Studentenrevolte

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Studentenrevolte (auch: Studentenbewegung, ‘68er- Bewegung) ist eine soziale Bewegung die ihren Ursprung in der Studentenschaft und bei jungen Menschen hatte, die gegen bestehende soziale Verhältnisse protestierten.


Studentenrevolte in Deutschland

Entstehung und Verlauf in Deutschland

Die Studentenrevolte ist maßgeblich mit der Entwicklung des `Sozialistischer Deutscher Studentenbund (SDS)´ verknüpft und durch das Godesberger Programm von 1959 initiiert, durch dass sich die `Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)´ von den marxistischen Grundtheoremen abgewendet hat und sich fest in das kapitalistische System integrierte. Im Jahr 1960 kommt es zu einer Trennung zwischen der SPD und ihrer Studentenorganisation `Sozialistischer Deutscher Studentenbund (SDS)´, welche den existierenden Sozialismus der DDR favorisierten. Dieser stehen in Verbindung zum amerikanischen SDS `Students for a Democratic Society´. Im Weiteren spielen der `Liberale Studentenbund Deutschland (LSD)´ der Freien Demokratischen Partei Deutschland (FDP) sowie eine Reihe von Burschenschaften und organisationslose Studenten eine wichtige Rolle.


Das Sommersemester 1965 kennzeichnet historisch die ersten Veranstaltungen der Bewegung. In der Kuby-Affäre protestieren die Studenten gegen das beschneiden von Rechten, da das Rektorat ein Sprechverbot für Erich Kuby, der sich einst kritisch über die Freie Universität Berlin geäußert hat aussprach. Im Zuge dessen kam es zu Krippendorf-Affäre. Krippendorf, ein wissenschaftlicher Mitarbeiter schrieb in einem Artikel im Spandauer Volksblatt, dass darüber hinaus ebenfalls ein Sprechverbot für Karl Jaspers verhängt wurde, mit der Folge das sein Mitarbeitervertrag trotz eines Widerrufens nicht verlängert wurde.

Im darauffolgenden Sommersemester kam es am 22. Juni 1966 zur ersten relevanten Protestversammlung, einem Sit-in im Bereich des Akademischen Senats des Henry-Ford Baus der Freien Universität Berlin, wodurch die Studenten öffentlich erstmalig eine Drittelparität in Gremien und somit eine Reform der Hochschule fordern. Durch diese hoffen die Studenten, dass sie eine Grundlage für weitere Reformen schaffen können, wie beispielsweise die damals diskutierte Begrenzung der Studienzeit auf eine Regelzahl an Semestern und der diskutierten Zwangsexmatrikulation, gegen die sich die Studentenschaft wehren will. Professoren waren auch anwesend und ein Grußtelegram von Jürgen Habermas wurde verlesen.

Darüber hinaus richten sich die Forderungen der studentischen Revolte gegen die gescheiterte Entnazifizierung, gegen die Notstandsgesetze, gegen den Vietnamkrieg und gegen die vorherrschenden traditionellen Familienstrukturen. Im Weiteren stehen Themen der sexuellen Befreiung und Emanzipation auf ihrer zu diskutierenden Agenda.

Neben Demonstrationen und Vollversammlungen wurden neue Formen des Protestes ausgeübt, die die deutschen Studenten von ihren kalifornischen Kommilitonen aus Berkeley und der Civil-Right-Bewegung kopierten. Sit-ins, als Art der Kampfform, als `Protest am Ort des Unrechtes´. Die Tech-ins haben sie eigens entwickelt, als Form der Beratung und Verständigung. Durch den SDS sind drei Initiativen entwickelt worden: Kritische Universität, Anti-Springer- Kampagne, Justizkampagne.


Die Revolte breitet sich weiter aus und im Februar 1967 gründen sich zunächst in Berlin dann ziemlich schnell im gesamten Westdeutschland sozialistische `Unabhängige Schülergemeinschaften (USG)´. Die Situation an den Universitäten verschärft sich. In Berlin spricht der Akademische Senat immer wieder ein zeitweiliges Versammlungsverbot für politische Veranstaltungen von Studenten aus, der Zeitschrift des AStA´s wird ein Kommentierungsverbot für Seminare auferlegt. Dennoch treffen sie sich zu ihren Demonstrationen und Vollversammlungen, welche mit Disziplinarverfahren und fristlosen Kündigungen der Beschäftigungsverhältnisse der studentischen Hilfskräfte seitens des Senates geahndet wird.

Diese Zeit ist gekennzeichnet von unverhältnismäßig schweren Repressionen gegen Studenten und junge Menschen allgemein: z.B. die grundlose Durchsuchung der Räume des SDS am Kurfürsten Damm, samt einer Beschlagnahmung der Mitgliederkartei. Nach fünftägigem Einsatz durch Horst Mahler hat der SDS seine Mitgliederkartei zurück.Diese Überreaktionen haben die Revolte weiter angeheizt, zumal diese in den Sachen Hochschulreform noch nicht weiter gekommen sind.

Mit dem Tod des Studenten Benno Ohnesorg, der am 02. Juni 1967 den grundlosen Schüsse des Polizeiobermeisters Karl-Heinz Kurras erlag, steht die Revolte auf ihrem Höhepunkt. Zahlreiche Studenten, die sich bisher skeptisch zurück gehalten haben solidarisieren sich mit den Revoluzzern. Im Wintersemester 1968/69 fanden Besetzungen an fast allen deutschen Universitäten statt, teilweise so massiv, dass der Lehrbetrieb ersatzlos eingestellt werden musste.

Die Lage spitzt sich weiter zu und fängt an zu eskalieren. Die Gewalt gegen junge Menschen nimmt weiter zu, ebenso das selektive Vorgehen der strafrechtlichen Maßnahmen gegen diese. Während vergleichsweise die Verhandlungen gegen Karl-Heinz Kurras im Fall Ohnesorg im November 1967 immer noch nicht begonnen hatten, wurde Fritz Teufel monatelang in Untersuchungshaft gehalten. Dieser soll beim Scharbesuch angeblich einen Stein auf einen Polizisten geworfen haben. Gleichermaßen im Fall Beate Klarsfeld, die den damaligen Kanzler Kiesinger als „Nazi“ beschimpft und ohrfeigt. Sie wurde per Schnellantrag am gleichen Abend zu einem Jahr Haftstrafe ohne Bewährung verurteilt. Nebenbei anzumerken ist, dass Heinrich Böll ihr für diese Aktion einen Strauß roter Rosen mit einer Dankeskarte zukommen ließ. Diese Überreaktionen der Justiz führten international zu einem Verlust des Ansehens der damaligen BRD.


In Deutschland haben sich die Versuche die Hochschulen zu demokratisieren bis in die Mitte der 80er Jahre hineingezogen. Die Revolte, samt der APO zerfaserte schleichend. Aus der studentischen Bewegung entstehen u.a. auch die Frauenbewegung sowie Umweltschutzorganisationen.


Entstehung und Zerfall der Außerparlamentarischen Opposition (APO)

In den Sommermonaten des Jahres 1966 ist viel über die Notstandsgesetze diskutiert worden und wenige Tage nach dem die „Große Koalition“ (November 1966), ohne eine nennenswerte parlamentarische Opposition gebildet wird, rufen die studentischen Vereinigungen unter der Schirmherrschaft von Rudi Dutschke und Hans-Jürgen Krahl die `Außerparlamentarische Opposition (APO)´ ins Leben.

Die schweren Kriegsjahre und die Zeit danach bis zum Mauerbau schaffen eine antikommunistische Solidarität in Deutschland. Unter diesem Aspekt sehen sich junge Aktivisten umso gezwungener etwas gegen die „Große Koalition“ zu unternehmen, da an der Parteispitze Kurt Kiesinger, ein ehemaliger Mitarbeiter der `Nationalsozialistischen Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP)´, steht, der in der Zeit des NS-Regimes unter Joseph Goebbels arbeitet.

Die APO befürchtet gerade im Angesicht der neuen Verhandlungen um das Notstandsgesetz, schlimmes, denn die Verdrängung der NS- Zeit in der Gesellschaft ist präsenter denn je. Auf Grund der gesellschaftspolitischen Ereignisse war der Mitgliederzuwachs des SDS enorm, sodass immer wieder und spätestens ab 1969 das Problem der Organisation auf der Agenda stand. Deshalb bildeten sich bereits 1968 einzelne ad-hoc-Gruppen heraus.

Die Rolle als nennenswerte politische Opposition verlor die APO, als am 28. September 1969 die sozialliberale Koalition mit Willy Brandt und Gustav Heinemann gebildet wurde. Eine Woche nach dem tödlichem Unfall von Hans- Jürgen Krahl im Jahr 1970 löste sich der SDS und somit die APO gänzlich auf.


Die APO zerfiel im wesentlichen in drei Gruppen:

Zunächst entstanden Rote Zellen, die sich dann zum Teil zu Kommunistische Parteien, sogenannte K-Gruppen wie die Kommunistische Partei Deutschland/ Marxisten-Leninisten (KPD/ML) organisierten. In Folge entstanden daraus maoistische Kommunistische Parteien, wie die KPD/AO (Aufbauorganisation) oder der Kommunistische Bund Norddeutschland (KB Nord) und Kommunistische Bund Westdeutschland (KB West) (Insgesamt ca. 7000 Mitglieder).

Dem gegenüber stand die Deutsche Kommunistische Partei (DKP, die alte KPD), maßgeblich von der DDR finanziert und gesteuert, mit ihrem Marxistischen Studentenbund Spartakus (MBS) (Insgesamt ca. 50 000 Mitglieder).

Weiterhin bildeten sich einige andere Vereinigungen: Sozialistisches Büro (SB), Gruppe Internationaler Marxisten (GIM)- als Trotzkisten, die Marxistische Gruppe (MG), Bewegung undogmatischer Frühling, Sozialistische Hochschulinitiative (SHI) und der Revolutionäre Kampf (RK), es organisierten sich militante Gruppen wie die Spontis, zu dieser Bewegung gehörten Daniel Cohn-Bendit und Joschka Fischer. Nebenher entstand die Rote Armee Fraktion (RAF) und die Bewegung 2. Juni.


Rolle der medialen Öffentlichkeit

Die hetzerische und reißerische mediale Berichtserstattung- namentlich durch den Springer- Verlag – beeinflusst das öffentliche und private Bewusstsein in jeglicher Weise und wurde gegen die Revolte aufgehetzt ist. Dort heißt es beispielsweise in einem Kommentar der Bildzeitung vom 05. Februar 1968: „Am Wochenende liefen Berlins junge Rabatz- Akademiker wieder mal Amok (…) Sie lieferten sich mit der Polizei eine regelrechte Straßenschlacht“ (Benneter 1968, S. 24). Bezogen auf die Hochschulreform, für die sich die Revolte bekanntlich einsetzt, schreibt die Bildzeitung am 12. Februar 1968: „Durch die Beseitigung der linken Bremsklötze soll der Senat voll handlungsfähig gemacht werden (…) mit aller im Gesetz vorgesehenen Härte gegen die Störer der Ordnung Berlins vorgehen“ (Benneter 1968, S.37).

Diese Hetze hatte zur Folge, dass Dutschke und andere, als Symbol der Protestbewegung immer häufiger auf öffentlicher Straße auch körperlich angegriffen wurden. Auf Plakaten wurde Dutschke als Volksfeind Nr.1 betitelt oder mit Sprüchen wie „Berlin, das geht alle an- raus mit Dutschke, Teufel, Kunzelmann“ die Hetze weiter vorangetrieben (Benneter 1968, S.107). Neben der medialen Perzeption hat auch der damalige Bürgermeister durch seine ketzerische Rede eine Jagd auf junge Menschen ins Leben gerufen. Der Anschlag auf Rudi Dutschke kann als das Ergebnis einer solchen medialen Darstellung und Verzerrung von Wirklichkeiten angesehen werden.

Heinrich Böll greift 1974 in seiner Erzählung „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ die Hetzkampagnen der Medien auf, die sich bis in die Zeit der RAF hineinzogen und denen sogar bekannte aber harmlose Sympathisanten der RAF zum Opfer fielen.


Chronologie der Revolte

1965

  • 07. Mai: Kuby- Affäre, 500 Studenten im Henry- Ford- Bau
  • 10. Juni: Affäre Krippendorf

1966

  • Februar: Vietnam- Demonstration (2500 Teilnehmer)
  • 22. Juni: erstes Sit-in an einer deutschen Universität im Henry- Ford- Bau der FU (300 Teilnehmer)
  • Oktober: Kongress gegen die Verabschiedung der Notstandsgesetze (28 000 Teilnehmer), bekannte Redner Ernst Bloch und Hans Magnus Enzensberger
  • 26. November: Dutschke und andere stören Diskussionen der AStA mit Rektor Lieber, (Fachidiotenflugblatt)
  • 10. Dezember: Vietnam- Demonstration in Berlin, bekannter Redner Rudi Dutschke (zum ersten Mal wurde über eine notwendige, neue Organisationsform gesprochen- APO)

1967

  • 01. Januar: Kommune 1 gegründet
  • 26. Januar: Beschlagnahmung der SDS-Mitgliederkartei wegen Fachidiotenflugblatt
  • Februar: Vietnam-Demonstration in Frankfurt, Hans- Jürgen Kahl (Schüler Theodor W. Adornos) als Sprecher und charismatische Person neben Dutschke – Repressionen durch Polizei
  • 04. April: Verhaftung der Kommune 1 wegen Puddingattentat
  • 30. April: Republikanischer Club gegründet
  • 24. Mai: Kaufhausbrandflugblatt der Kommune 1
  • 02. Juni: Benno Ohnesorg durch Karl- Heinz Kurras erschossen
  • September: Rücktritt der Innensenators Büsch, des Polizeipräsidenten Duensing, des Bürgermeisters Albertz wegen des Fehlverhaltens der Polizei am 02. Juni.
  • 09. November: „Unter den Talaren Muff von 1000 Jahren“ , bekannteste Aktion der APO in Hamburg
  • 29. November: Fritz Teufel: „Na ja, wenn´s der Wahrheitsfindung dient“, als Antwort sich vor dem Richter bei Prozessbeginn vom Stuhl zu erheben.

1968

  • 17. Februar: Vietnamkongress in Berlin, am darauf folgendem Tag große Demonstration (15 000 Teilnehmer)
  • 21. Februar: Gegendemonstration vor dem Schöneberger Rathaus, organisiert vom Berliner Senat (80 000 Teilnehmer)
  • Februar: Anti- Springer Kampagne
  • 22. März: Freispruch für Rainer Langhans und Fritz Teufel wegen Kaufhausbrandflugblatt
  • 03. April: Brandstiftung in Frankfurter Kaufhäusern durch Andreas Baader, Gudrun Ensslin, Thorwald Proll und Horst Söhnlein
  • April: Deutsche Kommunistische Partei (DKP) gegründet
  • 11. April: Attentat auf Rudi Dutschke
  • 01. Mai: offizielle Kundgebungen (80 000 Teilnehmer), Gegenveranstaltung der APO (40 000 Teilnehmer)
  • Mitte Mai: Kundgebung gegen die Verabschiedung der Notstandgesetze in Bonn (50 000 Teilnehmer)
  • 27.Juni: Erste Rektoratsbesetzung an der Freien Universität Berlin
  • 10. Juni: zweite Besetzung
  • 13. September: Helke Sander und die Tomaten auf Hans- Jürgen Krahl
  • Wintersemester 1968/69 Besetzung an vielen Universitäten in Deutschland- vor allem Berlin und Frankfurt
  • 10. Oktober: Berliner Vorschaltgesetz beschlossen- Unabhängigkeit einzelner Institute vom Akademischen Senat
  • 04. November: Schlacht am Tegeler Weg- größte gewaltsame Auseinandersetzung der APO mit der Polizei (130 verletzte Polizisten, 22 verletzte Demonstranten)
  • 07. November: Beate Klarsfeld ohrfeigt Bundeskanzler Kiesinger
  • 08. Dezember: Besetzung des Frankfurter Soziologischen Seminars
  • Dezember: KPD/ML gegründet

1969

  • Januar: Einstellung des Lehrbetriebes an einigen Fakultäten der Freien Universität Berlins bis zum Semesterende
  • 31. Januar: Besetzung und Räumung des Institutes für Sozialforschung in Frankfurt
  • April: Sozialistisches Büro gegründet
  • Juni: Beginn der Bildung von Roten Zellen
  • Juli: Berliner Universitätsgesetz (Novellierungen dauerten bis 1986)
  • November: Auflösung Kommune 1

1970

  • 14. Februar: Hans-Jürgen Krahl stirbt bei einem Autounfall
  • 21. März: Auflösung der APO
  • März: KPD gegründet (zunächst KPD/AO)
  • Mai: Rote Armee Fraktion entsteht mit Baader-Befreiung
  • September: Revolutionärer Kampf (RK) gegründet

1971

1972

  • Januar: Bewegung 2.Juni gegründet
  • 28. Januar: Radikalerlass, Beginn der Berufsverbote
  • Mai: Mai-offensive der RAF
  • Juni: Verhaftung Andreas Baader, Gudrun Ensslin, Ulrike Meinhof

1973

  • Mai: Bundesverfassungsgericht zum niedersächsischen Vorschaltgesetz
  • Juni: Kommunistischer Bund Westdeutschland (KBW) gegründet


Studentenrevolte International

Außerhalb Deutschlands geht die studentische Protestbewegung ebenso mit gewalttätigen Aktionen der Regierungen gegen diese einher.


Frankreich (Praiser Mai)

Am schlimmsten ist das Ausmaß im so genannten „Pariser Mai“ (Mai 1968). Gegen die friedlichen Studentenbewegungen wird mit einer enormen Brutalität vorgegangen; Reizgas wird in Europa zum ersten Mal eingesetzt, die Polizei wirft sogar Handgranaten in Wohnungen, die jungen Menschen werden massiv misshandelt und gedemütigt sogar zum Teil nackt ausgezogen. Dany le Rouge ist einer der wichtigsten Sprecher der französischen Studentenbewegung


Chronologie

  • 02. Mai: Schließung der Fakultät Nanterre
  • 03. Mai: Protest dagegen in der Sorbonne, erste Straßenschlacht
  • 10. Mai: Barrikadennacht
  • 11. Mai: 24-stündiger Generalstreik der Gewerkschaften
  • 13. Mai: Eine Millionen demonstrieren in Paris gegen Charles de Gaulle
  • 29. Mai: de Gaulle reist nach Baden-Baden
  • 30. Mai: de Gaulle reist wieder nach Paris und verkündet, dass Neuwahlen stattfinden werden



USA

Die Studentenrevolte in den USA setzte sich erfolgreich für Bürgerrechte von Schwarzen ein und kämpfte gegen den Vietnam-Krieg. Die bekanntesten Sprecher Alan Haber und Tom Hayden. Die neuen entwickelten Protestformen der Sit-in und Teach-in, zum einen als Art des Kampfes, des `Protest am Ort des Unrechtes´ entstanden in der Civil-Right-Bewegung. Die Tech-ins, zum anderen als Form der Beratung und Verständigung. Das repressive Vorgehen des Staates und die Brutalität der Polizei gegen Studenten, brachten diesen immer mehr Sympathisanten und Anhänger. Die Polizei schießt dabei wahrlos auf Studenten beispielsweise im Jahr 1969 im People’s Park, wobei ein unbeteiligter Arbeiter getötet und über 100 Studenten verletzt werden. Eine eingekesselte Menge von über tausend Menschen, unter ihnen Studenten, Kaufleute, Universitätsangestellte und Schaulustige wird von Hubschrauben aus Tränengas gesprüht. Ein Jahr darauf werden an der Kent State Universität/ USA vier Student(-inn)en von der Nationalgarde bei friedlichen Demonstrationen gegen den Vietnamkrieg erschossen. Zehn Tage später, zwei weitere Tote Studenten an der Universität Jackson in Mississippi.


Chronologie

bis 1967

  • 1959 SDS gegründet
  • 1960 Student Nonviolent Coordinating Committee (SNCC) gegründet
  • 1962 Port Huron Statement des SDS
  • 1964 Berkeley Free Speech Movement
  • 1965 Free University of Berkeley gegründet
  • 1966 Protest in Berkeley gegen Einberufung nach Vietnam, Radikalisierung des SDS, Maoisten , Progressive Labour (Marxisten-Leninisten)

1967

  • Marsch auf Washington gegen den Vietnam-Krieg ( 100 000 Teilnehmer)
  • Protest in Berkeley gegen Einberufung nach Vietnam, Hippie-Bewegung als Gegenkultur der Jugend

1968

  • April: Besetzung der Columbia- Universität in New York
  • August: Krawalle in Chicago beim Parteikonvent der Demokraten
  • Oktober: Sit-in und Besetzung in Berkeley wegen Eldridge Cleaver

1969

  • Januar: Streik in Berkeley durch Thrid World Liberation Front
  • Mai: Unruhen in Berkeley wegen People‘s Park (mehrere Schwerverletzte durch Brutalität der Polizei)
  • Juni: SDS spaltet sich in Weathermen und Maoisten
  • Oktober: Vietnam- Moratorium- Protest gegen den Krieg ( mit 10 Millionen der größte öffentliche Protest in den USA)
  • Dezember: Weathermen gehen in den Untergrund

1970

  • 04. Mai: Proteste an der Kent State Universität gegen Kambodscha- vier Student(-inn)en erschossen, woraufhin Unruhen an 450 Universitäten entstanden.
  • 14. Mai: zwei weitere Studenten der Universität Jackson in Mississippi durch Polizei erschossen



Chronologie der Revolte (global)

  • Februar 1968 in Polen: Studentenproteste wegen der Unterdrückung der Meinungsfreiheit entwickelten sich zu den März-Unruhen
  • Februar/März 1968 Großbritannien: Studentenproteste und Eröffnung der Gegenuniversität in London
  • März 1968 Italien: Studentenproteste und Institutsbesetzungen an fast allen Universitäten
  • Mai 1968 Österreich: Besetzung der Universität Wien mit Forderungen nach Reformen
  • Juni 1968 Schweiz: Globuskrawalle mit Forderungen für Errichtung autonomer Jugendzentren
  • Juni 1968 Jugoslawien: Besetzung der Universität Belgrad mit Forderungen nach Reformen
  • August 1968 in der Tschechoslowakei: Studenten rufen auf zum Generalstreik gegen den Einmarsch des Warschauer Paktes (Prager Frühling)
  • Oktober 1968 Mexiko: Studentenproteste gegen soziale Ungerechtigkeit, durch repressives Vorgehen gegen die Studenten wurde die Proteste zum Massaker von Tlatelolco mit 50 Toten und mehreren 100 schwerverletzten.
  • Oktober 1968 Japan: Attacke auf Tokio- Proteste gegen den Vietnam-Krieg, Umweltverschmutzung und Forderung nach einer demokratischen Universität (Zengakuren)


Literatur der Revolte (Auswahl)

  • Johannes Agnoli & Peter Brückner (1967) Die Transformation der Demokratie
  • Ernst Bloch (1935) Erbschaft dieser Zeit, (1954–1959) Das Prinzip Hoffnung, 3 Bd
  • Frantz Fanon (1961) Die Verdammten dieser Erde
  • Karl Korsch (1923) Marxismus und Philosophie
  • Rosa Luxemburg (1917) Die Russische Revolution
  • Georg Lukácz (1923) Geschichte und Klassenbewusstsein
  • Herbert Marcuse (1967) Der eindimensionale Mensch (Im Zusammenhang mit der Revolte das wohl wichtigste Werk)


Printmedien der deutschen Revolte

  • Die seit 1957 bestehende Zeitschrift konkret- Zeitschrift für Politik und Kultur, erschien 14- tägig. Ulrike Meinhof publizierte regelmäßig und war ihrer Zeit Chefredakteuren. Die konkret wurde durch das Ministerium für Staatssicherheit der DDR finanziert und gesteuerte.
  • Im Sommer 1967 erhielt die Studentenbewegung eine eigene Zeitschrift die zweimal wöchentlich erschien- berliner EXTRA Blatt dann berliner EXTRA- dienst. Wie später herauskam, wurde diese durch das Ministerium für Staatssicherheit der DDR finanziert und gesteuert.
  • Aus der Justizkampagne des SDS entwickelt sich im Jahr 1968 die Zeitschrift Kritische Justiz.

Kriminologische Relevanz

In der Zeit der studentischen Bewegung sind vor allem junge Menschen Opfer selektiv diskriminierender Sanktionspraxen durch staatliche Zwangsinstanzen geworden.

Diesbezüglich sind vor allem die Studien von Feest & Lautmann (1971) sowie Feest & Blankenburg (1972) zu nennen, die im deutschsprachigen Raum erstmals soziologische Erkenntnisse über die polizeiliche Alltagswelt durch Interviews und teilnehmenden Beobachtungen gewannen und deren Feldphase in die Zeit der Revolte fiel. Makrosoziologische Ursachen können darin gesehen werden, dass polizeilicher Zwang, als notwendiges Mittel zur Sicherung von Herrschaftspositionen, dann in selektive Repression übergeht, wenn die politische Stabilität gefährdet ist Die polizeiliche Handlungspraxis, die dabei durch informell Verdachtsmomente geleitet ist, dichotomisiert/ sterotypisiert die Gesellschaft in `Anständige´ versus `Unanständige´ Bürger. Auf Grund der damaligen gesellschaftspolitischen Ereignisse bestand gegen junge Menschen allgemein ein generalisierter Verdacht. Die Definitionsmacht der Polizei war in dieser Zeit besonders groß, da die soziale Kontrolle durch Kollegen und die restliche (konservative) Gesellschaft wegfiel. Es kam zur häufigen Anwendung von unmittelbaren Zwang und einer Form von Ersatzjustiz durch den ihr zugestandenen Ermessensspielraum. Ebenso konnten rollentheoretische Überlegungen des polizeilichen Handelns, insofern bestätigt werden, dass ein Großteil der Gesellschaft ein Interesse an Repressionen gegen die Revolte hatte und somit ihr Handeln an einer gewissen Erwartungshaltung orientiert wurde.


Im Weiteren ist die Studie `Protest und Reaktion´ (Sack und Steinert 1984) zu nennen, die die damalige Auseinandersetzung und Reaktion von Gesellschaft, Politik und Staat auf die Studentenbewegung mittels eines interaktionistischen Ansatzes analysiert. In die Analyse sind eine Vielzahl verschiedenster Dokumente, wie Monographien, Aufsätze, Reportagen, Dokumentationen, amtliche Dokumente wie Presseverlautbarungen, Untersuchungsberichte, Anklageschriften, Urteile und parlamentarische Protokolle eingeflossen. Darüber hinaus ist die mediale Berichtserstattung „punktuell intensiv, wenn auch nicht systematisch im Stil einer formellen Inhaltsanalyse“ untersucht worden (Sack und Steinert 1984, S. 95). Es bestehen jedoch berechtigte Zweifel an gewonnenen Erkenntnissen, da die Studie unter dem maßgeblichen Einfluss des Auftraggebers stand und die Endversion mehrfach überarbeitet werden musste. Ein deutlicher Verweis im Vorwort des Herausgebers gibt dieser berechtigten Frage einen Nährboden. „Einer der Autoren weist ausdrücklich darauf hin, „dass die Botschaften durch die Person und Institutionen des Botschafters geprägt und zum Teil dementierbar sind“ (Sack und Steinert 1984, S. 7).

Literatur

  • Benneter, Klaus-Uwe (1968) Februar 1968. Tage die Berlin erschütterten. Frankfurt a.M.: Europäische Verlagsanstalten
  • Feest, Johannes/Blankenburg, Erhard (1972): Die Definitionsmacht der Polizei. Strategien der Strafverfolgung und soziale Selektion, Düsseldorf: Universitätsverlag.
  • Feest, Johannes/Lautmann, Rüdiger (1971): Die Polizei. Soziologische Studien und Forschungsberichte, Opladen: Westdeutscher Verlag.
  • Manning, Peter K. (1977): Police Work: The Social Organization of Policing, Cambrigde, Mass., London: The MIT-Press.
  • Wesel, Uwe (2002) Die verspielte Revolution. 1968 und die Folgen. 1. Aufl. München: Blessing.


weiterführende Literatur

  • Dutschke, Gretchen (1996) Wir hatten ein barbarisches, schönes Leben. Rudi Dutschke. eine Biographie
  • Kraushaar, Wolfgang (1998) Frankfurter Schule und Studentenbewegung
  • Kraushaar, Wolfgang (2000) 1968 als Mythos, Chiffre und Zäsur
  • Langhans, Rainer& Teufel, Fritz (1968) Klau mich

weblinks

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