Adoleszenz

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Die Adoleszenz beschreibt die Phase des Übergangs von Kindheit zum Erwachsensein.

Der Begriff wird in der Jugendforschung verwendet und gilt allgemein als Synonym für den Begriff Jugend. Neben anderen Entwicklungsabschnitten ist die Adoleszenz ein Betrachtungs- und Forschungsgegenstand der Entwicklungspsychologie. Der Begriff beschränkt sich dabei nicht auf eine spezielle Altersgrenze sondern wird vermehrt anhand biologischer und soziologischer Kriterien bestimmt.

Der Begriff stammt aus dem lateinischen adolescere und bedeutet heranwachsen (vgl. definition-online.de).

Definition/Historie

Die Adoleszenz bezeichnet die Phase des Übergangs von Kindheit zum Erwachsensein. Sie wird ausgelöst durch körperliche Veränderungen, beginnend mit der Pubertät (vgl. King/Flaake, S. 10f). Die Vielfältigen biologischen Veränderungen werden von einer Reihe psychosozialer Veränderungen begleitet. Die meisten Jugendlichen durchlaufen diese Lebensphase ohne kristenhafte Zuspitzungen (vgl. neurologen-und-psychiater-im-netz.org). Dabei steht Adoleszenz für die generelle Entwicklungsstufe. Der synonyme Begriff Jugendalter wird eher selten verwendet um eine Vorstellung, Entwicklung und Entwicklungsstufen seien durch das Lebensalter bestimmt, zu vermeiden. Die Menschen dieser Entwicklungsstufe werden als Jugendliche bezeichnet(vgl. Flammer/Alsaker S. 34).

Die erste große Monographie zur Adoleszenz veröffentlichte der US-amerikanische Psychologe Stanley Hall 1904. Er bezeichnete die Jugendzeit als dramatische Lebensphase, voll von Gegegnsätzen wie Euphorie und Niedergeschlagenheit, Wohlverhalten und Fehlverhalten, Ernsthaftigkeit und Albernheit. Diese Beschreibung des Jugendalters hat das Paradigma gefestigt, die Adoleszenz als eine eigenständige, psychologisch zu beschreibende Entwicklungsphase zu sehen (vgl. Fend S. 41f).

Beginn und Ende der Adoleszenz

Die Wissenschaft ist sich über Beginn und Ende der Adoleszenz nicht einig. Auf feste Alterszahlen legen sich nur wenige Autoren fest (vgl. Flammer/Alsaker S. 20f). Aus pädagogisch-psychologischer Sicht kommt man zunehmend davon ab Altersgrenzen anzugeben. Stattdessen werden vermehrt biologische oder soziologische Kriterien definiert (vgl. Rossmann S. 141). In der Entwicklungspsychologie werden Kriterien vorgezogen die sich auf die tatsächlichen Lebenssituationen und die individuellen Kompetenzen junger Menschen beziehen. In vielen Kulturen sind diese an die Schulstruktur gebunden (vgl. Flammer/Alsaker S. 20f).

Als Untergrenze wird von vielen der Beginn der Pubertät benannt. Bei Mädchen wird oft der Zeitpunkt der ersten Monatsblutung genommen. Bei Jungen der Zeitpunkt des ersten Samenergusses, des Stimmbruches bzw. des Auftretens sogenannter sekundärer Geschlechtsmerkmale wie Körperformen oder Schamhaarentwicklung. Für den Abschluss des Jugendalters ist ein biologisches Kriterium nicht auszumachen. Kriterien wie der Abschluss der Erstberufsausbildung oder die soziale und materielle Unabhängigkeit von den Eltern scheinen entscheidender (vgl. Flammer/Alsaker S. 20f).

Die Adoleszenz beginnt individuell unterschiedlich mit dem Einsetzten der Pubertät (biologisch-geschlechtliche Reifung) und endet ebenfalls individuell mit dem Erreichen einer relativ autonomen Lebenssituation, wie wir die für Erwachsende hierzulande als typisch oder normal annehmen. Solche Abschlusskriterien werden in verschiedenen Kulturen und zu verschiedenen historischen Zeiten unterschiedlich konkretisiert und führen zu unterschiedlichen Dauern der Adoleszenz. Zum Erwachsenensein gehört insbesondere eine gewisse emotional-soziale Unabhängigkeit von den Eltern und Autoritätspersonen und eine ökonomische Selbstständigkeit (vgl. Flammer/Alsaker S. 34).

Abgrenzung innerhalb der Adoleszenz

Feinere Unterscheidungen innerhalb der Adoleszenz werden durch die Begriffe frühere, mittlere und späte Adoleszenz getroffen.

Die frühe Adoleszenz (ca. 10 -13 Jahre) ist gekennzeichnet durch die Pubertät, die mittlere (ca. 14 - 16 Jahre) durch das geläufige adoleszente Erscheinungsbild (jugendlicher Lebensstil, Kleidung, Frisur). Die späte Adoleszenz (ca. 17 - 20 Jahre) zeigt Übergangsphänomene zum Erwachsenenstatus (Berufsorientierung, erste Freundschaften mit Perspektiven auf Lebenspartnerschaften, erste Übernahmen von ökonomischer Verantwortung) (vgl. Flamme/ Alsaker S. 34).

Ferner gibt es den Begriff der Postadoleszenz. Die Postadoleszenz ist ein weiterführender Begriff welcher beschreibt, das älteren Jugendlichen immer mehr erwachsene Tätigkeiten zugestanden (z.B. sexuelles, politisches, konsumatorisches Verhalten) werden. Dies führt dazu, das der Mensch psychologisch, sozial und politisch erwachsen und nur noch ökonomisch von Erwachsenen abhängig ist.

Entwicklungsaufgaben der Adoleszenz

Die Adoleszenz geht mit der Bewältigung einer Reihe von Entwicklungsaufgaben einher. Entwicklungsaufgaben sind Aufgaben und Probleme die Menschen in verschiedenen Phasen der Entwicklung bearbeiten müssen. Dabei trifft der biologische Prozess auf den psychischen (bzw. kognitiven) Prozess (vgl. Fend S. 210 ff). Vielfältige biologische Veränderungen werden von einer Reihe psychosozialer Veränderungen begleitet, die den langsamen Eintritt in die Erwachsenenwelt kennzeichnen. Veränderungen im Menschen schaffen neue Handlungsmöglichkeiten und neue Handlungsimpulse. Der Kontext wiederum übersetzt diese neuen Möglichkeiten in neue Anforderungen. Dieses Aufeinandertreffen von innerer Entwicklung und äußeren Anforderungen werden als altersspezifische Entwicklungsaufgaben bezeichnet. In der Auseinandersetzung mit diesen Entwicklungsaufgaben, die als erster Havighurst (1972) formuliert hat, konstituiert und entwickelt sich die Persönlichkeit (vgl. Fend S. 21ff).

Die Entwicklungsaufgaben lassen sich in die mittlere Kindheit (6 - 12 Jahre), die Adoleszenz (12 - 18 Jahre) und das frühe Erwachsenenalter (18 - 30 Jahre) einteilen. In der Adoleszenz stehen Entwicklungsaufgaben in drei Bereichen an. Der erste Bereich ist intrapersonaler Art, er ergibt sich aus den inneren (biologischen/psychischen) Veränderungen in der Adoleszenz. Der zweite ist interpersonaler Natur. Darunter wird das gesamte soziale Beziehungsgefüge einer Person subsumiert. Der dritte Aufgabenbereich ist kulturell-sachlicher Natur und wird durch die Gesamtheit der kulturellen Ansprüche, Vorgaben und Entwicklungsmöglichkeiten repräsentiert (vgl. Fend S. 210 ff). In der Phase der Adoleszenz kommt es zu deutlichen Änderungen in der Selbstwahrnehmung und der Gestaltung der Beziehungen des Einzelnen zur Umwelt.

  • Änderungen der Objektbeziehungen (z.B. Ablösung von der Familie)
  • Gefühlslabilität (z.B: Ambivalenz zwischen sexueller Erregung und Schamgefühl, übertriebene Selbstkritik, Empfindlichkeit)
  • Körperliche Veränderungen (z.B. Wachstumsschub)
  • Änderung der sozialen Kontakte (z.B Freundschaften mit Gleichaltrigen, Peergroup Orientierung)
  • Änderungen der Ideale
  • Aufbau einer eigenen Identität (z.B. Wunsch nach Grenzerfahrungen, Berufsvorstellungen, Zunahme der Urteilsfähigkeit)
  • Soziale Integration (z.B. Übernahme gesellschaftlicher Rollenangebote, Berufsrolle) (vgl. peadpsych.jku.at).

Eine Nicht-Bewältigung von entsprechenden Entwicklungsaufgaben können zu adoleszenten Krisen führen. Diese zeigen sich in vielgestaltigen psychopathologischen Ausformungen und werden durch Risikoverhaltensweisen wie Alkohol oder Drogenkonsum oftmals verschärft (vgl. neurologen-und-psychiater-im-netz.org).

Kriminologische Relevanz

Aufgrund der neuen Erfahrungen und der Bewältigung anstehender Entwicklungsaufgaben sind Jugendliche in der Phase der Adoleszenz oft wenig gefestigt und krisenanfällig. Die Adoleszenz gilt als Zeit des Erprobens neuer Lebensformen, eine Phase in der junge Menschen ein erhöhtes Risikoverhalten praktizieren (vgl. King/Flaake S. 309). Dazu gehört oftmals der Konsum legaler und illegaler Drogen. Im Zuge der Identitätsfindung orientieren sich Jugendliche an selbstgewählten Vorbildern und neigen aufgrund ihrer emotionalen Instabilität oftmals zu leichtsinnigen Gruppenverhalten. Jugendliche handeln oftmals affektiv und aggressiv. Der anhaltende Konflikt zwischen verschiedenen Haltungen, Werten, Ideologien und Lebensstilen kann zu affektiver Gespanntheit führen und Bereitschaft zu Grenzerfahrungen und extremenen Handlungen, sowie solchen Haltungen zu folgen, führen (vgl. Flammer/Alsaker S. 25). Rebellionsbereitschaft, ein ausgeprägtes Risikoverhalten und Veränderungswunsch können in Jugendkriminalität münden. Die Phase der Adoleszenz ist demnach ein wichtiger Baustein bezüglich der Thematik Jugendkriminalität. Sie liefert nicht nur Erklärungswissen sondern spielt auch bei der Beurteilung von Heranwachsenden im Jugendstrafrecht eine zentrale Rolle. Sie kann Aufschluss über Reifekriterien, Zurechnungsfähigkeit und Resozialisierungschancen geben.

Literatur

  • Fend, Helmut: Entwicklungspsychologie des Jugendalters. Opladen. 2000
  • Flammer, August/Alsaker, Francoise D.: Entwicklungspsychologie der Adoleszenz. Die Erschließung innerer und äußerer Welten im Jugendalter. Bern. 2002
  • King, Vera/Flaake, Katrin: Männliche Adoleszenz. Sozialisation und Bildungsprozesse zwischen Kindheit und Erwachsensein. Frankfurt/New York. 2005

Weblinks

  • www.definition-online.de/adoleszenz (zuletzt aufgerufen am 23.02.15)
  • www.neurologen-und-psychiater-im-netz.org/kinder-jugend-psychiatrie/warnzeichen/adoleszenz-adoleszenzkrisen/adoleszenzkrisen (zuletzt aufgerufen am 22.02.15)
  • www.paedpsych.jku.at:4711/LEHRTEXTE/MutzScheer97.html (zuletzt aufgerufen am 23.02.15)