Alfred Hoche

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Alfred Erich Hoche (* 1. August 1865 in Wildenhain; † 16. Mai 1943 in Baden-Baden) war ein deutscher Psychiater. Als Psychiatrie-Professor (seit 1902) in Freiburg i.Br. und Direktor der Universitätsnervenklinik war Hoche u.a. an der Güterabwägung zwischen der Pflicht des Arztes zur Lebensverlängerung einerseits und den volkswirtschaftlichen Kosten der Verwahrung unheilbar Demenzpatienten andererseits interessiert. Dabei ging es ihm in seiner 1920 zusammen mit dem Strafrechtler Karl Binding veröffentlichten Schrift über "Die Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens. Ihr Maß und ihre Form" - die später vom NS-Staat zur Legitimierung der "Euthanasie" herangezogen wurde - um die Betonung der Gemeinschaftsinteressen gegenüber einer Verwahrung von "Ballastexistenzen" und "leeren Menschenhülsen". Hoche hoffte auf ein Ende der von ihm beklagten Zeit eines "überspannten Humanitätsbegriffes" und einer Überschätzung des Wertes des Einzelnen gegenüber der Gesamtheit.

Mit seinen volkswirtschaftlichen Überlegungen wurde Hoche zu einem "Mörderischer Vordenker" (Ernst Klee) der NS-"Euthanasie". O-Ton Hoche: "Nehmen wir für den Einzelfall eine durchschnittliche Lebensdauer von 50 Jahren an, so ist leicht zu ermessen, welches ungeheure Kapital in Form von Nahrungsmitteln, Kleidung und Heizung dem Nationalvermögen für einen unproduktiven Zweck entzogen wird. ... ein Pflegepersonal von vielen tausend Köpfen wird für diese gänzlich unfruchtbare Aufgabe festgelegt und fördernder Arbeit entzogen."

Deutsche Eugeniker/Rassenhygieniker lehnten Hoches Gedanken scharf ab. Selbst der - Hoche noch am nächsten kommende - Fritz Lenz äußerte zu Hoches Rentabilitätsargumenten: "Im Grunde ist eine solche ‚Begründung’ eine Ungeheuerlichkeit. Die Wirtschaft hat dem Leben zu dienen, nicht das Leben der Wirtschaft" (Baur/Fischer/Lenz; Grundriß der menschlichen Erblichkeitslehre, 1923,Bd. II, Seite 246).

1933 schied der mit Hedwig Goldschmidt verheiratete Hoche auf eigenes Ersuchen - um einer demütigenden Entlassung zuvorzukommen - aus seiner Tätigkeit aus und widmete sich der Literatur. Nachdem Hoche die Urne mit der Asche einer Verwandten, die Opfer der "Euthanasie" geworden war, zugeschickt bekommen und bei einem zufälligen Treffen mit dem Leiter der Heil- und Pflegeanstalt Emmendingen im Sommer 1940 seine schärfste Missbilligung der NS-Maßnahmen zum Ausdruck gebracht hatte, nahm er sich 1943 selbst das Leben.


Literatur

  • Alfred E. Hoche: Aus der Werkstatt. Psychologie. Geisteskrankheit Lehmanns, München 1. Aufl. 1935 (265 S.); 13.- 15.Tausend 1937 (273 S.); weitere (7.) Auflage 1950 (nur 178 S.!) ebd. - Um dem Buch einen harmlosen Titel zu verpassen, wird es heute fast ausschl. mit dem Titel "Aus der Werkstatt" zitiert.
  • Klaus-Peter Drechsel: Beurteilt, vermessen, ermordet. Praxis der Euthanasie bis zum Ende des deutschen Faschismus Duisburg 1993 ISBN 3927388378
  • Ernst Klee: «Euthanasie» im NS-Staat. Die «Vernichtung lebensunwerten Lebens» Fischer TB, Frankfurt 1985
  • Rezension Vernichtung lebensunwerten Lebens Verf. F. Limacher aus Bern, Internationales Ärztliches Bulletin, Dezember 1934, Nummer 12 (Erscheinungsort: Prag), 181-183, hier 183, neu erschienen in: Beiträge zur nationalsozialistischen Gesundheits- und Sozialpolitik, Band 7, Internationales Ärztliches Bulletin, Jahrgang I-VI (1934-1939), Reprint, Rotbuch Verlag, Berlin 1989.
  • Walter Müller-Seidel: Alfred Erich Hoche - Lebensgeschichte im Spannungsfeld von Psychiatrie, Strafrecht und Literatur, Verlag der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, München 1999, ISBN 3 7696 16073
  • Holger Steinberg: Alfred Erich Hoche in der Psychiatrie seiner Zeit vor dem Hintergrund der Schrift Die Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens In: Ortrun Riha (Hg): Die Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens. Beiträge des Symposiums über Karl Binding und Alfred Hoche am 2. Dezember 2004 in Leipzig [Schriftenreihe des Instituts für Ethik in der Medizin Leipzig e.V., Bd. 7] Shaker, Aachen 2005 S. 68 - 102

Weblinks