidungen in konkreten persönlichen und historischen Situationen nicht ausweichen. Bonhoeffer kritisiert eine Ableitung von Normen aus abstrakten Prinzipien:

„Die Kirche darf also keine Prinzipien verkündigen, die immer wahr sind, sondern nur Gebote, die heute wahr sind. Denn, was ‚immer‘ wahr ist, ist gerade heute nicht wahr. Gott ist uns ‚immer‘ gerade ‚heute‘ Gott.“ Nur so kann sich die Fülle des Lebens, die Jesu Botschaft verspricht, erschließen. Die Rechtfertigung des Sünders allein aus Glauben gibt Freiheit des Handelns. Das Wissen, sich durch Tun, aber auch durch Unterlassen schuldig machen zu können, führt nur dann nicht zur Verzweiflung, wenn sich der glaubende Mensch und auch die Gemeinde der „teuren Gnade“ Gottes gewiss sein können. Diese muss nicht durch Nachfolge verdient werden, hat aber Konsequenzen in der Nachfolge. In der 1937 fertiggestellten Nachfolge sieht Bonhoeffer den Zusammenbruch der organisierten Kirchen als eine Folge der zu „billig“ erworbenen Gnade und zieht eine negative Bilanz des Volkskirchentums: „Man gab die Verkündigung und die Sakramente billig, man taufte, man konfirmierte, man absolvierte ein ganzes Volk, ungefragt und bedingungslos. […] man spendete Gnadenströme ohne Ende, aber der Ruf in die strenge Nachfolge Christi wurde seltener gehört.“

Als junger Theologe akzeptierte Bonhoeffer noch den Krieg als notwendiges Übel. Für den Fall eines Verteidigungskriegs berief er sich 1929 − entgegen seinem situationsorientierten Ansatz − zur Lösung des Konfliktes zwischen Nächsten- und Feindesliebe auf eine Schöpfungsordnung: „Gott hat mich meiner Mutter, meinem Volke gegeben; was ich habe, danke ich diesem Volk; was ich bin, bin ich durch mein Volk, so soll auch was ich habe ihm wieder gehören, das ist göttliche Ordnung, denn Gott schuf die Völker.“ Bis 1934 vollzog er jedoch eine „Wendung des Theologen zum Christen“ (E. Bethge) und hin zum Pazifismus. Eine Beschäftigung 1931 mit Psalm 119 EU, dem Liebeslied an das Gesetz, und der Bergpredigt empfand Bonhoeffer als Schlüsselerlebnis. Dadurch wurden Gehorsam und Jüngerschaft zentrale persönliche und theologische Themen.

Während der internationalen Jugend-Friedenskonferenz in Ciernoborské Kúpele (Tschechoslowakei) 1932 wies er noch eine Begründung aus der Bergpredigt zurück, da diese nicht als Gesetz missverstanden werden dürfe. Ebenfalls ersetzte er den Begriff der Schöpfungsordnung durch den einer „Erhaltungsordnung“: Ordnungen der Welt sind nur erhaltenswert, wenn sie die Sünde aufzuhalten und „dem Evangelium den Weg offen zu halten vermögen.“ Eine internationale Friedensordnung sei daher kein „Stück des Reiches Gottes“, sondern pragmatisch-historisch notwendig, da der gegenwärtige Krieg „die sichere Selbstvernichtung beider Kämpfenden“ beinhalte. Um ohne Lüge zu sprechen und gehört zu werden, müssten die Kirchen ihre Zerrissenheit überwinden. Sie sollten die „Idealisierung und Vergötzung“ verweigern, derer der Krieg „bedarf, um leben zu können“. Rechtfertigung des Kampfes bedeute kein Ja zum Krieg: „Dort, wo eine Gemeinschaft des Friedens Wahrheit und Recht gefährdet oder erstickt, muß die Friedensgemeinschaft zerbrochen und der Kampf angesagt werden.“

Auf der Jugendkonferenz in Fanö 1934 war Bonhoeffers Begründung seiner Friedensethik dagegen deutlich „christlicher“: Der „Gott der Bergpredigt“ habe schon immer die Übertretung des Gebotes „Du sollst nicht töten“ gerichtet. Er zitierte im Blick auf die Rüstungsanstrengungen der Nationalsozialisten und Abrüstungsappelle des Völkerbundes Mahatma Gandhi: „Es gibt keinen Weg zum Frieden – Frieden ist der Weg.“ Bonhoeffer plädiert für „Frieden statt Sicherheit“, vertraut selbst im Fall eines militärischen Angriffs auf den Gott der Geschichte und glaubt an die Wirkung gewaltfreien Widerstands: „Wer von uns darf denn sagen, daß er wüsste, was es für die Welt bedeuten könnte, wenn ein Volk – statt mit der Waffe in der Hand – betend und wehrlos und darum gerade bewaffnet mit der allein guten Wehr und Waffen den Angreifer empfinge?“ Er sieht die Änderung politischer Zustände nicht mehr als Sache der Welt an, sieht kaum Chancen für politische Vernunft. Über die Verkündigung des Friedensgebots hinaus sollten die Kirchen daher sofort mit der Realisierung der Friedensethik beginnen.

„Nur das eine große ökumenische Konzil der Heiligen Kirche Christi aus aller Welt kann es so sagen, daß die Welt zähneknirschend das Wort vom Frieden vernehmen muß und daß die Völker froh werden, weil diese Kirche Christi ihren Söhnen im Namen Christi die Waffen aus der Hand nimmt und ihnen den Krieg verbietet und den Frieden Christi ausruft über die rasende Welt … Die Stunde eilt, die Welt starrt in Waffen … die Kriegsfanfare kann morgen geblasen werden – worauf warten wir noch? Wollen wir selbst mitschuldig werden, wie nie zuvor?“

In Bonhoeffers Ethik findet sich ein an den Zehn Geboten orientiertes stellvertretendes Schuldbekenntnis für das Versagen der Bekennenden Kirche gegenüber der Judenverfolgung seit 1933, das nach 1945 bis heute von den deutschen Kirchen so nicht nachgesprochen wurde: „Das Bekenntnis der Schuld geschieht ohne Seitenblick auf die Mitschuldigen. Es ist streng exklusiv, indem es alle Schuld auf sich nimmt. […] durch nichts anderes bezwingt uns Christus stärker als dadurch, daß er unsere Schuld bedingungslos und vollständig auf sich nahm, sich für schuldig erklärte an unserer Schuld und uns frei ausgehen ließ. Der Blick auf diese Gnade Christi befreit gänzlich vom Blick auf die Schuld der anderen […] Mit diesem Bekenntnis fällt die ganze Schuld der Welt auf die Kirche, auf die Christen, und indem sie hier nicht geleugnet, sondern bekannt wird, tut sich die Möglichkeit der Vergebung auf. Es ist zunächst die ganz persönliche Schuld des Einzelnen, die hier als vergiftende Quelle der Gemeinschaft erkannt wird. […] Ich bin schuldig des ungeordneten Begehrens, ich bin schuldig des feigen Verstummens, wo ich hätte reden sollen, ich bin schuldig der Heuchelei und der Unwahrhaftigkeit angesichts der Gewalt, ich bin schuldig der Unbarmherzigkeit und der Verleugnung der Ärmsten meiner Brüder, ich bin schuldig der Untreue und des Abfalls von Christus. […] Diese vielen Einzelnen schließen sich ja zusammen in dem Gesamt-Ich der Kirche. In ihnen und durch sie erkennt die Kirche ihre Schuld. Die Kirche bekennt, ihre Verkündigung von dem einen Gott, der sich in Jesus Christus für alle Zeiten offenbart hat und der keine anderen Götter neben sich leidet, nicht offen und deutlich genug ausgerichtet zu haben. […] Sie hat dadurch den Ausgestoßenen und Verachteten die schuldige Barmherzigkeit oftmals verweigert. Sie war stumm, wo sie hätte schreien müssen, weil das Blut der Unschuldigen zum Himmel schrie. […] Die Kirche bekennt, die willkürliche Anwendung brutaler Gewalt, das leibliche und seelische Leiden unzähliger Unschuldiger, Unterdrückung, Haß und Mord gesehen zu haben, ohne ihre Stimme für sie zu erheben, ohne Wege gefunden zu haben, ihnen zu Hilfe zu eilen. Sie ist schuldig geworden am Leben der schwächsten und wehrlosesten Brüder Jesu Christi. […] Die Kirche bekennt, begehrt zu haben nach Sicherheit, Ruhe, Friede, Besitz, Ehre, auf die sie keinen Anspruch hatte, und so die Begierden der Menschen nicht gezügelt, sondern gefördert zu haben. Die Kirche bekennt sich schuldig des Bruchs aller zehn Gebote, sie bekennt darin ihren Abfall von Christus. […] Durch ihr eigenes Verstummen ist die Kirche schuldig geworden an dem Verlust an verantwortlichem Handeln, an Tapferkeit des Einstehens und der Bereitschaft, für das als recht Erkannte zu leiden. Sie ist schuldig geworden an dem Abfall der Obrigkeit von Christus. Ist das zuviel gesagt? War denn nicht die Kirche nach allen Seiten gehindert und gebunden? Stand nicht die ganze weltliche Gewalt gegen sie? Durfte denn die Kirche ihr Letztes, ihre Gottesdienste, ihr Gemeindeleben gefährden, indem sie den Kampf mit den antichristlichen Gewalten aufnahm? So spricht der Unglaube … Das freie Schuldbekenntnis ist ja nicht etwas, daß man tun oder auch lassen könnte, sondern es ist der Durchbruch der Gestalt Jesu Christi in der Kirche, den die Kirche an sich geschehen läßt oder sie hört auf, Kirche Christi zu sein. […] Indem die Kirche ihre Schuld bekennt, entbindet sie die Menschen nicht von eigenem Schuldbekenntnis, sondern sie ruft sie in die Gemeinschaft des Schuldbekenntnisses hinein. Nur als von Christus gerichtete kann die abgefallene Menschheit vor Christus bestehen. Unter dieses Gericht ruft die Kirche alle, die sie erreicht.“

Als Reaktion auf das gescheiterte Attentat und im Wissen darum, dass seine Lage immer aussichtsloser wurde, verfasste Bonhoeffer im August 1944 das Gedicht Stationen auf dem Wege zur Freiheit. In den vier Strophen Zucht – Tat – Leiden – Tod verbindet es praktischen Einsatz („Nicht das Beliebige, sondern das Rechte tun und wagen, nicht im Möglichen schweben, das Wirkliche tapfer ergreifen“) mit Annahme von Ohnmacht („Nur einen Augenblick berührtest du selig die Freiheit, dann übergabst du sie Gott, damit er sie herrlich vollende.“)

Bereits in einem Brief vom 21. Juli 1944 hatte Bonhoeffer Diesseitigkeit dem Streben nach Heiligkeit entgegengesetzt:

„Wenn man völlig darauf verzichtet hat, aus sich selbst etwas zu machen – sei es einen Heiligen oder einen bekehrten Sünder oder einen Kirchenmann (eine sogenannte priesterliche Gestalt), einen Gerechten oder einen Ungerechten, einen Kranken oder Gesunden – und dies nenne ich Diesseitigkeit, nämlich in der Fülle der Aufgaben, Fragen, Erfolge und Misserfolge, Erfahrungen und Ratlosigkeiten leben, – dann wirft man sich Gott ganz in die Arme, dann nimmt man nicht mehr die eigenen Leiden, sondern das Leiden Gottes in der Welt ernst, dann wacht man mit Christus in Gethsemane, und ich denke, das ist Glaube, das ist metanoia und so wird man ein Mensch, ein Christ.“

Er meinte jedoch keine „platte und banale Diesseitigkeit der Aufgeklärten, der Betriebsamen, der Bequemen oder der Lasziven, sondern die tiefe Diesseitigkeit, die voller Zucht ist, und in der die Erkenntnis des Todes und der Auferstehung immer gegenwärtig ist“.

Der Satz des Gedichts „Nicht in der Flucht der Gedanken, allein in der Tat ist die Freiheit“ wandte sich gegen alle lutherischen, pietistischen und liturgischen Rückzüge aus dem politischen Gottesdienst, wie sie damals etwa die Alpirsbacher und die Berneuchener Bewegung vertraten. In die gleiche Richtung zielt Bonhoeffers lediglich mündlich überlieferter Satz: „Nur wer für die Juden schreit, darf auch gregorianisch singen.“

Dieses persönlich-biografische Gedicht bezog sich auch auf seine eigene Situation als Gefangener und die seiner Familie vor dem unausgesprochenen Hintergrund der NS-Herrschaft und des Krieges. Sein Bruder Klaus sowie die Schwager Hans von Dohnanyi und Rüdiger Schleicher waren inhaftiert, Bruder Walter war gefallen, seine Zwillingsschwester Sabine war mit ihrem jüdischen Mann Gerhard Leibholz ins Ausland gegangen. So schrieb Bonhoeffer in einem Begleitbrief zum Gedichttext an seine Verlobte:

„So habe ich mich noch keinen Augenblick allein und verlassen gefühlt. Du und die Eltern, Ihr alle, die Freunde und Schüler im Feld, Ihr seid immer ganz gegenwärtig. […] Wenn es im alten Kinderlied von den Engeln heißt: zweie, die mich decken, zweie, die mich wecken, so ist diese Bewahrung am Abend und am Morgen durch gute unsichtbare Mächte etwas, was wir Erwachsene heute nicht weniger brauchen als die Kinder.“

Den Bezug der Theologie auf Diesseitigkeit und konkretes Handeln radikalisiert Bonhoeffer in der Haft in Tegel, zum ersten Mal dokumentiert in einem Brief an Eberhard Bethge vom 30. April 1944. Darin und in weiteren erhaltenen Briefen skizziert er das Programm einer nichtreligiösen Interpretation biblischer Begriffe und der weltlichen Rede von Gott.

Glauben an Gott gibt es, so Bonhoeffer, nur im Diesseits. Der pure „Jenseits-Gott“ ist das Wesenskonstitutive der „Religion“. Die Bedeutung einer solchen Religion sieht er in seiner Zeit dramatisch schwinden und analysiert, die Zeit der Innerlichkeit, des Gewissens und der klassischen Metaphysik sei vorbei. Er beobachtet auch bei seinen Mitgefangenen, dass der Krieg im Gegensatz zu früheren keine große religiöse Reaktion hervorgerufen hat, den autonomen Menschen lehrt selbst Not nicht mehr beten. Allgemein habe es die Geschichte der Wissenschaft und menschlicher Emanzipation unredlich werden lassen, Gott als Lückenbüßer an den Grenzen der Erkenntnis, in menschlicher (aufzudeckender) Schwäche oder Sünde zu sehen. Bonhoeffer kritisiert es, diese Grenzen auszunutzen, um ängstlich Raum für Gott auszusparen. Ein solcher Gottesbegriff ist für den mündigen Menschen sinnlos geworden, und selbst Tod und Sünde sind keine echten Grenzen mehr bzw. diese werden nicht verstanden.

Gegen eine solche defensive Haltung innerhalb der Kirchen setzt Bonhoeffer auf die zentrale Botschaft des Evangeliums und die Kraft des Glaubens, den er in der Tradition Karl Barths von Religion abgrenzt. „Gott ist mitten in unserem Leben jenseitig. Die Kirche steht nicht dort, wo das menschliche Vermögen versagt, an den Grenzen, sondern mitten im Dorf.“ Dies sieht er auch als eine Rückbesinnung auf das Alte Testament, auf den Glauben an einen Gott, der sich in der Geschichte und in einer Gemeinschaft zeigt.

Bereits in seiner Dissertation 1930 hatte Bonhoeffer die Kirchenferne des Bürgertums diagnostiziert, eine leere Religiosität innerhalb der Kirche kritisiert und diese zu mehr Ernsthaftigkeit aufgefordert.[3] 1932 sagte er nach dem Regierungswechsel zu Franz von Papen : „Nicht das ist Ungehorsam, daß wir so wenig religiös sind, sondern daß wir eigentlich ganz gern religiös wären …, sehr beruhigt darüber, wenn irgendeine Regierung die christliche Weltanschauung proklamiert … je frömmer wir sind, umso weniger [lassen] wir [es] uns sagen, daß Gott gefährlich ist, daß Gott seiner nicht spotten lässt …“.

Seine Antwort auf die Säkularisierung ist eine „gemeinschaftszentrierte, pietistische, persönliche Disziplin“. Er steht in der Tradition der Frömmigkeit und Ethik seines familiären Umfelds. Seine Aufforderung zu einem religionslosen Christentum ist ein Versuch, christliches Reden und Handeln in Übereinstimmung zu bringen. Identität stiftende Glaubensinhalte sollen im Sinn einer Arkandisziplin im Hintergrund, geheim bleiben, und er setzte sich für eine Erneuerung von Formen monastischen Lebens ein. In diesem Sinn ist sein Satz zu verstehen: „Vor Gott und mit Gott leben wir ohne Gott.“

Bonhoeffer greift ebenfalls auf seine frühere Unterscheidung zwischen „Vorletztem und Letztem“ zurück. Christus kam in die Welt und so lässt sich nur weltlich, verhüllt von den letzten Dingen reden. Daraus entwickelt er die Vorstellung eines an der Welt leidenden Gottes, der den Menschen zur Anteilnahme auffordere, die er in poetischer Form in seinem Gedicht Christen und Heiden[69] verdichtet. Zentral ist dabei der Gedanke, dass nur der mitleidende und ohnmächtige Gott helfen kann. Bonhoeffer betont damit auch, dass es ohne Kreuz keine Auferstehung gibt und wendet sich damit gegen eine „billige Vertröstung auf ein Jenseits“.

Er sieht die Möglichkeit, religionslos und weltlich von Gott, Kirche, Gottesdienst oder Gebet zu sprechen, konnte jedoch nicht mehr ausarbeiten, wie eine solche neue Sprache und Praxis des Glaubens konkret werden könnte. Nach dem Zweiten Weltkrieg lösten diese Gedanken heftige Kontroversen aus, bis hin zum Entstehen einer Gott-ist-tot-Theologie. Heute gelten Bonhoeffers Prognosen vom Absterben der Religion – insbesondere im weltweiten Maßstab – teils als überholt, teils als unverstandener und uneingelöster Anspruch an Kirchen und Gesellschaft.

Wird heute die Aufspaltung zwischen persönlicher Frömmigkeit, gemeindlichem Leben und universitärer Theologie beklagt, so kann der Ansatz Bonhoeffers hilfreich sein, diese Aufspaltung zu überwinden. Denn Bonhoeffer verbindet Lehre und Leben; Denken, Reden und Tun.

Theologie verliert dann ihre scheinbare Objektivität der normativen Sätze und gewinnt eine lebendige Subjektivität, die sich durchaus kontroverser Diskussion aussetzt. Glauben gewinnt dann aber auch an Glaubwürdigkeit. Das Problem „erfahrungslosen Redens von fremden Erfahrungen“ (Eugen Drewermann), das Mitteilen und Reden über etwas statt des Redens von sich und des Sich-Einbringens kann so überwunden werden. Möglich ist es allerdings nur bei strenger Konzentration auf die Mitte Jesus Christus, die dann zur Auseinandersetzung mit der Peripherie ermutigt und befähigt.

Bonhoeffer wird von der Evangelical Lutheran Church in America, der Church of England, der Church in Wales und der Episcopal Church als Märtyrer und hervorragender Theologe verehrt.

Werke

Ein Großteil der veröffentlichten Werke Bonhoeffers wurde nach dem Tod aus verschiedenen Unterlagen zusammengestellt. Diese Quellen und ihre Herkunft macht die neue Werkausgabe (DBW) umfassend zugänglich.

  • Dietrich Bonhoeffer Werke, 17 Bände und 2 Ergänzungsbände; hrsg. von Eberhard Bethge u.a.; Kaiser, Gütersloh 1986–1999.
  • Fragmente aus Tegel: Drama und Roman; Chr. Kaiser Verlag, München 1978.

Literatur

  • Ackermann, Josef (2005) Dietrich Bonhoeffer – Freiheit hat offene Augen. Eine Biographie. Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh, ISBN 3-579-07109-2.
  • Bethge, Eberhard (2006) Dietrich Bonhoeffer. Rowohlt Bildmonographien, Reinbek, ISBN 978-3-499-50684-0.
  • Feil, Ernst (2011) Bonhoeffers wahrscheinlich grausame Ermordung. FAZ 14.05.2011: 10.
  • Kretschmar, Georg (1983) Dietrich Bonhoeffer. In: Heinrich Fries, Georg Kretschmar (Hrsg.): Klassiker der Theologie 2. Von Richard Simon bis Dietrich Bonhoeffer; München S. 376–403.
  • Landgrebe, Wilhelm (1986) Dietrich Bonhoeffer. Wagnis der Nachfolge. Brunnen, 6. Auflage, Gießen, ISBN 3-7655-3129-4.
  • Schlingensiepen, Ferdinand (2005) Dietrich Bonhoeffer 1906–1945. Eine Biographie. C.H. Beck, München, ISBN 3-4065-3425-2.
  • Endrass, Elke (2006) : Bonhoeffer und seine Richter. Ein Prozess und sein Nachspiel; Kreuz, Stuttgart, ISBN 3-7831-2745-9.

Filme

  • Liebe ist stark wie der Tod, Die Welt des Dietrich Bonhoeffer; Regie: Gerold Hofmann, 2006; Dokumentarfilm, 30 Minuten.
  • Wer glaubt, der flieht nicht … Dietrich Bonhoeffer, 1906–1945; Regie: Hellmut Sitó Schlingensiepen und christian.bimm.coers, 2005; Dokumentarfilm, 23 Minuten.
  • Bonhoeffer; Regie: Martin Doblmeier, 2003; Dokumentarfilm, Englisch, 93 Minuten.
  • Bonhoeffer – Die letzte Stufe; Regie: Eric Till, 2000; VHS, ISBN 3-579-07112-2; DVD, ISBN 3-579-07111-4; Original: Bonhoeffer: Agent of Grace, 88 Minuten.
  • Dietrich Bonhoeffer – Nachfolge und Kreuz, Widerstand und Galgen; 1982; Dokumentarfilm.


Bearbeitet auf der Grundlage von Dietrich Bonhoeffer.