Annette Schavan

Aus Krimpedia – das Kriminologie-Wiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Annette Schavan Portrait 2013

Annette Schavan (* 10.06.1955 in Jüchen, Kreis Grevenbroich), trat 1973 in die CDU ein, machte 1974 ihr Abitur und wurde 1980 nach einem 12 Semester dauernden Studium der Erziehungswissenschaft promoviert - mit einer Arbeit, die sie abgeschrieben hatte.

Dann wurde sie Referentin bei der bischöflichen Studienförderung Cusanuswerk, Abteilungsleiterin für außerschulische Bildung zum bischöflichen Generalvikariat des Bistums Aachen, Bundesgeschäftsführerin der Frauen Union und so weiter.

Von Oktober 2009 bis Februar 2014: Honorarprofessorin für Katholische Theologie an der Freien Universität Berlin. Für das Wintersemester 2013/14 hatte die Honorarprofessorin eine Lehrveranstaltung über Grundlagen einer christlichen Ethik angeboten. Die konnte sie wegen der Berufung nach Rom nicht mehr halten.

Thema der Dissertation: "Person und Gewissen – Studien zu Voraussetzungen, Notwendigkeit und Erfordernissen heutiger Gewissensbildung".

1995-2005: Ministerin in Baden-Württemberg.

2005-2013: Ministerin in Berlin. Wissenschaftsministerin der BRD.

Nach der Aberkennung ihres Doktorgrades wurde ihr von der Bundeskanzlerin der BRD der Posten einer Botschafterin beim Vatikan angeboten.


1987 holte Rita Süssmuth, damals Vorsitzende der Frauen Union, Schavan als Bundesgeschäftsführerin der Frauen Union nach Bonn, in das Konrad-Adenauer-Haus.

Seit 1996 gehört Schavan dem CDU-Landesvorstand von Baden-Württemberg an. Von November 1998 bis Dezember 2012 war Schavan als eine der stellvertretenden Bundesvorsitzenden Mitglied des CDU-Bundesvorstands.[10][11] Seit Dezember 2002 leitet sie die Kommission zur Erarbeitung eines neuen Grundsatzprogramms für die CDU in Baden-Württemberg.

Schavan gehörte bis zur Nominierung von IWF-Generaldirektor Horst Köhler am 4. März 2004 zu den möglichen Kandidaten von Union und FDP für die Kandidatur zur Wahl des deutschen Bundespräsidenten 2004.

Im August 2012 kündigte Schavan nach 14 Jahren an der CDU-Parteispitze an, nicht mehr als stellvertretende CDU-Vorsitzende zu kandidieren.[12][13][10]

Öffentliche Ämter[Bearbeiten] Stadtrat[Bearbeiten] Schavan wurde ab 1975 in der Kommunalpolitik in Neuss politisch aktiv. Von 1982 bis 1984 war sie Mitglied des Stadtrats. Ihre Schwerpunkte waren kommunale Schul- und Umweltpolitik. Ihr Selbstverständnis als Kommunalpolitikerin fasste sie in den Satz: „Kommunalpolitik ist nicht die unterste Stufe der Politik. Kommunalpolitik ist das Fundament der politischen Kultur.“[14]

Landtagsabgeordnete und Kultusministerin[Bearbeiten] Ab 2001 war Schavan Mitglied des Landtags von Baden-Württemberg.

Von 1995 bis zu ihrem Einzug in den Bundestag am 5. Oktober 2005 war Schavan baden-württembergische Ministerin für Kultus, Jugend und Sport. Zu Beginn ihrer Amtszeit übernahm sie Reformprojekte ihrer Vorgängerin Marianne Schultz-Hector, unter anderem zur Neugestaltung des Übergangs vom Kindergarten in die Grundschule. Schavan initiierte das Programm Schulanfang auf neuen Wegen, das den Trend zur immer späteren Einschulung grundsätzlich schulreifer sechsjähriger Kinder stoppte.[15]

Während ihrer Amtszeit führte sie eine umfassende Bildungsplanreform durch:[16] Früher als in allen anderen Bundesländern wurden Fächerverbünde geschaffen, Unterrichtszeiten neu strukturiert und die Vermittlung von Kompetenzen anstelle allein des Fachwissens in den Mittelpunkt gerückt.

Auch der Fremdsprachenunterricht an Grundschulen wurde eingeführt: Im Schuljahr 2001/02 startete an 470 Grundschulen im Land und rund 80 Sonderschulen mit Grundschulstufe die Pilotphase von Fremdsprachen in der Grundschule.[17]

Zudem setzte Schavan das umstrittene Abitur nach Klasse 12 in Baden-Württemberg durch.

Nach der Ankündigung von Ministerpräsident Erwin Teufel im Oktober 2004, mit Wirkung zum April 2005 sowohl das Amt des Ministerpräsidenten als auch das Amt des CDU-Parteivorsitzenden in Baden-Württemberg aufgeben zu wollen, meldete Schavan ihre Ansprüche auf beide Ämter an. Bei einer Mitgliederbefragung der baden-württembergischen CDU erreichte sie jedoch nur 39,4 % der Stimmen und zog ihre Kandidatur zurück. Stattdessen übernahm der damalige Landtagsfraktionschef Günther Oettinger beide Ämter. Schavan blieb ein weiteres Jahr im Kabinett.

Schavan wurde im Wahlkreis 14 (Bietigheim-Bissingen) direkt in den Landtag gewählt. Nachdem sie als Abgeordnete in den Bundestag gewählt worden war, legte sie am 30. September 2005 ihr Landtagsmandat nieder.

Bundestagsabgeordnete und Bundesministerin[Bearbeiten]


Schavan zusammen mit Norbert Lammert, 2007 Seit 2005 ist Schavan Mitglied des Deutschen Bundestages. Sie errang 2005 mit 48,7 %, 2009 mit 42,0 % und 2013 mit 52,1 % der Erststimmen das Direktmandat im Bundestagswahlkreis Ulm.

Am 22. November 2005 wurde Schavan als Bundesministerin für Bildung und Forschung in die von Bundeskanzlerin Angela Merkel geführte Bundesregierung berufen.

In ihre Amtszeit fallen zahlreiche Reformen wie die Hightech-Strategie[18][19] und die Exzellenzinitiative. Der Hochschulpakt[20] und der Pakt für Forschung und Innovation wurden geschlossen,[21] die Deutschen Zentren für Gesundheitsforschung[22] und das 2013 eröffnete Berliner Institut für Gesundheitsforschung[23] gegründet.

Schavan verantwortete die verstärkten internationalen Aktivitäten in der Forschungspolitik, die Einführung der Bildungsberichterstattung von Bund und Ländern[24] und das Rahmenprogramm Bildungsforschung, um der empirischen Wende in der Bildungspolitik Rechnung zu tragen.

Schavan war im Jahr 2012 Vorsitzende der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz.

Nach der Aberkennung ihres Doktorgrades wurde am 14. Februar 2013 Johanna Wanka ihre Nachfolgerin im Amt der Bundesbildungsministerin. Als Abgeordnete des 18. Deutschen Bundestages wurde Schavan Mitglied im Bundestagsausschuss für Entwicklungszusammenarbeit.[25]

Erneut in den Deutschen Bundestag wurde Schavan am 22. September 2013, im Wahlkreis Ulm, mit einer Mehrheit von 52,1 % in den Deutschen Bundestag gewählt. [26][27]

Sonstiges Engagement[Bearbeiten] Als Leiterin des Cusanuswerks wurde Schavan 1991 Mitglied des Zentralkomitees der Deutschen Katholiken (ZdK) und gehörte diesem als von der Vollversammlung gewählte „Einzelpersönlichkeit“[28] bis November 2008 an.[29] Von 1994 bis April 2005 war sie eine der vier Vizepräsidenten des Zentralkomitees.[30]

Schavan wurde im September 2011 als Nachfolgerin von Manfred Kock Vorsitzende des Kuratoriums der ökumenischen Stiftung Bibel und Kultur.[31]

Von 2010 bis 2011 war Schavan als Vertreterin des Bundes Mitglied im ZDF-Fernsehrat.

Schavan war bis zum 14. Februar 2013 Mitglied des Kuratoriums des Deutschen Museums, München, Mitglied des Stiftungsrates der Alexander von Humboldt-Stiftung, Bonn, und der Deutsche Telekom Stiftung, Bonn. Außerdem war sie bis zu diesem Zeitpunkt Mitglied des Senats der Max-Planck-Gesellschaft (München), Mitglied des Kuratoriums der VolkswagenStiftung (Hannover) sowie stellvertretende Vorsitzende des Stiftungsrates der Wissenschaftsstiftung Ernst Reuter (Berlin).

Die Ludwig-Maximilians-Universität München bestellte Schavan per 1. Oktober 2013 als „eine herausragende Persönlichkeit mit umfassender Expertise und langjähriger Erfahrung im Wissenschaftssystem“ auf zwei Jahre zum externen Mitglied ihres Hochschulrats. Am 7. April 2014 kündigte Schavan an, dem Wissenschaftsminister ihr Ausscheiden zu erklären. Die Dekane hatten darum in einer Sitzung mit dem Präsidium gebeten, weil nach dem Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 20. März 2014 über die Aberkennung ihres Doktorgrades die notwendige Akzeptanz für Schavans Verbleib im Hochschulrat fehle.[32][33]

Aberkennung des Doktorgrads und Rücktritt[Bearbeiten] Im Mai 2012 geriet Schavan wegen ihrer Dissertation Person und Gewissen. Studien zu Voraussetzungen, Notwendigkeit und Erfordernissen heutiger Gewissensbildung aus dem Jahre 1980 unter Plagiatsverdacht. Nach Darstellung des Blogs schavanplag,[34] das ein Mitglied des Recherchenetzwerks VroniPlag Wiki eingerichtet hatte,[35] hatte Schavan auf 94 von 325 Seiten ihrer Dissertation Textstellen ohne Quellenangaben übernommen. Die Arbeit war im VroniPlag seit Dezember 2011 untersucht worden; eine knappe Mehrheit der Mitarbeiter hatte sich gegen eine Veröffentlichung auf VroniPlag entschieden.[36][37][38] Schavan erklärte, „nach bestem Wissen und Gewissen“ gearbeitet zu haben, und bat die Promotionskommission der Universität Düsseldorf, die Vorwürfe zu prüfen.[39][40]

Mit der Berichterstattung des Sachverhalts wurde der Judaist Stefan Rohrbacher beauftragt.[41] Sein vertrauliches Gutachten, welches der Redaktion des Nachrichtenmagazins Der Spiegel zugespielt wurde, attestiert etlichen Stellen der Dissertation „das charakteristische Bild einer plagiierenden Vorgehensweise“: „Eine leitende Täuschungsabsicht ist nicht nur angesichts der allgemeinen Muster des Gesamtbildes, sondern auch aufgrund der spezifischen Merkmale einer signifikanten Mehrzahl von Befundstellen zu konstatieren.“[42][43] Schavan widersprach diesem Vorwurf; ohne in diesem Zeitpunkt das Gutachten zu kennen. Schavans Doktorvater Gerhard Wehle sagte in einem Interview: „Die Arbeit entsprach damals absolut dem wissenschaftlichen Standard“. Man könne nicht eine Doktorarbeit von 1980 nach den heutigen Maßstäben bewerten.[44]

Am 22. Januar 2013 befasste sich der Fakultätsrat der Philosophischen Fakultät mit den Vorwürfen und folgte in seinem Beschluss, der mit 14 Ja-Stimmen, einer Enthaltung und ohne Gegenstimme erfolgte, der im Dezember publik gewordenen Empfehlung des Promotionsausschusses, das Hauptverfahren der Aberkennung aufzunehmen.[45] In einem Interview mit dem ZEITmagazin räumte Schavan „Flüchtigkeitsfehler“ ein. Zum Beispiel habe sie jetzt erst entdeckt, dass im Literaturverzeichnis eine Quelle zweimal genannt sei, eine andere dafür gar nicht. Vor 33 Jahren habe es noch keine technischen Möglichkeiten gegeben, einen Text noch einmal zu überprüfen. Man habe nur selbst genau lesen und auf die Prüfer vertrauen können. „Ich kann für mich nicht in Anspruch nehmen, keine Flüchtigkeitsfehler gemacht zu haben. Aber ich kann in Anspruch nehmen, nicht plagiiert oder gar getäuscht zu haben.“[46]


Wagen, der Schavans Rücktritt thematisiert, im Rosenmontagszug 2013 des Düsseldorfer Karnevals Am 5. Februar 2013 stellte der Fakultätsrat mit 13 Ja-Stimmen bei zwei Enthaltungen den „Tatbestand einer vorsätzlichen Täuschung durch Plagiat“ fest: „Die Häufung und Konstruktion dieser wörtlichen Übernahmen, auch die Nichterwähnung von Literaturtiteln in Fußnoten oder sogar im Literaturverzeichnis ergeben der Überzeugung des Fakultätsrats nach das Gesamtbild, dass die damalige Doktorandin systematisch und vorsätzlich über die gesamte Dissertation verteilt gedankliche Leistungen vorgab, die sie in Wirklichkeit nicht selbst erbracht hatte. Die Entgegnungen von Frau Schavan konnten dieses Bild nicht entkräften.“ Mit 12:2 Stimmen bei einer Enthaltung erklärte der Fakultätsrat die Promotionsarbeit Schavans für ungültig und sprach die Entziehung des Doktorgrades aus. Der lange Zeitabstand seit der Anfertigung der Arbeit und der Umstand, dass Schavan neben ihrer Promotion über keinen anderen Studienabschluss verfügt, seien bei dieser Entscheidung berücksichtigt worden.[47][48][49][50][51][52][53]

Schavan kündigte noch an dem Tag, an dem der Fakultätsrat der Heinrich-Heine-Universität den „Tatbestand einer vorsätzlichen Täuschung durch Plagiat“ festgestellt hatte, an, dagegen Anfechtungsklage beim Verwaltungsgericht zu erheben.[54]

Am 9. Februar 2013 gab Bundeskanzlerin Angela Merkel bekannt, den von Schavan am Vorabend angebotenen Rücktritt von ihrem Ministeramt „sehr schweren Herzens“ angenommen zu haben. Schavan erklärte: „Ich habe in meiner Dissertation weder abgeschrieben noch getäuscht. […] Wenn eine Forschungsministerin gegen eine Universität klagt, dann ist das mit Belastungen verbunden für mein Amt, für das Ministerium, die Bundesregierung und auch die CDU. Genau das möchte ich vermeiden; das geht nicht, das Amt darf nicht beschädigt werden.“[55] Ihrer Nachfolgerin im Amt der Bundesministerin, Johanna Wanka, wurde am 14. Februar 2013 ernannt und am 21. Februar 2013 im Deutschen Bundestag vereidigt.

Am 20. Februar 2013 ließ Schavan beim Verwaltungsgericht Düsseldorf ihre Anfechtungsklage einreichen.[54] Die Schavan von der Heinrich-Heine-Universität angebotene Option, die Unterlagen des gegen sie gerichteten Verfahrens zu veröffentlichen, lehnte sie ab.[56][57][58]

Im März 2013 wurde auf schavanplag ein weiterer Plagiatsvorwurf erhoben. In dem 2008 erschienenen Aufsatz Die Frage nach Gott und dem Menschen[59] habe Schavan im Umfang von etwa einer Buchseite Passagen aus einem Aufsatz des Theologen Peter Walter übernommen, ohne diese als Zitate zu markieren.[60][61]

Am 20. März 2014 wies das Verwaltungsgericht Düsseldorf die Anfechtungsklage ab. Die dem Fakultätsrat obliegende Ermessensentscheidung lasse keine Rechtsfehler erkennen. Sie sei von einer zutreffenden Tatsachengrundlage ausgegangen und habe alle in Betracht kommenden widerstreitenden öffentlichen und privaten Belange umfassend gewürdigt und gegeneinander abgewogen.[54][62][63][64] Gegen dieses Urteil hätte Schavan die Zulassung der Berufung beantragen können, § 124a Abs. 4 VwGO. Am 10. April 2014 teilte sie mit, „keine Berufung einzulegen.“[65][66]

Verletzung von Urheberrechten[Bearbeiten] Eine straf- und zivilrechtliche Aufarbeitung möglicherweise gegebener Urheberrechtverletzungen blieb aus, da diese bereits verjährt gewesen wären und deshalb nicht zu erwarten war, dass staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren hätten eingeleitet werden können. Zivilrechtlich geltend gemachte Ansprüche wären wegen der Verjährung ebenfalls ins Leere gelaufen. Es ist nicht bekannt geworden, dass sich Annette Schavan im Zusammenhang mit dem Plagiat bei den Betroffenen Wissenschaftlern und Autoren oder deren Hinterbliebenen entschuldigt hätte.

Ehrendoktorwürde der Universität Lübeck[Bearbeiten] 2014 wurde Schavan die Ehrendoktorwürde der Universität Lübeck verliehen. Diese Entscheidung wurde in der ZEIT kritisiert, da Schavan gerade ihren akademischen Doktortitel wegen wissenschaftlichen Fehlverhaltens verloren habe und daran beteiligt gewesen sei, durch finanzielle Umschichtungen dem Land Schleswig-Holstein einen wirtschaftlichen Vorteil in Höhe von 25 Millionen Euro zu verschaffen.[67]

Botschafterin beim Heiligen Stuhl[Bearbeiten] Am 3. Februar 2014 erklärte sich Schavan bereit, deutsche Botschafterin beim Heiligen Stuhl in Rom zu werden.[68] Das Forum Deutscher Katholiken stuft eine derartige Berufung als „Affront gegenüber der katholischen Kirche“ ein.[69] Der Personalrat des Auswärtigen Amts kritisierte, da sie über keinen Studienabschluss verfügt, in einem internen Schreiben, Schavan fehlten die „Eingangsvoraussetzungen für den höheren Auswärtigen Dienst“, der grundsätzlich nicht zur „Versorgungsanstalt“ für Politiker werden dürfe.[70][71]

Das Bundeskabinett beschloss am 7. Mai 2014 die Entsendung.[72] Sie soll dort Nachfolgerin von Reinhard Schweppe werden, der 2014 in den Ruhestand geht.

Politische Positionen[Bearbeiten] Pro Reli[Bearbeiten] Schavan unterstützte die im April 2009 gescheiterte Berliner Pro-Reli-Kampagne. In einem Gastbeitrag für die Berliner Zeitung erklärte sie im Dezember 2008, Schüler müssten „die freie Wahl haben, ob sie in den Ethik- oder in den Religionsunterricht gehen wollen“. Religion gehöre „in die Mitte der Gesellschaft“. Kinder und Jugendliche hätten einen Anspruch darauf, „dass sie erfahren, worauf Menschen seit über zweitausend Jahren ihre Hoffnung setzen“.[73]

Kernkraft[Bearbeiten] Schavan war lange eine Befürworterin der Kernkraft. Im Jahr 2000 hatte das rot-grüne Kabinett Schröder I einen Atomausstieg beschlossen; Mitte 2008 verkündete Schavan, die Kernforschung weiter vorantreiben und in den folgenden Jahren hierfür 45 Millionen Euro bereitstellen zu wollen, um die Förderung konsequent auszubauen und die Ausbildung junger Nuklearwissenschaftler zu verbessern.[74] Eine Laufzeitverlängerung deutscher Kernkraftwerke wurde im Wahlkampf vor der Bundestagswahl 2009 ein Thema, mit dem sich CDU/CSU und FDP von SPD und Bündnis 90/Die Grünen absetzten. Nach einer Reihe von Zwischenfällen in deutschen Kernkraftwerken bekräftigte Schavan acht Wochen vor der Wahl ihre Position: „Wer will, dass Deutschland bei der Energieversorgung eine vernünftige Perspektive hat, darf die Kernkraft nicht verteufeln.“[75] Etwa zwei Wochen vor der Wahl wurde bekannt, dass Schavan ein von ihrem Ministerium in Auftrag gegebenes Gutachten zum Neubau weiterer Kernkraftwerke längere Zeit zurückgehalten hatte. In diesem hatten etwa 100 Forscher den Neubau von Kernkraftwerken in Deutschland und die Suche nach anderen Standorten als Gorleben als Atommüll-Endlager empfohlen.[76]

Zuzug ausländischer Arbeitnehmer[Bearbeiten] Im Jahr 2007 stieß Schavan eine Initiative zu Erleichterung des Zuzugs ausländischer Arbeitnehmer an. Sie schlug vor, die Lohn- und Gehaltsgrenze, ab der ausländische Fachkräfte in Deutschland arbeiten dürfen, von 85.000 auf 60.000 Euro zu senken. Bezugnehmend auf den zu diesem Zeitpunkt aktuellen Migrationsbericht der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) erklärte sie in diesem Zusammenhang: „Auch wenn alle gut gebildet und ausgebildet in Deutschland sind, braucht es darüber hinaus qualifizierte Fachkräfte von anderswo.“[77][78]

Kabinette[Bearbeiten] Aus dem Fall Schavan lässt sich ersehen: "In den vergangenen Jahrzehnten ist eine Kaste von Wissensfunktionären entstanden, die von Exzellenz faseln, aber nur leeres Stroh dreschen" (Thomas Gutschker). Die Reaktion der Universität Düsseldorf auf ihr Plagiat hatte die Ministerin als ein „Unrecht“ beklagt, das nicht nur ihr, „sondern auch der Wissenschaft“ schade; dem Gutachter der Universität warf sie ein „irres Menschenbild“ vor: "wer eine Arbeit über das Gewissen schreibe, könne gar nicht täuschen" (Gutschker 2014).

Noch lange nach ihrem Rücktritt hob die Ex-Ministerin hervor, dass sie "enmorm viel Zuspruch" "besonders aus der Wissenschaft erfahren" habe. Tatsächlich wurde sie gestützt durch Präsidenten der großen Wissenschaftsorganisationen, Hochschulpräsidenten, Bildungsforscher. Das aber zeigt die Dimension der Gefahr für die Wissenschaft: "in keinem anderen Plagiatsverfahren hat es jemals eine solche Parteinahme von Professoren mit einer Beschuldigten gegeben. Erziehungswissenschaftler versicherten eilfertig, es handle sich bei ihrer Disziplin gar nicht um eine Wissenschaft, also müssten an eine Dissertation in diesem Fach geringere Maßstäbe angelegt werden. Die Allianz der großen deutschen Wissenschaftsorganisationen verstieg sich zu der Behauptung, verfahrensrechtliche Korrektheit sei „keine hinreichende Bedingung, um die Entscheidung über die Aberkennung eines Doktorgrades zu begründen“. Und als Schavan schon zurückgetreten war, stellte sich noch ein Mann vor sie, der jahrelang an der Spitze der Deutschen Forschungsgemeinschaft gestanden hatte. Die Aberkennung des Doktortitels mute „jakobinisch“ an, geiferte Ernst-Ludwig Winnacker, weil auch damals „Menschen in Hetzjagden verfolgt wurden, die dieses nicht verdient hatten“. Also: Die Universität Düsseldorf, ihr Gutachter und ihre Gremien, soll eine Ministerin aus niederen Motiven verfolgt haben! Unrecht, irres Menschenbild.

Diese „Argumente“ waren schon damals leicht zu widerlegen. Schavan selbst hatte die Universität gebeten, ihre Arbeit zu überprüfen. Ein Gutachter spürte in philologischer Detailarbeit sechzig Plagiate auf. Sein Gutachten wurde durchgestochen - das war ärgerlich, aber kein Beleg für Verfolgungswahn. Alle Beratungen folgten strikt der Promotionsordnung. Und es fand sich sogar ein Leitfaden für wissenschaftliches Arbeiten, den Schavans Doktorvater seinerzeit erstellt hatte - von wegen andere Maßstäbe.

Im Fall Schavan haben ein großer Teil der Wissenschaftsgemeinde und ein kleiner Teil der Öffentlichkeit die komplette Umwertung der Werte wissenschaftlichen Arbeitens versucht. Natürlich krähten die am lautesten, die am meisten von den Milliardenzuteilungen der Ministerin abhängig waren. Die wahren Gründe aber liegen tiefer. In den vergangenen Jahrzehnten ist eine Kaste von Wissensfunktionären entstanden, die sich selbst oftmals nicht durch wissenschaftliche Spitzenleistungen auszeichnen, sondern durch Managementfähigkeiten. Sie faseln von Exzellenz, dreschen aber nur leeres Stroh.

So arbeitet, wer betrügt Wie gut, dass Annette Schavan gegen die Universität Düsseldorf geklagt hat! Denn nun haben sie und ihre Speichellecker es schwarz auf weiß: Der Entzug ihres Titels war rechtmäßig. Die Universitätsgremien haben rechtmäßig gehandelt und plausibel begründet, warum Schavan getäuscht hat. Ausschlaggebend dafür waren gerade jene Stellen, in denen sie nicht bloß wörtlich aus Fachbüchern abschrieb, ohne das zu kennzeichnen, sondern besonderen Aufwand trieb, um die Herkunft ihrer Gedanken zu verschleiern: durch geschicktes Umstellen und Umformulieren. So arbeitet nicht, wer bloß in seinem Zettelkasten die Übersicht verliert. So arbeitet, wer betrügt. Schavan kann noch versuchen, eine Berufung zu erwirken, doch ihre Rechtsvertreter standen schon in Düsseldorf mit leeren Händen da.

Hoffentlich führt das Urteil des Verwaltungsgerichts den Parteigängern Schavans vor Augen, welches Unrecht sie der Wissenschaft angetan haben - insbesondere den redlichen Düsseldorfer Kollegen. Schavan tritt weiter kämpferisch auf, sie hat sich in ihrer Verschwörungswelt eingemauert. Deshalb stellt sich noch eine andere Frage: Ist es wirklich angeraten, sie demnächst zur Botschafterin beim Vatikan zu erheben? Ausgerechnet eine Frau, die des Betrugs überführt wurde und bis heute weder Einsicht noch Reue zeigt?

Die Spitzen der großen Koalition haben diesen Plan ausgeheckt, um einer verdienten Politikerin einen netten Lebensabend zu bescheren, mit dem doppelten Gehalt eines Universitätsprofessors und einer schicken Residenz. Vielleicht wollen sie dem Vatikan auch bloß zu verstehen geben, was sie von ihm halten. Besser wäre es freilich, sie würden noch einmal in sich gehen."


Weblinks und Literatur

  • Brandt, Hartwin (FAZ 14.05.2104: N4) Was mit Diplomatie. Nach Schaven: Neue Zugänge zum Auswärtigen Dienst