Arbeitsgemeinschaft Humane Sexualität

Aus Krimpedia – das Kriminologie-Wiki
(Weitergeleitet von AHS)
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Die Arbeitsgemeinschaft Humane Sexualität (AHS) ist ein eingetragener Verein (e.V.) mit Sitz in Gießen. Vorsitzender ist (2011) Claus Gradenwitz. Dem Kuratorium gehören Jörg Hutter, Klaus Rauschert und Fritz Sack an.

Ziel des Vereins, der sich einem wissenschaftlichen Verständnis von Sexualität verpflichtet sieht, ist die Beseitigung von "Benachteiligungen auf Grund der sexuellen Orientierung". Der Verein fördert die Selbsthilfe von Betroffenen und betreibt auch eine Hotline für Menschen mit sexuellen Problemen. Vor allem aber organisiert der Verein, in dem es eine Fachgruppe "Pädophilie" und drei Arbeitskreise gibt ("Exhibitionismus", "Sexualerziehung" und "Eltern und Angehörige pädophiler Menschen"), seit 1983 pro Jahr mindestens eine Fachtagung.

In Kooperation mit der Humanistischen Union (HU) veranstaltete die AHS Tagungen zu den Themen "Prostitution als Beruf", "Pornographie und Jugendschutz heute", "Sexualerziehung" und "Sexualität und Recht". Nach heftiger Kritik vom ARD-Magazin "Report" (19.07.2004) und vom Bayerischen Familienministerium (21.07.04) distanzierte sich die HU von zentralen Aussagen und Forderungen der AHS (07.08.2004) und stellte ihre Zusammenarbeit mit dem Verein ein.

In den Jahren danach veranstaltete die AHS Tagungen über Maßregelvollzug und Sicherheitsverwahrung (2005), Pädophilie (2006), die Geschichte der Sexualität (2007), Selbstbefriedigung (2008), AD(H)S und Sexualität (2009) und Sucht sowie Sexualität (2010).

Positionspapier

Thesen

Das Positionspapier der AHS zum Thema "Sexualität zwischen Kindern und Erwachsenen" stellte folgende Thesen auf:

  • Es gibt Sexualkontakte zwischen Kindern und Erwachsenen, die weder Kinder noch Erwachsene schädigen: "Es gibt Kinder, die ihre Neugier und erotischen Bedürfnisse auch an Erwachsene richten und in bestimmten Situationen sexuelle Kontakte mit ihnen nicht ausschließen oder manchmal sogar suchen. Es gibt Erwachsene (jedweder sexueller Orientierung), die in ihrer Kindheit sexuelle Kontakte mit Erwachsenen hatten und die diese Erlebnisse stets positiv in Erinnerung behielten und nach wie vor als einvernehmlich beurteilen. Diese Personen werden nicht gerne wahrgenommen. Dennoch gibt es sie, und sie bezeugen, dass die Disparität zwischen der kindlichen und erwachsenen Sexualität nicht prinzipiell unüberbrückbar ist, und dass ein gleichberechtigter und (...) kindgemäßer pädophiler Sexualkontakt mit großer Sicherheit primär (d.h. ohne die Einmischung von außen) keinen Schaden mit sich bringt."
  • Für die Frage, ob Sexualkontakte zwischen Kindern und Erwachsenen schädlich sind, kommt es auf die Kriterien der Selbstbestimmung und der Integrität des Kindes an. Wo diese gewahrt werden, da kommt es zu neutralen bis positiven Folgen.
  • Das Strafgesetz bedroht aber auch solche Sexualkontakte (mit neutralen bis positiven Folgen) mit Strafe. Es bezeichnet alle sexuellen Kontakte mit unter 14-jährigen Jungen oder Mädchen als Missbrauch - ungeachtet ihrer Qualität und bedroht solche sexuellen Kontakte in minder schweren Fällen mit "Geldstrafe", ansonsten aber mit bis zu 15 Jahren Gefängnis (§§ 176, 176a StGB). Der Begriff der "sexuellen Handlung" wird sehr weit gefasst - und es genügt für eine Verurteilung, mit einem Kind in bestimmter Weise darüber zu sprechen. Selbst wenn alle Beteiligten selbst noch Kinder sind, liegt nach dem Gesetz Missbrauch vor - nur die Strafunmündigkeit bewahrt sie dann vor einer Bestrafung nach dem Strafrecht (nicht aber vor erzieherischen Maßnahmen).
  • Nicht jedes Kind wird durch jede Art von sexuellem Kontakt gefährdet. Deshalb lehnt die AHS den Gedankengang, der hinter den §§ 176 und 176a des Strafgesetzbuchs steht, ab: dass es für den Schutz der ungestörten sexuellen Entwicklung von Personen unter 14 Jahren darauf ankommt, jeden sexuellen Kontakt mit solchen Personen auszuschließen - und dass es unerheblich sei, ob durch den sexuellen Kontakt eine konkrete Gefährdung oder Schädigung tatsächlich gegeben war.
  • Wo das Strafrecht keine Schutzfunktion mehr erfüllt, ist es auch nicht mehr legitim. Es wird zum Strafunrecht, das die Grundrechte der Erwachsenen verletzt und zusätzlich Kindern schadet: "Das Strafrecht hat seine Berechtigung, soweit es das Kind vor Machtmissbrauch schützt. Dort allerdings, wo auch vom Kind erwünschte, also einvernehmliche und nicht schädigende sexuelle Handlungen unter Strafe gestellt werden, wird Strafrecht zu Unrecht. Es verstößt dann gegen die im Grundgesetz verankerten Persönlichkeitsrechte und stellt eine nicht verantwortbare Einmischung des Staates in den persönlichen und intimen Lebensbereich dar."
  • Die Strafbarkeit der Erwachsenen schädigt letztlich auch die Kinder. "Kinder, die durch die sexuelle Handlung selbst nicht geschädigt wurden, sondern die erst aufgrund einer Einmischung von außen, einer Anzeige oder eines Strafverfahrens tatsächlich zu Opfern werden und Schaden erleiden, sind nicht die Ausnahme. Sowohl die Tatsache als auch die Methoden der Polizeiverhöre und die Durchführung von Gerichtsverhandlungen verletzen - trotz aller Bemühungen - die Privatsphäre in unverantwortlicher Weise. Mögliche positive Erfahrungen mit der Sexualität werden dadurch nachträglich ins Gegenteil verkehrt. Aus solchen Verfahren gehen Kinder oft seelisch verletzt und mit tiefen Schuldgefühlen hervor; schuldbewusst, weil sie etwas angeblich Schlimmes selbst mit verübt haben und schuldbewusst, den befreundeten 'Täter' verraten zu haben. Auch wenn die Behörden um Diskretion bemüht sind, dringt erfahrungsgemäß immer etwas nach außen und haftet den 'Opfern' als dauernder Makel an. Das Gesetz, das vorgibt, Kinder zu schützen, schadet ihnen in solchen Fällen."
  • Die Überdehnung der Strafbarkeit im Bereich der Erwachsenen ist eine Quelle von Problemen: der Erwachsene, ob er nun selbst einen sexuellen Kontakt zu einem Kind hat oder als Verantwortlicher einen solchen duldet, "muss mit allen möglichen Sanktionen und persönlichen Katastrophen rechnen. Oft leidet er tief am Widerspruch zwischen seinem Rechts- und Wertebewusstsein und den Maßregelungen durch die Staatsgewalt. Durch das Eingreifen der Justiz kann seine und seiner Familie Existenz gefährdet, wenn nicht zerstört werden. Überdies ist er angesichts solcher Bedrohung unter Umständen nicht in der Lage, sich dem Kind gegenüber unbefangen und behutsam zu verhalten. Da aufgrund der bestehenden Gesetze und der gesellschaftlichen Vorurteile jeder - auch der positivste - sexuelle Kontakt mit einem Kind als Missbrauch gilt und daher geheimgehalten werden muss, wird der Erwachsene (wie auch das Kind) leicht Opfer von Ausbeutung, Diffamierung, Erpressung oder Nötigung. Der Zwang zur Verheimlichung führt in die Isolation und damit in Beziehungsprobleme. So können weder positive Erlebnisse noch Schwierigkeiten mit Eltern oder Freunden angstfrei besprochen werden. Denn wie in jeder Beziehung, so können auch in pädophilen Beziehungen Probleme auftreten, die für das Kind und den Erwachsenen um so belastender wirken, als darüber mit Dritten nicht gesprochen werden darf, wenn nicht die Gefahr bestehen soll, ungewollt eine Strafverfolgung auszulösen."
  • "Das Kernproblem der geltenden Strafrechtsparagraphen gegen den sexuellen Missbrauch liegt darin, dass diese einvernehmliche und verantwortliche Sexualkontakte mit Kindern ignorieren. Wer behutsamen und verantwortlichen Umgang mit kindlicher Sexualität aber ächtet, drängt erotische Kontakte zwischen Kindern und Erwachsenen in den Untergrund und fördert fragwürdige Ausweichstrategien. Das geltende Sexualstrafrecht motiviert einen aktiven Pädophilen nicht, sich an die in dieser Schrift zusammengefassten ethischen Handlungsmaximen zu halten. Diese Demotivation ist aus Sicht des Kinderschutzes kontraproduktiv und hat fatale Wirkungen. An Kinderprostitution und Sextourismus sowie an der Kommerzialisierung von Pornographie zeigt sich dann unter anderem, wie bedenkenlos Sexualität in unserer Gesellschaft in den Dienst von Machtstrukturen gestellt und zur Ware herabgewürdigt werden kann. Bedingungen, unter denen Menschen für andere willkürlich verfügbar werden oder ihre Situation so erleben, sind zu analysieren und zu verändern. Dies schließt notwendigerweise ein, die gängige Sexualmoral und den gesellschaftlich herrschenden Normalitätsbegriff zu hinterfragen."

Forderungen

  • Das Recht des Kindes auf sexuelle Selbstbestimmung: "Da der Mensch in jedem Lebensalter sexuelle Empfindungen hat und ausdrücken kann, muss das Recht des Kindes auf sexuelle Selbstbestimmung, also auch auf von ihm gewollte sexuelle Betätigungen, anerkannt und respektiert werden. Kinder müssen selbst entscheiden und mitteilen dürfen, ob und mit wem sie Sexualität erleben wollen.
  • Unvoreingenommenheit gegenüber Erwachsenen: "Ebenso wie auf anderen Gebieten darf Erwachsenen auch auf sexuellem Gebiet nicht von vornherein die Ausnutzung einer überlegenen Position zum Nachteil des Kindes unterstellt werden. Die Grenzen des Rechts auf sexuelle Selbstbestimmung sind dort, wo der Machtmissbrauch beginnt.
  • Reform der Rechtslage: "Vom Gesetzgeber ist zu fordern, dass er sich aus seiner besonderen gesellschaftlichen Verantwortung heraus eingehend und umfassend, das heißt auch bei Sexualforschern und Betroffenenvertretern, informiert und dann durch Aufklärung entsprechende Mehrheiten bildet, statt kurzsichtig und populistisch auf massenmedial hochgepeitschte Stimmungen einzugehen. - Gleichberechtigte, einvernehmliche und verantwortliche sexuelle Handlungen dürfen - weil sie nicht schädigen - auch zwischen Erwachsenen und Kindern nicht mehr strafbar sein. Nur konkreter sexueller Machtmissbrauch ist als strafbare Handlung zu sanktionieren." Bei einer Reform sei einer offenen Grundeinstellung zur Sexualität, dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und dem heutigen Erkenntnisstand der Psychologie, der Sexual- und Gesellschaftswissenschaften über Sexualität und Sexualkontakte Rechnung zu tragen. Dies ermögliche dann auch die Vermeidung von (Sekundär-) Schädigungen des Kindes, die durch Kriminalisierung und Strafverfolgung entstehen können. ;
  • Anerkennung und Förderung von Selbsthilfeeinrichtungen pädophiler Menschen durch Kommunen und freie Träger: "Diese Gruppen sind eine der wenigen realen Hilfsangebote für Pädophile und ihre Angehörigen. Sie stellen auch einen wirksamen sozialtherapeutischen Rahmen zur Verfügung. In einer repressionsfreien (aber selbstverständlich nicht rechtsfreien) Atmosphäre lernen dort pädophile Menschen über ihre Wünsche, Nöte, Gefühle, Denk- und Handlungsmuster zu sprechen, was ihnen diese bewusst und der Selbstkontrolle zugänglich werden lässt. Für Pädophile stellen solche Gruppen heute schon ansatzweise eine qualifizierte Öffentlichkeit dar (vgl. 2.5). Auch Kindern kommen die pädophilen Selbsthilfegruppen, die den ethischen Grundsätzen der Gleichberechtigung, Einvernehmlichkeit und Verantwortlichkeit als obersten Leitzielen verpflichtet sind, zugute. Sie schützen sie durch ihren Einfluss vor möglichen Gewalttaten und Machtmissbrauch. Diese Selbsthilfegruppen tragen zudem durch ihre Veröffentlichungen aus Betroffenensicht zur Versachlichung der Debatte bei."

Verhältnis zu anderen Gruppierungen

Distanzierung der AHS von "Krumme 13"

Im Jahre 2010 distanzierte sich die AHS von einer Gruppe namens Krumme 13 bzw. K13, die alle Berichte über ihre Selbstauflösung im Jahre 2003 wohl überstanden hatte. Die AHS warf der K 13 Verstöße gegen Urheberrecht und Datenschutzbestimmungen vor, darüber hinaus aber auch - und vielleicht in erster Linie - dass sie Pädophile gegen ihren Willen "oute" und zu öffentlichen Bekenntnissen und/oder politischen Aktionen zwingen wolle.

Distanzierung der Humanistischen Union von der AHS

Im Jahre 2000 beschloss der Vorstand der Humanistischen Union einstimmig eine Erklärung zum Sexualstrafrecht, in der sie auf eine seit Mitte der 1990er Jahre zu beobachtende Verpolizeilichung der Gesellschaft im Bereich der Sexualstraftaten sowie eine mediale und öffentliche „Erzeugung moralischer Panik“ hinwies und den Umgang mit Pädophilen als „Lehrstück aus dem ebenso alten wie offenbar aufklärungsresistenten Kapitel der Erzeugung von gesellschaftlichen Sündenböcken und der moralischen Verschiebung und Entäußerung sozialer Probleme“ bezeichnete - insbesondere erklärte die HU, dass die „absolut und relativ außerordentlich raren Fälle sexueller Gewalthandlungen“ keine „kreuzzugartige Kampagne gegen Pädophile“ rechtfertigten. Der Verbandstag der HU lehnte diese Erklärung des Bundesvorstands noch in demselben Jahr mehrheitlich ab. Als später Vorwürfe gegen die HU laut wurden, sie ließe sich durch die AHS instrumentalisieren, veröffentlichte sie 2004 eine Erklärung, in der sich die HU von der AHS förmlich distanzierte: "Die Humanistische Union hat zu keinem Zeitpunkt den sexuellen Missbrauch von Kindern verharmlost oder gebilligt. Die HU ist vielmehr davon überzeugt, dass sexuelle Kontakte von Erwachsenen mit Kindern wegen des inhärenten Machtgefälles nicht einvernehmlich sein können, und daher kein Ausdruck von sexueller Selbstbestimmung sind. Die HU teilt ausdrücklich nicht die innerhalb der Arbeitsgemeinschaft Humane Sexualität (AHS) vertretene Auffassung, dass sexuelle Handlungen von Erwachsenen mit Kindern unter bestimmten Umständen straffrei sein sollten. Eine nähere Prüfung der Positionen der AHS, insbesondere verschiedener Internet- Darstellungen hat ergeben, dass die AHS für die Humanistische Union keine geeignete Kooperationspartnerin in bürgerrechtlichen Fragen sein kann. Bis zu einer Klärung innerhalb der Arbeitsgemeinschaft Humane Sexualität wird die HU nicht mit der AHS zusammenarbeiten."

Als ein Regensburger Bischof (Gerhard Ludwig Müller) der HU im März 2010 die Förderung oder Begünstigung pädophiler Handlungen unterstellte, bezichtigte sie ihn der Verleumdung und forderte einen öffentlichen Widerruf [1]. Die Bundesvorsitzende der HU, Prof. Will, erklärte: "Es ist abwegig, der Humanistischen Union eine Förderung oder Begünstigung pädophiler Handlungen unterschieben zu wollen. Die Humanistische Union bekennt sich klar zum Schutz Minderjähriger vor sexuellen Übergriffen und zur strafrechtlichen Verfolgung der Täter." Die Argumente der Befürworter pädophiler Beziehungen habe die HU verworfen: "Wir haben als Verband eine klare Position bezogen, wo die Grenze für legitime sexuelle Handlungen von Erwachsenen liegt. Wir gehen davon aus, dass es eine 'einvernehmliche Sexualität' zwischen Kindern und Erwachsenen nicht geben kann." Gleichzeitig wandte sie sich gegen eine Dämonisierung von Straftätern und eine Kriminalpolitik der Angst. Das Landgericht Berlin untersagte dem Bischof daraufhin durch eine Verfügung vom 13. April 2010 die weitere Verbreitung seiner Falschinformation.

Weblinks