Celler Loch

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Der Ausdruck Celler Loch bezeichnet ein rund 40 cm großes Loch in der Außenmauer der Justizvollzugsanstalt Celle (Niedersachsen), das durch eine Sprengung am 25.07.1978 zustande gekommen war. Angeblich handelte es sich um einen terroristischen Anschlag zur Befreiung von Gefangenen, und zwar insbesondere von Sigurd Debus. Erst 1986 kam heraus, dass die wahren Urheber des Anschlags der niedersächsische Verfassungsschutz und die GSG 9 waren.

Das Amt hatte zwei als V-Leute tätige Vorbestrafte angeheuert, um eine terroristische Tat vorzutäuschen (Versuch der Befreiung des dort einsitzenden mutmaßlichen RAF-Mitglieds Debus) und einen Informanten in die Rote Armee Fraktion einzuschleusen. Eingeweiht in diese Aktion Feuerzauber waren wohl die Landesregierung unter Ernst Albrecht (CDU) - Justizminister war der Kriminologe Hans-Dieter Schwind (CDU) - die Anstaltsleitung und die GSG 9. Angeblich sollen das Bundesinnenministerium als vorgesetzte Behörde der GSG 9, das Bundesamt für Verfassungsschutz, die Bundesregierung und die Landespolizei nicht vorab informiert gewesen sein. Eine vollständige Aufklärung steht noch aus.

Vorbereitung und Durchführung

Der Verfassungsschutz hatte unter Mitwirkung des Privatagenten Werner Mauss einen gestohlenen Mercedes SL, der im Januar 1978 bei einer Polizeikontrolle in Salzgitter sichergestellt worden war, nachdem sich der Fahrer durch Flucht einer Überprüfung entzogen hatte, als Tat- und angeblichen Fluchtwagen organisiert und entsprechend mit Munition und gefälschten Pässen - darunter auch einem mit einem Foto von Debus - präpariert. Als Fahrer des Wagens fungierte ein Mitarbeiter des Verfassungsschutzes. Nachdem der angebliche terroristische Anschlag am 25.7.1978 mit geringem Sachschaden und ohne den vermeintlich geplanten Ausbruch durchgeführt worden war, präsentierte man den Medien den angeheuerten V-Mann Loudil als Tatverdächtigen. Zudem konnte man Ausbruchswerkzeug vorweisen, das man in der Zelle von Sigurd Debus gefunden hatte (nachdem der Verfassungsschutz es in die Zelle hatte hineinschmuggeln lassen). Zusammen mit der Veröffentlichung eines Schriftstücks von Karl-Heinz Dellwo, in dem dieser dazu aufforderte, „durch Anschläge auf den äußeren Bereich von Vollzugsanstalten“ auf die „Zusammenlegung einsitzender Terroristen zu Interaktionsgruppen“ hinzuwirken, sollten diese Vorkehrungen die Mär vom terroristischen Befreiungsversuch glaubhaft machen.

Folgen

Für Sigurd Debus

1979 wurde Debus in die JVA Fuhlsbüttel verlegt. Seine Anträge auf Hafterleichterung wurden unter Hinweis auf den Sprengstoffanschlag abgelehnt. Im Februar 1981 beteiligte er sich an einem Hungerstreik der Gefangenen aus der RAF. Ab März 1981 wurde er zwangsernährt. Anfang April fiel er bei einer Zwangsernährung ins Koma. Nachdem am 11. April fälschlich sein Tod gemeldet worden war, kam es in einigen deutschen Städten zu Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und Demonstranten. Am 16. April starb Debus aufgrund einer inneren Kopfblutung im Zusammenhang mit der Zwangsernährung.

Für Ermittler und Täter

  • 1986 wurde Ulrich Neufert wurde für seinen Artikel über die Affäre in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung mit dem „Wächterpreis der deutschen Tagespresse“ ausgezeichnet.
  • Als Gerhard Schröder als damaliger SPD-Spitzenkandidat Albrecht dafür attackierte, dass dieser "zur Bekämpfung des Terrors den Einsatz terroristischer Mittel anordnet", antwortete der Ministerpräsident: "Ich bin sicher, dass unsere Bevölkerung genau das von mir verlangt."
  • Vor einem Untersuchungsausschuss des niedersächsischen Landtags stellte die Regierung Albrecht die Aktion wahrheitswidrig als achtbaren Erfolg dar: man habe Zugang zu Terroristen erhalten, einen Ausbruch vereitelt und Waffen gefunden.
  • In diesem Zusammenhang geriet Innenminister Wilfried Hasselmann (CDU) unter Druck. Offizieller Rücktrittsgrund war 1988 allerdings eine sog. Spielbankenaffäre.

Film

Am 28. Januar 1989 wurde der später mit dem Max-Ophüls-Preis ausgezeichnete Dokumentarfilm „Das Celler Loch“ von Herbert Linkesch (Regisseur) und Rudi Reinbold (Produzent) uraufgeführt.

Literatur

  • Christa Ellersiek, Wolfgang Becker: Das Celler Loch. Die Hintergründe der Aktion Feuerzauber. Verlag am Galgenberg, Hamburg 1987, ISBN 3-925387-30-7.
  • Gerhard Wisnewski, Wolfgang Landgraeber, Ekkehard Sieker: Das RAF-Phantom. Knaur, München 1992, ISBN 3-426-80010-1, S. 309 ff.
  • Rolf Cranzen: Aktion Feuerzauber. SWR2 Wissen 12. Oktober 2007, 27 min. Manuskript

Weblinks

Modifiziert übernommen aus: Celler Loch in: de.wikipedia