Alkoholverbot in den USA

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Das Alkoholverbot in den USA (1920-1933) gilt als Modellfall einer Prohibition. Seine Struktur und Wirkungsweise kennzeichnen auch andere Fälle der Alkoholprohibition und darüber hinaus auch die heutige weltweite Drogenprohibition. Seinerzeit als "The Noble Experiment" bekannt, prägte sich die Prohibition dem kollektiven Gedächtnis vor allem durch ihre ungewollten Nebenfolgen in Form der amerikanischen Mafia und der Korruption ein.

Einführung

Die Prohibition begann am 16.01.1920 mit dem Inkrafttreten des sog. Volstead Acts (= 18th Amendment; 18. Verfassungszusatz). Der Vorschlag war vom US-Senat gekommen (18.12.1917). 36 Staaten hatten ihn bestätigt. Am 16.01.1919 war er ratifiziert worden. Nachdem der Kongress dann noch im Oktober 1919 mit überwältigender Mehrheit das Veto des US-Präsidenten Wilson überstimmt hatte, konnte die Prohibition in Kraft treten. - Damit war ein Prozess abgeschlossen, der 1851 im Staate Maine mit der ersten Prohibition auf Bundesstaatsebene begonnen hatte. 1916 galt schon in 23 Bundesstaaten der USA ein generelles Alkoholverbo, in 17 davon war es durch Volksabstimmung zustande gekommen.

Die Einführung der Prohibition verlief parallel zur Einführung des Frauenwahlrechts: nachdem es 1900 nur in elf Staaten galt, wurde fast zeitgleich mit der Prohibition das Frauenwahlrecht in die Verfassung aufgenommen (28.08.1920). Sigmund Freud schrieb in diesem Zusammenhang 1927 in „Die Zukunft einer Illusion“:

Wer durch Dezennien Schlafmittel genommen hat, kann natürlich nicht schlafen, wenn man ihm das Mittel entzieht. Dass die Wirkung der religiösen Tröstungen der eines Narkotikums gleichgesetzt werden darf, wird durch einen Vorgang in Amerika hübsch erläutert. Dort will man jetzt den Menschen – offenbar unter dem Einfluss der Frauenherrschaft – alle Reiz-, Rausch- und Genussmittel entziehen und übersättigt sie zur Entschädigung mit Gottesfurcht. Auch auf den Ausgang dieses Experiments braucht man nicht neugierig zu sein.

Die Problematisierung des Alkoholkonsums ist freilich älter. Sie wurde befördert durch die technische Ermöglichung des Massenkonsums von Bier in den USA. Neue Herstellungs-, Kühlungs- und Distributionsmethoden ("Eisenbahn") und die sog. Saloons mit ihrer gelegentlichen Kombination von Alkohol, Glücksspiel und Prostitution begünstigten die Gründung einer Prohibitionspartei (1869).

Die Verbindung der Frauenbewegung (Christlicher Frauenbund für Abstinenz; Women’s Christian Temperance Union) mit der 1893 in Oberlin (Ohio) gegründeten 'Anti-Saloon-League' übte erheblichen Einfluss aus. Als Gegenbewegung formierten sich die „Anti-Temperance-Societies“, die beispielsweise unter den Baptisten eine starke Fraktion hatten. Sie hielten den Alkohol weiterhin für eine Gabe Gottes.

Ende

Die Beendigung der Prohibition erfolgte durch Volksabstimmungen und nicht durch die jeweiligen Parlamente der Einzelstaaten. Am 5.12.1933 endete die Prohibition landesweit, als mit Utah der 36. Bundesstaat den 21. Zusatzartikel der Verfassung vom 20.2.1933 ratifizierte, womit die nötige Quote von 3/4 der (damals 48) Staaten erreicht war. Noch heute wird von manchen der 5. Dezember als Repeal Day gefeiert. Das war während der Amtszeit von Franklin D. Roosevelt. Zur großen Freude von Brauereien, Liberalen, Kriegsheimkehrern, katholischen Einwanderern und Kriminologen.

Dieser Zusatzartikel stellte es den Bundesstaaten jedoch frei, die Prohibition auf eigene Faust fortzuführen. 1948 bestand sie immer noch in drei Staaten. Erst 1966 schaffte mit Mississippi der letzte US-Bundesstaat sie wieder ab. Es gibt jedoch auch heute noch "trockene" Städte und Landkreise vor allem in den Südstaaten. In vielen US-Bundesstaaten ist der Kauf von Alkohol weiterhin nur in staatseigenen Läden erlaubt, die teilweise nur in relativ geringer Anzahl existieren und für amerikanische Verhältnisse sehr beschränkte Öffnungszeiten haben. In einigen Staaten ist das Mitbringen von Alkohol aus anderen Bundesstaaten weiterhin eine Straftat.

Wirkungen

Es gab immer irgendwo trinkbaren Alkohol zu kaufen; vor allem in New York City und Chicago. Insbesondere in den sogenannten „Speakeasys“, also getarnten Lokalitäten, in denen es (nach außen) nicht allzu laut zuging. Anfang der 1920er Jahre schätzte die Polizei die Zahl illegaler Kneipen in der Stadt New York auf 32.000 – doppelt so viele, wie es vor der Prohibition an legalen Kneipen gab.

Die Organisation des illegalen Alkoholhandels hatten organisierte Banden übernommen. Im Stadtgebiet von New York City beherrschte die US-amerikanische Cosa Nostra 25 % und die sogenannte Kosher Nostra 70 % des Schwarzmarktes. Den Rest teilten sich Iren und andere. In Chicago hingegen herrschte das Chicago Outfit unter Al Capone, das sich gegen die irische North Side Gang durchsetzte. Die Gewinne aus diesem Handel waren im Vergleich zu den bisher betriebenen Geschäftsfeldern der Banden immens und wurden später nur durch Einnahmen aus dem illegalen Drogenhandel, insbesondere mit Heroin und Kokain oder Designerdrogen, übertroffen.

Das Alkoholverbot hat seine Ziele in keiner Weise erreicht, sondern im Gegenteil dem Gangstertum erst zum Aufschwung verholfen und die Korruption befördert. Der politische Einfluss durch das entstandene Schwarzgeld hat die Cosa Nostra immer wieder vor der Strafverfolgung beschützt. So wurden die unterbezahlten Prohibitionsagenten, die das Verbot eigentlich überwachen sollten, durch Bestechung und Bedrohung gefügig gemacht. Bestochene Polizisten verrieten den Termin einer Razzia oder schauten generell weg; hochrangige Politiker und Beamte stellten z. B. Waffenscheine aus oder verhinderten staatsanwaltschaftliche Ermittlungen.

Die Implementierung des Verbots war nicht effektiv. Illegale Produktion und Verbreitung von Alkohol breiteten sich rasch aus. Vor allem in den Großstädten entstanden sogenannte Flüsterkneipen ("Speakeasy"). In New York City stieg deren Zahl von 1922 bis 1927 von rund 5.000 auf 30.000, wenn nicht 100.000 an [[1]].

In den Großstädten wurde die Prohibition unpopulär. Am 23.03. 1933 unterzeichnete Präsident Franklin D. Roosevelt ein als Cullen-Harrison Act bekannt gewordenes Gesetz zur Aufhebung des Volstead Acts. Am 5.12. 1933 hob die Unterzeichnung des 21. Zusatzartikels zur Verfassung den 18. Zusatzartikel auf.


Positive Auswirkungen

Während der Prohibition ging der Gesamt-Alkoholkonsum in den USA zurück. Auch Todesfälle aufgrund alkoholbedingter Schäden (wie z.B. Leberzirrhose) gingen zurück.

Negative Auswirkungen

Die erhoffte Kriminalitätsreduktion blieb aus. Die landesweit rund 2.300 und zudem schlechtbezahlten Prohibitionsagenten waren nicht in der Lage, das Verbot vollständig durchzusetzen. In den Folgejahren entwickelte sich das illegale Geschäft sehr zügig, da die Nachfrage nach Alkohol nicht aufhörte. Als Straftat wurde nur der Verkauf gewertet, nicht der bloße Konsum. Allein von 1920 bis 1921 stieg die Kriminalität um 24 Prozent an. Auch über die ganzen 1920er Jahre nahm die Kriminalität stark zu:

13 % mehr schwere Verbrechen 81 % mehr Fälle der Trunkenheit am Steuer (wobei hier allerdings der gleichzeitige Anstieg der Zahl der überhaupt vorhandenen Autos berücksichtigt werden muss) 9 % mehr andere Delikte Die verheerendsten Folgen der Prohibition waren im Hinblick auf den Anstieg der Kriminalität insbesondere bei der organisierten Kriminalität zu beobachten. Kriminelle wie Johnny Torrio und Al Capone in Chicago beispielsweise bauten sich regelrecht eine eigene komplette Alkohol-Industrie auf, da das Verbot es ermöglichte, vielfach höhere Preise für Alkohol zu verlangen.

Produktion: auch „Moonshining“ – Brauen und Destillieren in häufig von Einzelpersonen aus der Unterschicht unterhaltenen illegalen Kleinstbetrieben. Einfuhr: Mit dem Begriff Pipeline bezeichnete man in den USA der Prohibitionszeit ein von den Schmugglerbanden betriebenes Transportnetz. Dieses bestand unter anderem aus Tunneln und präparierten Lastwagen (für den Schmuggel aus Mexiko und Kanada) sowie einer ganzen Flotte von Schmuggelschiffen. Im kubanischen Varadero befindet sich eine Villa, die Al Capone als Schnapsdepot diente; heute befindet sich dort das Restaurant 'Casa de Al'. Von Kuba wurde der Alkohol auf Yachten nach Florida transportiert. Die Fahrtrouten dieser Schiffe hießen im Volksmund „Schnapsstraße“ (engl. Rum Row). Vertrieb: Verkauft wurde vor allem in illegalen Kneipen (Speakeasys).



Spätfolgen

Organisiertes Verbrechen: Obwohl den Alkoholschmugglern durch das Ende der Prohibition ihr „Kerngeschäft“ genommen wurde, blieben die Strukturen des organisierten Verbrechens bestehen und suchten nach neuen Geschäftsfeldern. Diese bestanden vor allem im Handel mit weiterhin illegalen Betäubungsmitteln wie Opium, woraus sich der bis heute bestehende organisierte Drogenhandel entwickelte.

  • Brauwesen: Von einigen tausend kleinen und mittleren Brauereien vor der Prohibition blieb in den USA nur noch eine Handvoll Multis übrig, auch das Fachwissen der Braumeister ging weitestgehend verloren.
  • Weinanbau: Durch die großflächige Rodung von Weinbergen lag der Weinbau noch jahrzehntelang darnieder.
  • Trinkverhalten: Cocktails, meist aus starken Spirituosen und nichtalkoholischen Getränken gemischt, blieben auch nach der Prohibition in den USA noch lange beliebter als Wein und Bier.

Spielfilme

  1. “The Public Enemy.” Deutsch: Der öffentliche Feind. William Wellman 1931. Entstehung von Jimmy Cagney als Star. Begründete das Genre des Gangsterfilms. Tom Powers (Cagney) macht Karriere und findet ein trauriges Ende. Gewaltszenen einschließlich einer berüchtigten Grapefruit-Szene sorgten für Kontroversen.
  2. “Little Caesar.” Rico (Edward G. Robinson) macht über die klandestinen Trinkorte (Speakeasies) Karriere, bevor er tief und hart fällt.
  3. “Scarface.” 1932. Al Capone lieferte unfreiwillig die Vorlage. Paul Muni in der Titelrolle. Bandenkrieg über Speakeasies. Muni wird Chicagos Boss. 1983 remake mit Al Pacino in der Hauptrolle.
  4. “The Roaring Twenties.” Deutsch: Die Wilden Zwanziger. Alte Soldatenfreunde werden Rivalen im Alkoholschmuggel (bootlegging). 1939. Cagney und Humphrey Bogart. Mit dem Ende der Prohibition endet auch ihre Karriere.
  5. “Some Like It Hot.” 1959. Tony Curtis und Jack Lemmon fliehen vor Gangstern, nachdem sie zufällig Zeugen eines Massakers geworden waren. Sie treffen und wollen Marilyn Monroe, während sie gleichzeitig den Gangstern entkommen wollen.
  6. “The St. Valentine’s Day Massacre.” 1967. Regisseur Roger Corman. 7 rivalisierende Gangster wurden von Capones Leuten umgebracht. Medienberichte über das Massaker "proved to America that Prohibition was simply not working; it was repealed four years later."
  7. “The Great Gatsby.” 1974. Jay Gatsby (Robert Redford) verkörpert den Übermut der “Roaring Twenties” nach F. Scott Fitzgeralds Vorlage. Versionen: 1949; 2000.
  8. “Once Upon a Time in America.” Deutsch: Es war einmal in Amerika. Sergio Leones letzter Film (1984). Schwarzmarkt befördert Karriere der Straßenkinder Robert De Niro und James Woods in New York. Repeal bringt das Ende - auch ihrer Träume vom Reichtum.
  9. “Miller’s Crossing.” Coen Brothers. 1990. Albert Finney als Gangsterboss, der von seinem besten Mann, Gabriel Byrne, manipuliert wird.
  10. "Legends of the Fall" Deutsch: Legenden der Leidenschaft. Edward Zwick 1994.
  11. "Last Man Standing" 1996.
  12. “The Untouchables.” Die Unbestechlichen. 1987. Nach dem Remake von "Scarface" schuf Brian de Palma einen der besten Prohibitionsfilme aller Zeiten. Basierend auf den Erfahrungen des Ermittlers Eliot Ness, der es mit korrupten Polizisten und Capones Chicago-Gangstern aufgenommen hatte. Mit Kevin Costner, de Niro, Sean Connery. Oscar.
  13. Filme zu Al Capone: 1932 Scarface, 1959 Al Capone, 1967 Chicago-Massaker (St. Valentine’s Day Massacre)

Videos

Literatur

Fachliteratur

  • Hepner, Adolf (1912) Die amerikanische Prohibition und die abstinenten Sozialisten. In: Sozialistische Monatshefte 16, Heft 1, S. 37–44.
  • Kobler, John (1973) Ardent Spirits: The Rise and Fall of Prohibition. New York: Putnam.
  • Okrent, Daniel (2010) Last Call: The Rise and Fall of Prohibition.
  • Rorabaugh, W.J. (1979) The Alcoholic Republic: An American Tradition. Oxford University Press.

Romane

  • F. Scott Fitzgerald: Der große Gatsby
  • Upton Sinclair: Alkohol (engl. Originaltitel: The Wet Parade)
  • Jacques R. Pécheral: Gib dem Haifisch keinen Rum (franz. Originaltitel Boulevard du Rhum)

Weblinks

  • Alcohol Prohibition Was A Failure auf cato.org.
  • Alkoholprohibition – kein aktuelles Thema auf edimuster.ch.
  • Darstellungen aus der Zeit der Alkoholprohibition auf authentichistory.com.
  • National Institute on Alcohol Abuse and Alcoholism, National Institutes of Health, www.alcoholpolicy.niaaa.nih.gov.
  • Teaching With Documents: The Volstead Act and Related Prohibition Documents. The National Archives, 14. Februar 2008, abgerufen am 28. Oktober 2009 (Englisch).