Curt Bondy

Aus Krimpedia – das Kriminologie-Wiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Curt Bondy (links)

Der Psychologe Curt Werner Bondy ("Cubo"; * 03.04. 1894 in Hamburg; † 17.01. 1972 in Hamburg), ein Schüler von William Stern [1] und der jüngere Bruder des Reformpädagogen Max Bondy, war seit seiner Studienzeit kriminalpolitisch engagiert. Er leitete in der Frühzeit der Weimarer Republik die Jugendstrafanstalt Hahnöfersand (1921-1923). Im Zuge der Novemberpogrome von 1938 wurde Bondy in das KZ Buchenwald verschleppt. Internationale Bemühungen um seine Freilassung führten dazu, dass er im Dezember 1938 emigrierte. Nach seiner Rückkehr aus dem US-amerikanischen Exil wurde Bondy erster Direktor des Psychologischen Instituts der Universität Hamburg nach dem Zweiten Weltkrieg (1950-1959). Er gilt als einer der Pioniere des Erziehungsgedankens im deutschen Jugendstrafvollzug.

Vor dem Dritten Reich

Bondy stammte aus einer großbürgerlichen Hamburger Familie jüdischen Glaubens, brach sein Medizinstudium ab, um als Sanitäter im Ersten Weltkrieg zu arbeiten und begann daraufhin ein Psychologiestudium in Hamburg bei William Stern. Schon als Student war Bondy sozialpolitisch und sozialpädagogisch engagiert, insbesondere auf den Gebieten der Kriminalpolitik und der Strafvollzugsreform.

Nach seiner Promotion (1921) über „Die Proletarische Jugendbewegung in Deutschland“ wurde Bondy (von 1921-1923) Leiter der Jugendstrafanstalt Hahnöfersand, dann (1923) des Jugendgefängnisses in Eisenach. Sein Versuch, den Vollzug in Hahnöfersand zusammen mit Walter Herrmann, einem ehemaligen Mitarbeiter von Karl Wilker, nach pädagogischen Prinzipien zu reformieren, scheiterte an politischen Widerständen.

Bondy habilitierte sich 1925 in Hamburg und begann eine akademische Laufbahn in Göttingen (Lehraufträge, dann Honorarprofessur), die 1933 mit der Entlassung abbrach.

KZ-Aufenthalt und Emigration

Bondy war zeitweise mit Martin Buber im Jüdischen Hilfswerk in Frankfurt a.M. tätig. 1936 berief ihn die Reichsvertretung der Deutschen Juden zum Leiter des Ausbildungslehrgutes Groß Breesen in Schlesien. Dort führte er sog. Auswanderungslehrgänge durch, die deutsche Jugendliche aus jüdischen Familien auf die Auswanderung vorbereitete.

Nach den Novemberpogromen 1938 wurde Bondy mit den anderen Groß Breesenern in das KZ Buchenwald verschleppt; im Dezember 1938 wurde der Großteil der Gruppe mit internationaler Hilfe zur sofortigen Emigration entlassen.

Bondy ging über England, Holland und Spanien im Jahre 1939 in die USA. In Richmond (Virginia) konnte er am "College of William and Mary" seine akademische Laufbahn als Professor fortsetzen.

Zurück in Hamburg

1949 nahm er die Berufung auf die Professur für Psychologie und Sozialpädagogik der Universität Hamburg an. Unter seiner Leitung kam es ab 1950 zum Wiederaufbau des Instituts für Psychologie, das er bis zu seiner Emeritierung im Jahre 1959 leitete und in wesentlichen Punkten an internationale Standards heranführte: so führte er die Studienfächer "Sozialpsychologie" und "Psychologische Methodenlehre" ein und ging in seinen Vorlesungen auf die Psychoanalyse ein. Die in Hamburg von Meumann und Stern begründeten Traditionen führte Bondy insbesondere auch in der Diagnostik (nämlich mit der ersten Standardisierung von Intelligenztests für deutsche Erwachsene und Kinder: Hamburg-Wechsler-Intelligenztest; Testbatterie für geistig behinderte Kinder) und in der Erziehungsberatung (die dem Institut angegliedert wurde) fort. In die Hamburger Traditionslinie gehörte auch die für Bondy charakteristische Betonung eines sozialethischen Bezugsrahmens für alle psychologische Tätigkeit. Auf den Bondy-Lehrstuhl wurde 1959 Peter R. Hofstätter [2] berufen, der den emeritierten Vorgänger nicht schätzte, den Lehrstuhl bis zu seiner Emeritierung 1979 innehatte, sich selbst aber nach einem Skandal über seine NS-Vergangenheit politischer Stellungnahmen enthielt. Bondy starb in Hamburg im Januar 1972, nachdem er am 29.10.1971 noch den Festvortrag zum 100. Geburtstag seines Lehrers William Stern gehalten hatte.

Bedeutung für die Kriminologie in Hamburg

Bondy initiierte an der Universität Hamburg den Studiengang „Sozialpädagogik“ und entwickelte ein Konzept des Ineinandergreifens von akademischer und praktischer Ausbildung an einer von ihm geschaffenen Erziehungsberatungsstelle.

Sein Interesse galt ganz besonders den hilfsbedürftigen Kindern und Jugendlichen, um die sich die Institutionen der Jugendfürsorge und Jugendpflege bemühten. Deren Nöte sah der Sozialpsychologe Bondy vor dem Hintergrund umfassender kultureller Entwicklung, die er nicht ohne Sorge sah:

"Der blendenden Fassade des wirtschaftlichen Aufschwungs Westdeutschlands steht eine seelische Verarmung großer Teile der Gesamtbevölkerung gegenüber....Die seelische Verarmung kommt heute nicht so sehr zum Ausdruck, weil bei wirtschaftlichem Aufschwung und Vollbeschäftigung die menschlichen Hintergründe nicht so deutlich hervortreten....stärkere Arbeitslosigkeit würden erst Grad und Ausmaß dieser seelischen Verarmung deutlich werden lassen..."

Für Bondy ergab sich hieraus ein gesellschaflicher Auftrag an die Psychologie zur wissenschaftlich begründeten Erziehungsberatung in Familie, Heim und Schule.

Durch die Verzahnung der von ihm geschaffenen Erziehungsberatungsstelle am Psychologischen Institut mit der praktisch-psychologischen Ausbildung von Studierenden wurde ein Grundpfeiler der späteren Klinischen Psychologie mit soziotherapeutischer Ausrichtung errichtet.

Bondy war eine der Hauptinspirationsquellen für Lieselotte Pongratz und damit zumindest indirekt auch für die Konzipierung des "Sozialpädagogischen Zusatzstudiums" und schließlich des "Aufbau- und Kontaktstudiums Kriminologie" an der Universität Hamburg.

Werke

  • Pädagogische Probleme im Jugendstrafvollzug, 1925. (Neuausgabe mit einem Vorwort von Klaus Eyferth und einem Nachtrag von Jörg Ziegenspeck, Lüneburg: Verl. Ed. Erlebnispädagogik 1997; (Schriften-Studien-Dokumente zur Erlebnispädagogik, Bd. 18)
  • Problems of Internment Camps, Journal of Abnormal and Social Psychology, 1943.
  • Bindungslose Jugend, München: Juventa 1952
  • Einführung in die Psychologie, Frankfurt a.M: Ullstein 1967, 16. Aufl 1990, zuletzt Köln: Anaconda 2007
  • Zur Frage der Erziehbarkeit ZStW 48 (1927): 329-34

Literatur

  • Werner T. Angress: Generation zwischen Furcht und Hoffnung. Jüdische Jugend im Dritten Reich, Hamburg: Christians 1985, ISBN 3-7672-0886-5 (Hamburger Beiträge zur Sozial- und Zeitgeschichte. Beiheft 2)
  • Christine Dörner: Erziehung durch Strafe. Die Geschichte des Jugendstrafvollzugsvon 1871-1945, Weinheim und München 1991
  • Susanne Guski-Leinwand (Hrsg.): Curt Werner Bondy. Berlin: Hentrich & Hentrich (im Erscheinen)
  • Gertrud Herrmann: Die sozialpädagogische Bewegung der 20er Jahre, Weinheim 1956
  • Walter Herrmann: Das Hamburgische Jugendgefängnis Hahnöfersand. Ein Bericht über Erziehungsarbeit im Strafvollzug, Hamburg 1923. 2. Auflage Mannheim 1926. Neuausgabe mit einem Vorwort von Klaus Eyferth und einem Nachtrag von Jörg Ziegenspeck, Lüneburg 1997 (Schriften-Studien-Dokumente zur Erlebnispädagogik, Bd. 17)
  • Paul Probst: Geschichte des Fachbereichs Psychologie an der Universität Hamburg. In: K. Pawlik (Hrsg.): Bericht über den 39. Kongreß der Deutschen Gesellschaft für Psychologie, Bd. 2, Göttingen: Hogrebe 1995.
  • Berthold Simonsohn (Hrsg.): Fürsorgeerziehung und Jugendstrafvollzug, Bad Heilbronn/Obb. 1969 (Klinkhardts pädagogische Quellentexte)

Weblinks

Literatur von und über Curt Bondy im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek

Adaptiert von „http://de.wikipedia.org/wiki/Curt_Bondy“