Body-Cams

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Body-Cams sind Videokameras, die an der Uniform von Polizeieinsatzkräften sichtbar befestigt werden.

Allgemeines

Etymologie

Das Kunstwort Body-Cam setzt sich aus den englischen Begriffen Body (deutsch: Körper) und Cam (kurz für Camera; deutsch: Kamera) zusammen und lässt sich als Körperkamera übersetzen. Eine andere geläufige Bezeichnung lautet wegen ihrer Tragweise Schulterkamera. In der englischsprachigen Literatur werden laut Zander (2016: 14) folgende Begriffe häufig verwendet:

- BWC/BWV (Abkürzung für Body-worn camera/video; deutsch: am Körper getragene Videokamera)

- OVC (Abkürzung für on officer video camera; deutsch: Kamera am Polizeibeamten)

- Head Camera (deutsch: Kopfkamera)

Definition

Mit Body-Cams werden Bild- und Tonaufnahmen von polizeilichen Einsatzsituationen gefertigt, übertragen und/oder gespeichert. Die so produzierte Videodokumentation kann anschließend als Beweismittel im Strafverfahren sowie zur Rekonstruktion einer Einsatzsituation dienen.

Mithilfe von Body-Cams kann sich ein Gericht oder eine sonstige dritte Person ein wertneutraleres Bild vom Verhalten des Bürgers und der Polizeieinsatzkräfte machen, ohne sich ausschließlich auf die Angaben der Situationsbeteiligten verlassen zu müssen. Eine sachgemäße Anwendung von Body-Cams könnte also die Polizeiarbeit objektiver und für den Bürger transparenter machen, was zu weniger Zwangsmaßnahmen durch die Polizei und zu weniger Beschwerden über die Polizei führen könnte (vgl. Zander 2016: 13f).

An Body-Cams werden hohe technische Anforderungen gestellt. So müssen sie in allen denkbaren Polizeieinsatzsituationen verwertbare Bild- und Tonaufzeichnungen aufnehmen können. Weiterhin müssen sie stabil gebaut und mit einer ausreichenden Speicherkapazität und Akkulaufzeit ausgestattet sein. Anderenfalls könnte die Videoaufnahme während einer kritischen Einsatzsituation abbrechen oder unbrauchbar sein. Des Weiteren muss die verwendete Software Manipulationsversuche der aufgenommenen Videos unmöglich machen. Anderenfalls könnten Body-Cam nutzende Personen ihr eigenes Fehlverhalten kaschieren, indem sie einzelne Videos verändern oder ganz löschen. Die gespeicherten Dateien müssen aus Datenschutzgründen verschlüsselt abgespeichert werden, damit sie für unberechtigte Dritte unbrauchbar sind.

Body-Cams im Polizeieinsatz

Der technische Fortschritt ermöglichte die heutige Verbreitung, die Leistungsfähigkeit und die Kompaktheit von Videokamerasystemen. Polizeiliche Videoüberwachung im weiteren Rahmen wird bereits seit den 1950er–Jahren eingesetzt; die offizielle umfassende Nutzung echter Body-Cams begann jedoch erst im November 2005 in England. Infolgedessen kam es in weiteren Städten Großbritanniens, in den USA, Australien, Kanada, den Niederlanden, Österreichs und auch in Deutschland zu Trageversuchen, Testverfahren und Untersuchungen.

Verbreitung von Body-Cams

Eine genaue Anzahl der Body-Cams im polizeilichen Einsatz ist nicht bekannt (Zander 2016: 19). In Großbritannien und den USA wurden jedoch einige der Trageversuche durchgeführt. In deren Folge wurden offizielle Ankündigungen zur Einführung von Body-Cams veröffentlicht. So hat der Bürgermeister von London die Anschaffung von 22.000 Body-Cams (London 2015) und die US-Regierung die Mitfinanzierung der Beschaffung von 50.000 Body-Cams angekündigt (White House 2014).

Body-Cams in Deutschland

Hessen war das erste deutsche Bundesland, dessen Polizeibehörde Body-Cams in einem Pilotprojekt von Mai 2013 bis Oktober 2014 testete (HMdIS 2014). Es erfolgten weitere Trageversuche bei der Bundespolizei und Polizeibehörden anderer Bundesländer wie Rheinland-Pfalz, Hamburg, Baden-Württemberg, Bayern (Bayerisches Staatsministerium des Innern 2016) und Niedersachsen (Niedersächsisches Ministerium für Inneres und Sport 2016).

Der Einsatz von Body-Cams kann in Deutschland einen Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung darstellen, das sich aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG ergibt (vgl. Kipker/Gärtner 2015). Demzufolge müssen die Polizeigesetze der jeweiligen Bundesländer zum Einsatz von Body-Cams überprüft und gegebenenfalls geändert werden. So kam es beispielsweise bereits in Hessen zur Änderung des Hessischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung, um den polizeilichen Einsatz von Body-Cams zu ermöglichen (HmdIS 2015).

Es werden zurzeit etwa einhundert Body-Cams in Deutschland eingesetzt (vgl. Zander 2016: 19-20).

Mögliche Effekte von Body-Cams

Es gibt verschiedene Argumentationen, die für Body-Cams sprechen. Die Befürworter stimmen darin überein, dass sie von rational denkenden Menschen ausgehen, die so ihr Verhalten, während sie gefilmt werden, eher an die sozialen Normen und Gesetze anpassen. Daher soll es durch die Benutzung von Body-Cams zu weniger strafbaren Handlungen in polizeilichen Maßnahmen kommen.

Interessant ist dabei der Vergleich zwischen den Argumenten von Body-Cam-Unterstützern in Deutschland und den USA. Die deutsche Polizei soll infolge der angenommenen Abschreckungswirkung von Body-Cams vor potenziellen Angreifern geschützt werden, da die Videografie einer Attacke gegen die Polizei gerichtliche Konsequenzen nach sich ziehen könnte. Dadurch käme es beim Einsatz von Body-Cams zu weniger Angriffen auf Polizeibeamte.

Die US-amerikanische Argumentation für die Anschaffung von Body-Cams kommt eher aus bürgerrechtlicher Richtung, wobei Body-Cams als "Kontrollinstrument" (Zander 2016: S. 12) der Polizei gesehen werden. So soll das Handeln der Polizeibeamten gegenüber den Bürgern überwacht werden. Dadurch könnte es zu einer gewissenhafteren Polizeiarbeit und damit zu weniger Bürgerrechtsverstößen und Beschwerden über die Polizei kommen.

Studien zu Body-Cams

Bei etlichen Trageversuchen wurden Evaluationsstudien zur Wirksamkeit von Body-Cams durchgeführt. Dabei wurden beispielsweise die Veränderung der Art und Intensität der polizeilichen Arbeit, die Häufigkeit der polizeilichen Zwangsmaßnahmen, die Anzahl der Beschwerden über die Polizei und die Menge der Angriffe auf Polizeibeamte mit und ohne Body-Cam untersucht.

Jens Zander (2016) hat im Rahmen einer Meta-Evaluation acht unterschiedlich aussagekräftige internationale Studien untersucht und dabei die bisher wissenschaftlich gesicherten Erkenntnisse zur Wirkung von Body-Cams konkretisiert. So konnte in einer 2013 durchgeführten Studie in Rialto (USA) eine Reduzierung polizeilicher Zwangsmaßnahmen festgestellt werden. „Errechnet wurde […], dass bei Schichten ohne Body-Cams ungefähr zweimal so oft Zwangsmaßnahmen durchgeführt wurden, wie bei Schichten mit Body-Cam“ (Zander 2016: S. 40).

In einer anderen US-amerikanischen Studie in Mesa im Jahr 2013 konnte nachgewiesen werden, dass Polizeibeamte mit Body-Cam mehr Kontrollen durchführten, mehr Ordnungswidrigkeiten ahndeten und seltener die umstrittene Stop-And-Frisk-Taktik gebrauchten. „Polizisten mit Body-Cam ahndeten deutlich mehr Verstöße gegen Rechtsverordnungen (+23,1 Prozentpunkte) und führten mehr eigenständige Kontrollen durch (+13,5 Prozentpunkte)“ (ebd.: S. 47).

Weiterhin wurde in mehreren Studien die hohe Beweisfunktion der mit Body-Cam gefertigten Videos positiv hervorgehoben, da diese zu höheren Aufklärungsquoten und geringerer Fallbearbeitungszeit führen würden.

In drei verschiedenen Studien mit geringerer Aussagekraft (Paisley & Aberdeen 2011, Frankfurt 2014 und Isle of Wight 2015) gab es Hinweise auf eine verminderte Anzahl von Angriffen auf Polizeibeamte. Es „wurde berechnet, dass statt des einen erfassten Angriffs in Aberdeen, eigentlich 18 Angriffe hätten stattfinden müssen. […] Auf der Isle of Wight wurde ein Rückgang der Angriffe um 36% von 76 auf 49 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum dargestellt“ (ebd.: S. 66).

Zudem konnte Zander (2016) in mehreren von ihm untersuchten Studien einen Rückgang von Beschwerden über Polizeibeamte erkennen, wenn sie eine Body-Cam nutzten.

Jedoch gibt es auch Studien, bei denen konträre Effekte beobachtet wurden. So haben Ariel et al. (2016) in 10 randomisiert kontrollierten Studien keine verringerte Anzahl polizeilicher Zwangsmaßnahmen und eine Zunahme von Angriffen auf Polizeibeamte bei der Nutzung von Body-Cams feststellen können.

„We have two main results. First there was no overall discernible effect of using BWVs on police use of force. Second, cameras increased the likehood of an officer being assaulted during a shift compared to not wearing the cameras. […] The overall result was that there were no significant differences between treatment and control arms (About use of force). […] The rate of assaults against officers per 1000 arrests was 15% higher when cameras were present." (Ariel et al: S. 7-8)

Bei den bisherigen Studien ist unklar, ob die Nutzung einer Body-Cam nun das Verhalten des Bürgers oder der Polizeibeamten verändert. Der aktuelle Stand der Forschung kann zur Zeit keine eindeutigen Aussagen zum Nutzen von Body-Cams belegen, weswegen weitere empirische Studien notwendig sind.

Aktuelle Diskussion

Zum Einsatz von Body-Cams gibt es in der aktuellen politischen Diskussion noch zahlreiche offene Fragen. So ist zum Beispiel in Klärung, ob und wie Body-Cams in die Grundrechte der Menschen eingreifen und wodurch dieser Eingriff gerechtfertigt ist. Weiterhin gibt es noch etliche datenschutzrechtliche Bedenken. Außerdem entsteht ein nicht unerheblicher Arbeitsaufwand bei der Übertragung und Auswertung der mit Body-Cams gefertigten Videos, was eine personelle Herausforderung für die Strafverfolgungsbehörden darstellen würde.

Zur bürgerlichen Akzeptanz von Body-Cams wurde eine Online-Umfrage bei YouGov durchgeführt. Dabei stimmten von 1286 deutschen Personen 71 % für und 20 % gegen den Einsatz von Body-Cams. Bei einer ähnlichen Umfrage wurden 999 in den USA lebende Menschen befragt, wobei 88 % für und 7 % gegen Body-Cams stimmten (vgl. Schmidt 2015).

Kriminologische Relevanz

Die Einführung von Body-Cams könnte das Verhältnis zwischen den Menschen und den Strafverfolgungsbehörden verändern. Kipker/Gärtner (2015) befürchten, dass die Nutzung von Body-Cams als Vorwurf der Gewaltbereitschaft und als generelles Misstrauen zwischen Bürger und Polizei verstanden werden könnte.

Auch Zander (2016) gibt eine mögliche problematische zukünftige Entwicklung zu bedenken, denn bei immer weiterer Ausweitung von Videodokumentation als Beweismittel vor Gericht könnte das gesprochene Wort an Wert verlieren, da Videodateien eine eindeutigere Beweisfunktion innehaben.

Weiterhin geht die primäre Argumentation für Body-Cams von rational abwägenden Menschen (rational choice Ansatz nach Gary S. Becker) aus; jedoch werden viele Gewaltdelikte im Affekt begangen, weshalb Zweifel über den Nutzen von Body-Cams berechtigt sind.


Literatur

Ariel, Barak u.a: Wearing body cameras increases assaults against officers and does not reduce police use of force: Results from a global multi-site experiment. In: European Journal of Criminology, Vol. 13(6), 2016: S. 744–755

Harris, David: Picture This: Body worn video Devices ("Head Cams") as tools for Ensuring Fourth amendment compliance by police. In: Legal studies research paper series, Working Paper No. 2010-13, Pittsburgh, 2010: S. 357–1371

Jennings, Wesley/Fridell, Lorie/Lynch, Mathew: Cops and cameras: Officer perceptions of the use of body-worn cameras in law enforcement. In: Journal of Criminal Justice 42, Tampa, 2014: S. 549–556

Jennings, Wesley/Fridell, Lorie/Lynch, Mathew: Evaluating the impact of police officer body-worn cameras (BWCs) on response-to-resistance and serious external complaints: Evidence from the Orlandopolice department (OPD) experience utilizing a randomized controlled experiment. In: Journal of Criminal Justice 43, Tampa, 2015: S. 480–486

Kipker, Dennis-Kenji/Gärtner, Hauke: Verfassungsrechtliche Anforderungen an den Einsatz polizeilicher "Body-Cams". In: Neue Juristische Wochenschrift, 5/2015: S. 296–301

Zander, Jens: Body-Cams im Polizeieinsatz. Grundlagen und eine Meta-Evaluation zur Wirksamkeit, Verlag für Polizeiwissenschaft, Frankfurt, 2016



Weblinks

Bayerisches Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr: Body-Cams bei der Bayerischen Polizei, 2016, http://www.stmi.bayern.de/med/aktuell/archiv/2016/161028bodycams/ [17.12.2016]

HMdIS - Hessisches Ministerium des Inneren und Sport: Body-Cams bieten Schutz für Polizeibeamtinnen und -beamte, Informationsblatt 01/2014, https://innen.hessen.de/sites/default/files/media/hmdis/hpr_infoblatt_1401.pdf [17.12.2016]

HmdIS - Hessisches Ministerium des Inneren und Sport: Body-Cam: Gesetzesänderung erlaubt neben Bild- nun auch Tonaufnahme, Pressemitteilung vom 24.09.2015, https://innen.hessen.de/presse/pressemitteilung/body-cam-gesetzesaenderung-erlaubt-neben-bild-nun-auch-tonaufnahme [18.12.2016]

London: Mayor on track to roll-out police body cameras across the Met, Pressemitteilung des Bürgermeisters vom 24.11.2015, https://www.london.gov.uk/press-releases/mayoral/mayor-on-track-to-roll-out-police-body-cameras [18.12.2016]

Niedersächsisches Ministerium für Inneres und Sport: Startschuss für Pilotprojekt „Bodycams“ in Niedersachsen, 2016, http://www.mi.niedersachsen.de/aktuelles/presse_informationen/startschuss-fuer-pilotprojekt-bodycams-in-niedersachsen-149459.html [17.12.2016]

Schmidt, Michael: Große Mehrheit befürwortet Körperkameras für Polizisten, 2015, https://yougov.de/news/2015/06/18/grosse-mehrheit-befurwortet-korperkameras-fur-poli/ [17.12.2016]

White House: Fact Sheet: Strengthening Community Policing, 2014, https://www.whitehouse.gov/the-press-office/2014/12/01/fact-sheet-strengthening-community-policing [18.12.2016]

Zurawski, Nils: BodyCams und kein Ende, 2016, http://www.surveillance-studies.org/2016/11/bodycams-und-keine-ende/ [01.02.2017]