Ameisenkolonie

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Die Ameisenkolonie wird auch als eusozialer Insektenstaat bezeichnet. Eusozialität bedeutet: wirklich, bzw. in einem positiven Sinne sozial - also gekennzeichnet durch (1.) das Kümmern der Erwachsenen um die Aufzucht der nächsten Generation, (2.) das Zusammenleben von zwei oder mehr Generationen und (3.) eine kollektive Arbeitsteilung zwischen einem fortpflanzungsaktiven Individuuum (der sog. Königin) und sterilen HelferInnen (den sog. Arbeiterinnen). Die größten und komplexesten Gesellschaften bilden die sog. Blattschneiderameisen, die über (1) chemosensorische Kommunikation, (2) Arbeitsteilung und (3) Pilzzucht (also Anbau von Nahrungsmitteln) verfügen. Der große Unterschied zur menschlichen Gesellschaft: alles beruht auf Instinkt, nicht Religion, Verfassungen oder anderen normativen Ordnungen kultureller Art. Damit sparen sich die Ameisenkolonien auch Diskussionen über Abweichung und Konformität, über Verfassungstreue und Verrat, über Verbrechen und Strafen - und die Strafen selbst.

Für Menschen ist die Gesellschaft der Blattschneiderameisen provozierend, weil dieses soziale System ohne die für menschliche Gesellschaften unvermeidlichen Widersprüche zwischen (1) Individuum und Kollektiv, bzw. (2) Inhabern von privilegierten und nicht-privilegierten (subalternen) Positionen existieren.

Die sog. Königin

Eine Königin lebt 10-15 Jahre. Sie kann 150-200 Millionen weibliche Nachkommen hervorbringen. Dafür hat sie mehr als 200 Millionen Spermien, die sie von zahlreichen männlichen Ameisen (die nach Lieferung ihrer Spermien während des sog. Hochzeitsflugs sofort sterben) in ihrer Spermathek bunkert. Die von mehreren Männchen befruchtete Königin gräbt sich ins Erdreich und legt Eier, von denen ihr ein Teil auch als Eiweiß-Nahrung dient. Die schnell immer zahlreicher werdenden Arbeiterinnen legen ein verzweigtes Gangsystem mit mehreren Kammern an, wo sie ihre eigenen speziellen Pilze züchten und kultivieren. Grundstoff der Zucht sind zerschnittene Baumblätter, die sie auf mit beständigen Duftstoffen markierten Waldwegen heranholen, zerschneiden und in den Kammern lagern. Bald entwickelt sich ein arbeitsteiliges Kastensystem: die großen Erntearbeiter schneiden die Blätter, Packer nehmen sie am Eingang entgegen, Reinigungskräfte entsorgen den Müll und winzige Pflegerinnen kultivieren die Pilze. Wenn eine ganze Abteilung ausfällt, können Transporteure auch wieder zu Bäuerinnen werden. Darüber hinaus regulieren die Arbeiterinnen die Eiablage der Königin: "Haben die Larven Hunger, werden alle Prozesse beschleunigt, sind sie satt, verlangsamt" (Riechelmann 2010).

Die Ameisenkolonie als Organismus

William Morton Wheeler (1911) beschrieb die Ameisenkolonie in Analogie zu einem Organismus: die Königin ist das Fortpflanzungsorgan. Die Arbeiterinnen sind Gehirn, Herz, Verdauungstrakt und Körpergewebe. Dem Blutkreislauf entspricht der Austausch von flüssigem Futter unter den Mitgliedern der Ameisenkolonie. Also eine Analogie.

Bert Hölldobler und Edward O. Wilson (1995; 2010) sehen die Ameisenkolonie ähnlich.


Literatur

  • Hölldobler, Bert & Wilson, Edward O. (1995) Ameisen. Die Entdeckung einer faszinierenden Welt.
  • Hölldobler, Bert & Wilson, Edward O. (2010) Der Superorganismus. Der Erfolg von Ameisen, Bienen, Wespen und Termiten.
  • Riechelmann, Cord (2010) Die Ameise als Paradigma der Gesellschaftswissenschaft. FAZ 27.01.10: N4.
  • Wheeler, William Morton (1911) The Ant Colony as an Organism. Full text: [[1]]

Weblinks

  • Wehner, Rüdiger (2001) Vetternwirtschaft im Ameisenstaat. NZZ Folio 7.2001 [[2]]